
„Meine Truppe agiert wie Semi-Profis“, sagte Andreas Schubert in der Pause zwischen dem ersten und dem zweiten Akt bei der Generalprobe mit verhaltenem Stolz. Als Besucher darf man getrost die Frage stellen, ob diese Einstufung nicht eine Untertreibung darstellt. Lasse den Wortteil „Semi“ weg, dann trifft es den Sachverhalt schon eher. Denn selbst gelernte Schauspieler können die Boulevardkomödie „Der Floh im Ohr“ auch nicht komödiantischer, flotter, mit mehr Lust am Ausreizen der verschiedenen Rollen über die Bühne bringen.
Epoche der verlogenen Sexualmoral
Das war der Eindruck, den das Ensemble des Naturtheaters „Friedrich Schiller“ aus Bauerbach sehr lebendig am Donnerstagabend vermittelte. Das Stück des französischen Autors Georges Feydeau (1862 – 1921) in der Übersetzung von Wolfgang Schuch bietet aber auch ununterbrochen Anreize zu lustvollem Agieren. Die Handlung ist in die Zeit der Jahrhundertwende oder der Charlestonzeit der 1920er-Jahre verlegt, eine Epoche, die noch von der Bourgeoisie mit ihren Wertvorstellungen und ihrer Heuchelei gekennzeichnet war. Vor allem ihre verlogene Sexualmoral wird von Feydeau persifliert. Die vielen lasziven Szenen werden von den Schauspielerinnen und ihren männlichen Gegenparts genüsslich ausgespielt – allerdings ohne je die Grenzen des guten Geschmacks zu überschreiten oder gar in bloßen Klamauk abzusinken. Der Theaterleiter Sebastian Nickel (er spielt selbst die Rolle der Natascha, der Chefin eines Absteigehotels) betonte darum auch, dass er und seine Mitwirkenden sehr wohl bei aller Frivolität der Handlung Wert auf ein künstlerisches Niveau legen.
Traumatisches beim Sex
Um Erotik geht es in dem ganzen Stück: eine sexuell vernachlässigte Ehefrau verdächtigt ihren Ehemann des Fremdgehens, der aber beim Sex einmal ein traumatisches Erlebnis gehabt hatte und nun impotent ist, weil er unter dem „Putzfrauen-Syndrom“ leidet; ein Doktor erweist sich als Frauenheld, ein Dienstmädchen als mannstoll; ein italienischer Mafioso droht in seiner Eifersucht gleich reihenweise seine (angeblichen) Rivalen umzubringen. Ein besoffener Schotte platzt immer zu den unpassendsten Augenblicken in die Handlung, und ein eitler Versicherungsdirektor plagt sich mit medizinischen Hosenträgern ab, von denen die ganze verstrickte Handlung ausgeht. Denn: Er hat einen Trunkenbold als Doppelgänger, und der arbeitet fatalerweise im anrüchigen Etablissement des „Hotels zur Miezekatze“. Dass es da zu haarsträubenden Szenen kommen muss, leuchtet ein, Szenen, die ununterbrochen zum Lachen reizen. Das ganze vermehrt von einem Mann mit Sprachfehler, der trotzdem von den Avancen des Dienstmädchens ganz schön gerupft wird.
Regionale Anspielungen
Schubert hat den Handlungsort in die südthüringische Gegend verlegt, durch regionale Anspielungen, was zweifellos zur Komik zusätzlich beiträgt und auch mit Vorsicht andeutet, dass die Doppelmoral nicht nur im Frankreich um 1900 präsent war. Aber: Wenn das Kritik an der Gesellschaft sein sollte, dann ist es aber nur eine höchst amüsierte Kritik, eigentlich sogar eine, die von Sympathie getragen ist: Es sind halt alles auch nur alte Adams und Evas, die da auftreten, und die Frucht vom Baum der Erkenntnis schmeckt halt zu allen Zeiten so verführerisch süß. Das eingespielte Eingangslied der Sängerin Peggy Suave „Everybody posing“ macht gleich von Anfang an klar, was der Autor und Regisseur von ihren Mitmenschen halten: Alle posieren wir nur, nehmen Posen ein und müssen uns gefallen lassen, dass wir in diesem Doppelspiel auch mal entlarvt und dem Spott preisgegeben werden.
Dieses beste Unterhaltung bietende Stück findet auf Bauerbachs Naturbühne an diesem Samstagabend seine Premiere. Weitere Aufführungen sind geplant für den 18.08., 19.08., 25.08., 26.08. und 01.09.2018. Die Samstag-Aufführungen beginnen jeweils um 19.30 Uhr, die am Sonntag bereits um 15.00 Uhr. Karten können unter Tel. 036945-50000 oder unter der Fax-Nr. 036945-51785 direkt beim Naturtheater, in Bad Neustadt in der „Tabak- und Genusswelt“ (Spörleinstr. 26 – Tel. 09771-4053) oder an der Abendkasse erworben werden.