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Viel Power und Talent
Paralympics: Der Bad Brückenauer Maximilian Jäger hat es geschafft. Er nimmt seit Donnerstag beim 2. Winter-Jugendlager in Sotschi teil und hat noch große Ziele.
Von unserem Mitarbeiter Thomas Dill
 |  aktualisiert: 15.12.2020 16:36 Uhr

Die olympischen Winterspiele sind Geschichte, aber im Anschluss daran finden auch in Sotschi die Paralympics 2014 statt. Und wovon Hunderte junge Nachwuchsathleten träumen, der 14-jährige Maximilian Jäger aus Bad Brückenau hat es geschafft. Er nimmt mit neun weiteren behinderten und nichtbehinderten Jugendlichen aus ganz Deutschland am 2. Paralympischen Winter-Jugendlager der Deutschen Behindertensportjugend (DBSJ) in Sotschi teil.

Vor einem Jahr hat er sich um einen der wenigen Plätze beworben. Teil der Bewerbung war auch ein Motivationsschreiben. Beim Blick in die funkelnden Augen des aufgeweckten Jungen kann leicht erahnt werden, dass dieses Schreiben bei den entscheidenden Stellen so großen Eindruck gemacht hat, dass er nun zu dieser kleinen Gruppe jugendlicher Wettkampfsportler der verschiedensten Disziplinen gehört, die am Donnerstag für zwölf Tage nach Sotschi flog und gemeinsam mit österreichischen Jugendlichen im selben Hotel direkt am Rande der nordischen Skiwettkämpfe die Spiele hautnah erleben wird. Maximilian lebt Sport, mit eisernem Willen und Selbstdisziplin, ja seine ganze Familie lebt Sport für, wegen und mit Maxi, wie er zumeist genannt wird.

„Mir fährt er in punkto Technik und Geschwindigkeit weit davon.“
Maximilians Vater

Was etwa bei 300 Schwangerschaften im Jahr in Deutschland passiert, das ist auch Barbara und Thomas Jäger widerfahren. Ihr Ungeborenes erlitt aus unbekannten Gründen einen Schlaganfall im Mutterleib. Erst mit zwei Jahren erlernte er mühsam das Laufen, denn seine gesamte linke Körperhälfte funktioniert nicht, ist spastisch gelähmt. Aber er hatte schon damals großes Selbstbewusstsein und Eltern, die sich nicht damit zufrieden gaben, ein gelähmtes Kind aufwachsen zu sehen, die Halbseitenspastik gilt als besonders herausfordernde Behinderung. Und so stand Maxi trotz Behinderung mit vier Jahren mit seinen sportlichen Eltern auf Skiern und bezwang die Abfahrt am Zuckerfeld. Der weitere sportliche Weg bis jetzt war aber für die Drei nicht einfach. So gibt es nur wenige Sportarten, die für diese Art der Behinderung geeignet sind und es gibt noch weniger Trainer, die damit nicht überfordert sind und bereit sind, ihr Übungen auf seine Behinderung einzustellen, besonders, wenn gemeinsam mit gesunden Kindern trainiert werden soll. In Österreich nahm Maxi schließlich an zwei Skikursen für Menschen mit Handicap teil, die ihn täglich bis zu drei Stunden forderten und förderten. Bereits hier löste er Begeisterung bei Skilehrern und seinen Eltern aus. Er überraschte mit besonderen Fahrkünsten, die ihn schnell vom Leistungsniveau seiner Gruppe abhoben.

„Das Skifahren bringt

mir am meisten.“

Maximilian Jäger

„Ich habe einfach ganz schön Glück gehabt und bin mit Talent zum Skifahren geboren worden“, beschreibt Maxi sein schnelles Weiterkommen auf Skiern. Und so ist er mittlerweile im deutschen Paralympic-Skiteam alpin Junioren angelangt. Er fährt in den Disziplinen Slalom und Riesenslalom erfolgreich Meisterschaften. Aufgrund seines Handicaps fährt Maxi mit nur einem Stock. „Er fährt mittlerweile so gut, dass Außenstehende meinen, er hätte nur seinen zweiten Stock unterwegs verloren, mir fährt er jedenfalls mittlerweile in punkto Technik und Geschwindigkeit weit davon“, sagt sein Vater Thomas Jäger. Maxis erklärtes Ziel ist kein Geringeres, als die Teilnahme an den paralympischen Winterspielen 2018 in Pyeongchong in Südkorea. „Vielleicht auch erst 2022“, so der selbstbewusste Junge, „aber dabei sein werde ich auf jeden Fall.“ Seine Vision: „2018 starte ich zum ersten Mal, gewinnen werde ich dann 2022.“ Für seine bisherigen sportlichen Erfolge wurde er als wohl jüngster Brückenauer durch die Stadt zum Sportler des Jahres 2012 gewählt. Sein Vater Thomas Jäger hat sich im Lauf der Zeit als Betreuer und Co-Trainer im Team des BVS-Landesleistungszentrums Berchtesgaden integriert. Hier wird Maxi von dem Paralympics-Medaillengewinner und Monoski-Weltmeister Karl Lotz trainiert. Lotz. Mutter Barbara ist für das Management zuständig, so sind die zahlreichen Kadermaßnahmen und Wettkämpfe, die Termine der beiden Geschwister, das Finanzbudget zu koordinieren und zu verwalten. „Das Skifahren bringt mir am meisten, aber genauso gerne paddle ich, trainiere mit meinem Mountainbike, gehe regelmäßig in Poppenhausen klettern und trainiere zum Ausgleich auch noch Leichtathletik bei Thomas Dill im Turnverein“, so der Sportfanatiker Maxi auf die Frage zu weiteren Hobbys neben dem Skifahren. Über den BVS Behinderten- und Rehabilitations-Sportverband Bayern kam er durch ein Schnuppertraining zum Paddelwettkampfsport, das erstmals 2016 paralympisch wird. Mittlerweile trainiert er im Paracanoe-Kader des BVS und hat natürlich auch in diesem Sport die Ambition auf Titel und Erfolge. Das Heimtraining absolviert er als einziger Behinderter beim KSC Gemünden mit, auch beim Gersfelder Skiclub ist er der einzige Behinderte in der Trainingsgruppe. Hier wird im Jugendsport Inklusion, also Integration Behinderter mustergültig vorgemacht.

„Mein Papa hat auch lange getüftelt, bis er mein Radl so weit umgebaut hat, dass ich mit meinem Handicap optimal fahren kann“, so Maxi zu seinem „Freizeitsport. Klettern betreibt er therapeutisch: „Die Anforderungen beim Klettern auf Ganzkörperspannung und Halten mit allen Gliedmaßen bringen ihn unheimlich voran“, so Thomas Jäger zur Wertigkeit des Kletterns. Ach ja, seit Herbst nimmt er so ganz nebenbei auch noch wöchentlich Keyboardunterricht. Und so gibt es für Maxi, der seit letztem Sommer in die 5. Klasse der Montessorischule in Sandberg geht, dort als neue Fremdsprache Spanisch lernt und wo er ebenfalls optimale Fördermöglichkeit genießen kann, kaum Zeit zu faulenzen. Letztes Wochenende musste er allein mit dem Zug nach Oberschleißheim, um an einer Kadermaßnahme im Paddeln teilzunehmen. „Der Zug war total überfüllt, aber wir hatten reserviert, und so habe ich mir meinen Platz auch ohne Schaffner erobert“, erzählt der Junge selbstbewusst weiter. Wie das Platzproblem im Zug, meistert er auch seinen Alltag souverän und meist selbstständig.

Große Unterstützung erfährt Maxi von seinen beiden jüngeren Schwestern und die größten Fans. Die zehnjährige Anne fährt genauso begeistert Ski, die siebenjährige Jette hat Spaß am Kanusport gefunden. Hier wird deutlich, wie der familiäre Zusammenhalt der Jägers für Maxis sportlichen Erfolg mitverantwortlich ist. Ohne das Engagement der Eltern wäre das so nicht möglich. Die unzähligen Stunden auf der Autobahn bei Fahrten zu Kadermaßnahmen nebst Übernachtungen, die Ausrüstung all das erfordert einen hohen finanziellen Aufwand, der nur durch einige engagierte Sponsoren zu meistern ist.

„Wir sehen alles

als Geschenk.“

Maximilians Vater

„Jeder bekommt seine Aufgabe im Leben und die haben wir bekommen. Wir sehen alles als Geschenk“, kommentiert der Vater den hohen Aufwand mit seinem Sohn und vor allem die stetige Reduzierung der Behinderung.“ Maxi soll später ein selbstbestimmtes Leben führen, dafür tun wie alles nur Erdenkliche“. Hierzu zählt auch eine spezielle Operation im letzten Jahr in München. Ein Spezialist hat hierbei die durch die Spastik verkürzten und verkrampften Muskeln geweitet. Dadurch ist der tägliche Sport auch Mittel zum Zweck, denn ohne Sport würden sich die Muskeln seiner geschädigten Körperhälfte verkürzen und verkrampfen, was im schlimmsten Fall zu Wirbelsäulen und Hüftschäden führen würde, wohlgemerkt ohne Sport.

Abseits des Sports ist Maxi über eine Therapiemaßnahme zur Kunst gekommen. Mit einer speziellen Maltechnik kreiert er großformatige expressionistisch wirkende Gemälde. Im Zuge einer wohltätigen Versteigerung erzielte eines seiner Werke den stolzen Preis von über fünftausend Euro. Nun sind alle gespannt, was Maxi von den Paralympics in Sotschi nach seiner Rückkehr zu erzählen hat. Wer ihn kennen darf, weiß, dass es tagelang begeistert aus ihm heraussprudeln wird und vor allem wird es ihm einen neuen Motivationsschub geben für seine sportliche Weiterentwicklung, egal in welchem Sport.

 
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