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Unterfranken
Unterfranken unter Strom: 2021 geht's ans Eingemachte
Im Mai 2020 fand eine Demonstration des Vereins 'Thüringer gegen SuedLink' an der 'Schanz' in Eußenhausen statt.
Foto: Marion Eckert | Im Mai 2020 fand eine Demonstration des Vereins "Thüringer gegen SuedLink" an der "Schanz" in Eußenhausen statt.
dpa
 |  aktualisiert: 01.02.2021 02:15 Uhr

2022 soll das letzte Kernkraftwerk in Deutschland abgeschaltet werden. Aus der umweltschädlichen Kohleverstromung will man schrittweise raus. Die erneuerbaren Energien sollen massiv ausgebaut werden, der Anteil von Ökostrom bis 2030 von derzeit gut 46 Prozent auf 65 Prozent steigen. Damit die Energiewende gelingen kann und Windstrom aus dem Norden auch im Süden ankommt, sollen auch neue Stromleitungen nach Bayern gebaut werden. Zuverlässige Energieversorgung und bezahlbare Energiepreise sind die Ziele. Doch viele Betroffene etwa in Unterfranken, wo frühestens Ende 2022 die Bauarbeiten für die neue Suedlink genannte Trasse beginnen, können den Plänen so gar nichts abgewinnen.

Dass ohne ein wachsendes Stromnetz Engpässe in der Versorgung drohen, glauben die Bürgerinitiativen (BI) nicht. "Die Versorgungssicherheit in Deutschland ist derzeit nicht gefährdet, denn das bestehende Stromnetz ist eines der sichersten der Welt", argumentiert der Bundesverband der BIs gegen Suedlink.

Wird Trasse überhaupt gebraucht?

Auch Matthias Göbel von der BI Bergrheinfeld im Landkreis Schweinfurt, wo die Suedlink-Leitung in Bayern enden soll, bezweifelt, dass die Vier-Gigawatt-Trasse überhaupt gebraucht wird. "Für uns ist die ganze Sache unnötig." Die Bundesnetzagentur, die den Strombedarf in Deutschland ermittelt, hat seiner Ansicht nach nie eine dezentrale Lösung geprüft.

Nun für mindestens zehn Milliarden Euro eine Leitung von Schleswig-Holstein nach Bayern und Baden-Württemberg zu bauen, die keinerlei regional erzeugten Strom etwa von Privathaushalten oder Biomasse-Anlagen ins Netz einspeise, sei ökologisch unsinnig und unwirtschaftlich. "Jeder deutsche Stromverbraucher wird dies mitbezahlen", sagt Göbel. Die Netzplanungen orientierten nicht am tatsächlichen Strombedarf, sondern an der erzeugten Strommenge.

Stromnetz kommt an Kapazitätsgrenze

Nach Darstellung der Bundesregierung kommt das Stromnetz peu à peu an seine Kapazitätsgrenze. Schon heute kann Ökostrom mitunter nicht eingespeist werden, weil dafür die bisherigen Leitungen nicht ausreichen. Denn wenn die Netze überlastet sind, könnten im schlimmsten Fall die Lichter ausgehen.

Übertragungsnetzbetreiber wie TransnetBW und Tennet sind gesetzlich zum Betrieb eines sicheren und zuverlässigen Elektrizitätsversorgungssystems verpflichtet. "Die Engpässe drohen nicht nur, sie bestehen vielmehr seit Jahren, sind real und kosten alle Stromkundinnen und Stromkunden jährlich viel Geld", sagt TransnetBW-Sprecher Alexander Schilling.

Engpässe vermeiden

Um Engpässe beim Stromtransport von Nord- nach Süddeutschland frühzeitig zu vermeiden, lassen die Betreiber regelmäßig im Norden die Einspeisung von Strom aus konventionellen Kraftwerken senken und im Süden erhöhen. Reicht das nicht aus, müssen zusätzlich Windkraftanlagen ihre Leistung drosseln. "Dies kostet den Stromkunden jedes Jahr über eine Milliarde Euro", erklärt Schilling.

Neue Hochspannungs-Gleichstrom-Verbindungen wie Suedlink oder Suedostlink, die von Sachsen-Anhalt durch Oberfranken bis nach Niederbayern führt, sollen das künftig verhindern. Suedlink wird frühestens 2026 fertig sein. Mit der Verbindung, deren Leistung etwa der von vier Atomkraftwerken entspricht, sollen rund zehn Millionen Haushalte mit Strom versorgt werden können.

2021 das Jahr der Feinplanung

2021 ist für TransnetBW in Unterfranken das Jahr der Feinplanung. Der Trassenkorridor für die geplanten Erdkabel stehe fest. Nun müsse vor Ort geschaut werden, inwieweit Naturschutzgebiete, Weinberge oder andere sensible Gebiete betroffen sind. "Ende 2022, Anfang 2023 folgen dann die Bagger", sagt Christopher Göpfert von TransnetBW, Bürgerreferent für die Suedlink-Kommunikation.

Sobald die Bundesnetzagentur die Planfeststellungsverfahren eröffnet, werden Einzelfragen der Bebauung oder des Lärm- und Umweltschutzes geprüft. Dann wird Göpfert zufolge festgelegt, wo was mit welchen Auflagen gebaut werden kann. Grundstücksbesitzer können Einwände geltend machen. "Es gibt wahnsinnig viele Ängste", sagt er, etwa vor Strahlung. Alles werde geprüft. "Es gibt für alles Grenzwerte, die wir zwingend einhalten. Ansonsten gehen wir nicht in Betrieb", verspricht TransnetBW-Sprecher Schilling. Gesundheitsgefahren bestünden nicht.

Das Planfeststellungsverfahren für Suedlink in Unterfranken endet vermutlich 2022 mit einem Planfeststellungsbeschluss der Bundesnetzagentur, einer Art Baugenehmigung. Gegner derartiger Bauprojekte können gegen einen solchen Beschluss noch klagen. "Aber eine solche Klage hat keine bauaufschiebende Wirkung", betont Göpfert.

Das Ende der Fahnenstange?

Bei Matthias Göbel von der BI Bergrheinfeld schwindet immer mehr die Hoffnung, dass Suedlink noch gekippt werden kann. "In der Bürgerinitiative glauben auch nicht mehr alle, dass wir das noch schaffen." Nach seiner Wahrnehmung erfolgt die Information der Bürger seit der Projektplanung nur scheibchenweise. "Keiner weiß, ob es das Ende der Fahnenstange ist."

Die rund 5000 Einwohner zählende Gemeinde Bergrheinfeld soll auch bei einer anderen neuen Stromtrasse eine wichtige Rolle spielen. Der Netzbetreiber Tennet baut vom hessischen Ludwigsau-Mecklar eine rund 131 Kilometer lange Wechselstromleitung (Fulda-Main-Leitung) nach Bergrheinfeld. Sie soll 2031 fertig sein und mit den bestehenden Leitungen in Nordbayern Richtung Rhein-Main-Gebiet und nach Baden-Württemberg verbunden werden.

Ausfälle ausgleichen

"Die Fulda-Main-Leitung soll das vermaschte Wechselstromnetz stabilisieren", erklärt Cindy Schemmel, Referentin für Bürgerbeteiligung bei Tennet. Ausfälle etwa zwischen zwei Umspannwerken könnten durch die neue Leitung ausgeglichen werden. Sie soll zwischen 3 und 3,5 Gigawatt leisten. Heute liegt der tägliche maximale Strombedarf in Bayern bei etwa 12,7 Gigawatt.

Auch gegen diese Trasse gibt es Widerstand in der Region, vor allem in der Rhön. Das Mittelgebirge ist Unesco-Biosphärenreservat. Erdkabel sind im Wechselstromnetz wahrscheinlich nur auf wenigen Abschnitten möglich, große Strommasten verschandeln aus Sicht von Bürgern die Natur. Frühestens 2027 starten die Bauarbeiten, 2031 soll die Leitung in Betrieb gehen.

Unverständnis aus der Rhön

Der Landrat des Landkreises Bad Kissingen, Thomas Bold (CSU), versteht nicht, warum die Kapazitäten von Suedlink und Suedostlink für Bayern nicht ausreichen sollen und daher mit der Fulda-Main-Leitung eine neue Wechselstromtrasse her muss. "Wenn dies stimmt, muss man sich schon fragen, ob bei der Planung der Milliardenprojekte Suedlink und Suedostlink alles mitbedacht wurde."

Antrag für Windstromleitung Suedlink in Unterfranken eingereicht

Für den Bau der Windstromleitung Suedlink in Unterfranken hat der Übertragungsnetzbetreiber TransnetBW einen Planfeststellungsantrag bei der Bundesnetzagentur eingereicht. "Damit kommt eines der zentralen Vorhaben für das Gelingen der Energiewende weiter voran", teilte TransnetBW zuletzt mit. Der unterfränkische Abschnitt für die Windstromleitung liegt zwischen Mellrichstadt und Bergrheinfeld.
Über neue Hochspannungs-Gleichstrom-Verbindungen wie Suedlink soll der Windstrom vom Norden in den Süden Deutschlands gelangen. An vielen Orten bundesweit haben sich Bürgerinitiativen gegen die Pläne gebildet.
Bei einem Planfeststellungsverfahren werden unter anderem Einzelfragen der Bebauung oder des Lärm- und Umweltschutzes geprüft. Das Verfahren endet mit einer Art Baugenehmigung, einem sogenannten Planfeststellungsbeschluss.
Quelle: dpa
Durch solche dicken Kabel soll später der Strom fließen.
Foto: Julian Stratenschulte/dpa | Durch solche dicken Kabel soll später der Strom fließen.
 
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