
Die diesjährige Vier-Tages-Tour des Rhönklubs Mellrichstadt führte in den hohem Norden Deutschlands, in das „Alte Land“.
Schon zu Beginn des 12. Jahrhunderts kamen Holländer in diesen Landstrich. Sie waren hochspezialisiert in der Landgewinnung durch Entwässerung und Deichbau. Sie machten das ehemalige Sumpfgebiet und Marschland urbar und führten diesen Landstrich über Jahrhunderte zu Wohlstand. Für alle Zeiten war der Deichbau lebenswichtig für dieses Land. So sagt ein alter Spruch: „ Wer nich will dieken, de muß wieken“: Das bedeutete, dass jeder Bauer das Deichstück, das seinem Grund zugeordnet war, in Ordnung halten musste. Tat er das nicht, wurde er enteignet, das heißt, er musste weichen.
Es entstanden wunderschöne Dörfer und Städtchen. Als besonderes Beispiel kann hier Jork gelten. Das kleine Dörfchen mit seinen schmucken Fachwerkhäusern sieht sich als die heimliche Hauptstadt des Alten Landes. Alle Häuser sind aus weißem Fachwerk, mit Backsteinfüllungen. Diese Gefache schmücken ganz außergewöhnliche Ornamente. Auch die Türe in der Vorderfront und die Prunkpforte, eine mit buntem Schnitzwerk geschmückte, hölzerne Tordurchfahrt zum Hof, zeugten vom Reichtum des Besitzers und der zu erwartenden Mitgift einer Braut. Die Fronttür, auch Brauttür genannt war prachtvoll geschnitzt und reich bemalt. Sie wurde nur zweimal im Leben geöffnet. Zum Einen, damit die Braut ins Haus schreiten konnte. In der Kammer dahinter war ihre gesamte Mitgift gelagert. Das zweite Mal wurde die Türe geöffnet, wenn ein Verstorbener das Haus verlassen musste. Eine Ausnahme gab es und zwar bei einem Brand, um ganz schnell die Mitgift retten zu können.
Aber nun zu unserer Busfahrt: Pünktlich um 6.45 Uhr verließen wir Mellrichstadt und fuhren über die Hochrhön, vorbei an Fulda, Richtung Kassel. Im Autohof in Malsfeld war erste Station für ein exzellentes Feiertags-Frühstücksbuffet. Frisch gestärkt und bester Laune ging die Fahrt weiter zum nächsten Ziel, dem Weltvogelpark Walsrode. Es erwartete uns eine 24 Hektar große Parklandschaft mit insgesamt 4200 Vögeln, aufgeteilt in 675 Arten. Diese Vielfalt ist unglaublich. Es ist eine Augenweide, durch dieses von Menschenhand erschaffene Paradies zu schreiten.
Nach einem mehrstündigen Aufenthalt ging die Fahrt weiter zu unserem Stand- quartier dem Parkhotel Stader Hof in Stade. Nach dem Zimmerbezug und einer kleinen Erholungspause trafen wir uns zum gemeinsamen Abendessen im Kristallsaal. Doch etwas müde von dem Erlebten, beendeten wir diesen Tag mit einem erholsamen Schlaf in herrlichen Betten.
Der zweite Tag war zunächst Stade gewidmet. Dort erwarteten uns zwei Gästeführerinnen in ihrer wunderschönen Altländer Tracht. Die Hansestadt Stade ist eine der ältesten Städte in Nordeuropa, mit heute rd. 46 000 Einwohnern. Vor mehr als 1200 Jahren begann die Besiedelung in der heutigen Altstadt. Und in den letzten 30 Jahren wurde sehr viel Bausubstanz eindrucksvoll restauriert. Ein malerisches Stadtbild, mit verwinkelten, engen Gassen, altes Kopfsteinpflaster, beeindruckende Fassaden bis hin zum idyllisch gelegenen Fischerei- und Yachthafen, ließ uns aus dem Staunen nicht herauskommen.
Gegen Mittag begann eine begleitete Rundfahrt durch das größte zusammen-hängende Obstanbaugebiet Nordeuropas. Auf dem Obsthof von Schassen konnten wir bei ausgezeichnetem Kaffee und Kuchen den Tag so richtig genießen. Dieser Obsthof ist nun bereits in der 10. Generation, die sitzt aber noch im Kinderwagen. Die 8. Generation = Frau von Schassen, führte uns durch ihre Plantagen. Ein Blütenmeer von weißen Kirschen- und gerade aufbrechenden Apfelbäumen erwartete uns. Zwischen den Obstbäumen in den Farben weiß und rosa konnten wir immer wieder die herrlichen pinkfarbenen japanischen Kirschbäume bewundern. Es war eine Pracht, ein Blütenrausch. Die japanischen Zierobstbäume dienen dazu, mit ihrer intensiven Farbenpracht noch mehr Bienen zur Bestäubung anzulocken.
Der Samstag, unser dritter Tag, brachte uns in das 40 000 Ew. zählende Städtchen, mit dem exotischen Namen Buxtehude. Dort erwarteten uns wieder zwei reizende Städteführerinnen in Altländer Tracht. Sie konnten uns davon überzeugen wie hervorragend man vom und am Wasser leben kann. Buxtehude ist bekannt als die Stadt, in der die Hunde mit dem Schwanz bellen und der Hase mit dem Igel um die Wette läuft. Diesem Märchen ist auch ein schöner Brunnen gewidmet. Doch wer glaubt, Buxtehude sei nur eine Märchenstadt, der irrt gewaltig. Immerhin gibt es sie seit über 1000 Jahren. Und sie hat mit ihrer historischen Altstadt, der Fußgängerzone, der Flethanlage, dem Viver (der alte Stadtgraben) und vielen historischen Bürgerhäusern viel mehr zu bieten.
Am Nachmittag hatten wir ein besonderes Erlebnis – wir durften „Schiffe begrüßen“. Wir fuhren mir der Lühe – Schulau – Fähre nach Willkommhöfft. Am Fährhaus be- findet sich die weltberühmte Schiffbegrüßungsanlage, die 1952 in Dienst gestellt wurde. Hier fahren alle Schiffe vorbei, die in den Hamburger Hafen einlaufen, oder ihn verlassen. Hier werden alle Schiffe ab 500 BRT begrüßt oder verabschiedet. Jeweils über Lautsprecher in ihrer Landessprache. Dazu wird die Nationalhymne des Landes gespielt, unter dessen Flagge das Schiff fährt. Ähnlich verläuft die Verabschiedung mit dem Lied „Muß I denn, muß I denn zum Städtele hinaus“ oder „Auf Wiedersehn...“.
Am späten Nachmittag trafen wir unsere bewährten Führerinnen vom Vormittag zu einer Führung durch das reizende Jork. Obwohl nur ein Dorf, mit immerhin kapp 12 000 Ew. in 7 Ortsteilen, fühlt man sich als die heimliche Hauptstadt des Alten Landes. So konnten wir es auch erleben im Rathaus und in der 800-jährigen Ge- schichte des christlichen Glaubens im Alten Land. Die Türme stehen neben der Kirche, da der morastige Untergrund die Last sonst nicht tragen würde. Zusätzlich muss das Mauerwerk der Kirchenschiffe durch Balken zusammen gehalten werden. Im Alten Land gibt es 10 Kirchen mit historischen Orgeln. Die meisten sind von dem berühmten Orgelbauer Arp Schnitger ( 1648 – 1719).
Sonntag, 12. Mai, Muttertag. Leider heißt es nun Abschied nehmen vom Alten Land, aber ein Höhepunkt steht uns noch bevor: eine Rundfahrt im Hamburger Hafen, und das ausgerechnet am Hafengeburtstag. Eine Barkasse brachte uns entlang der Speicherstadt bis hin zum großen Containerhafen mit seinen gigantischen Fracht- schiffen, die teilweise über 7 000 Container transportieren können. Bedingt durch den Hafengeburtstag waren auch viele berühmte Schiffe in Hamburg eingelaufen, unter anderem das Segelschulschiff „Gorch Fock“. An dem riesigen Ozeandampfer „Queen Mary 2“ hingen unsere staunenden Augen. Dieses Schiff kann 3090 Passagiere aufnehmen und 1352 Mann/Frau Personal sorgen für deren Wohlergehen und Sicherheit. Daneben lag ganz bescheiden unser „Traumschiff“, die „Deutschland“, wesentlich kleiner und doch aus unserer Sicht enorm groß.
Ein Matrose kommentierte das Geschehen live und mit viel Humor. Damit all die Pötte in den Hafen können, hat der eine Wassertiefe von 16 Metern. Die Verantwortlichen für den Containerschiffverkehr würden gerne für noch größere Schiffe die Elbe noch tiefer ausbaggern. Doch die Altländer wehren sich sehr dagegen. Sie haben Angst um ihren Obstbau. Eine Vertiefung würde bedeuten, dass die Fließgeschwindigkeit der Elbe zunimmt und dadurch mehr Salzwasser ins Land kommt. So könnten die Altländer ihr Obstplantagen nicht mehr bewässern.
Gegen Mittag hieß es alle Mann an Bord des Busses und es ging mit leider vielen, vielen Staus der Heimat entgegen. Ein fröhliches Abschlussessen am Abend im Grillrestaurant Kneshecke in der hessischen Rhön rundete die vier Tage würdig ab. Bei der Weiterfahrt bedankte sich Wanderfreund Herbert Pitrof beim Reiseleiter Horst Rösch für das Erlebte mit einem Apfelbäumchen (das inzwischen schon in unserem Garten steht) und ausgezeichnetem Obst in flüssiger Form. Horst Rösch seinerseits bedankte sich bei seiner Truppe für die Teilnahme an dieser Fahrt, für die Disziplin und Pünktlichkeit, bei Monika Sum für die ausgezeichnete Mitgestaltung der vier Tage und bei unserem Fahrer Günther Menzel für seine umsichtige Fahrweise und stete Hilfsbereitschaft. Vier erlebnisreiche Tage, die uns sicher noch lange in Erinnerung bleiben, sind nun zu Ende gegangen.