Messen, Kongresse, Workshops, Branchentreffen oder Kundentermine. Eigentlich war der Terminkalender von Stephan Ullmer-Kadierka und seiner Frau Susanne bis Ende Mai restlos gefüllt. Doch der ist nun wegen der Corona-Pandemie - wie bei anderen auch - wie leergefegt. "Seit Beginn des Jahres haben wir uns auf die Akquiseschiene begeben. Da nun alles heruntergefahren wurde, sind leider auch wir ausgebremst worden", erklärt Ullmer-Kadierka, Geschäftsführer des Textildienstleisters Ullmer aus Bad Neustadt.
Auch in dem Familienunternehmen hat die Corona-Krise bereits Auswirkungen. Aufgrund von geschlossenen Hotels und der Tatsache, dass in staatlichen Rehakliniken und Krankenhäusern Betten für den Notfall freigeräumt und die Belegung heruntergefahren wird, wird dort derzeit weniger Wäsche benötigt - in Summe aktuell circa 15 Prozent weniger als in den Vormonaten.
Derzeit mit einem "kleinen, blauen Auge" davongekommen
"Das ist aber nichts gegenüber Branchenkollegen, die nahezu ausschließlich in der Hotellerie unterwegs sind und deshalb mit existenziellen Problemen zu kämpfen haben", vergleicht Stephan Ullmer-Kadierka. Da aber mehr Wäsche aus Alten- und Pflegeheimen anfällt und die Branche als systemrelevant gilt, sei man in dieser besonderen Zeit derzeit mit einem "kleinen, blauen Auge" davongekommen. Aber auch das sei nur als Momentaufnahme zu bewerten.
Abgesehen von den wirtschaftlichen Folgen ist das Thema Corona auch bei den Mitarbeitern, nicht zuletzt durch die mediale Berichterstattung, derzeit nicht aus den Köpfen zu bekommen. "Meine Frau und ich haben uns deshalb zuletzt auch einmal in die Arbeiterkluft geschmissen und die Mitarbeiter beruhigt, dass sie sich nicht verrückt machen sollen", verrät Ullmer-Kadierka. Denn von der Arbeitsweise als solche verändert sich für die Beschäftigten auch in dieser besonderen Zeit eigentlich recht wenig: "Grundsätzlich wird nämlich alles an Wäsche, was aus dem Gesundheitswesen kommt, erst einmal als infektionsverdächtig eingestuft." Also auch Wäsche mit möglichen Corona-Viren.
Mitarbeiter mit Vorteil gegenüber dem "Normalverbraucher"
Die beiden Geschäftsführer sind deshalb in diesen Tagen auch als Psychologen unterwegs und machen den Mitarbeitern zum einen deutlich, dass sie gegenüber dem "Normalverbraucher" gar einen Vorteil besitzen. "Wenn sie die ohnehin schon hohen Hygienestandards, die gelten, wie immer erfüllen, dann sind sie sicher. Und sie besitzen ohnehin einen großen Wissensvorsprung in dieser Thematik", so Ullmer-Kadierka. Händewaschen und -desinfektion sei bei ihnen schon lange in Fleisch und Blut übergegangen: "Die kennen das gar nicht anders."
Dennoch wurden auch bei Ullmer die Standards wegen Corona noch einmal erhöht. So wird nun auch auf der reinen Seite ein Mundschutz getragen, da nicht an jedem Arbeitsplatz der derzeit empfohlene Mindestabstand eingehalten werden kann. Mitarbeiter, die auf der unreinen Seite Kontakt mit der schmutzigen Wäsche haben, tragen Ganzkörperoveralls. Bei Servicefahrern werden vor Fahrtbeginn Fiebermessungen durchgeführt, zudem erhalten sie Handschuhe und Mundschutz. Aus Sicherheitsgründen liefern diese die Wäsche derzeit nur noch an den Rampen der jeweiligen Einrichtungen ab. Pausen werden nur noch abteilungsweise genommen.
Ohne saubere Wäsche keine OP
Die Beschäftigten sollen sich aber auch allgemein laut Ullmer-Kadierka ihrer besonderen Bedeutung bewusst machen. "Ich habe ihnen schon in der Vergangenheit gesagt, dass ohne ihre Arbeit selbst die größte Arzt-Koryphäe nicht mehr operieren könnte." Der Geschäftsführer zeigt sich stolz darüber, wie die Belegschaft aktuell mitziehe.
Die Versorgungssicherheit ist aber nichtsdestrotrotz auch bei einer Verschärfung der aktuellen Lage und bei einem möglichen Anstieg der eigenen Krankenquote gewährleistet. Der Deutsche Textilreinigungs-Verband habe bereits einen Aufruf gestartet, dass Firmen, deren Mitarbeiter momentan weniger zu tun haben, Kapazitäten übernehmen sollen. Zudem könne Ullmer den Lieferturnus erhöhen, das Jahreskontingent an Mietwäsche habe man bereits vorzeitig abgerufen. "Unsere Mietwäschelager sind gut bestückt", beschreibt Ullmer-Kadierka die vorausschauenden Maßnahmen. "Wir appellieren aber dennoch tagtäglich an unsere Kunden, die Wäsche nicht zu bunkern, sondern im Umlauf zu halten."
Ullmer dient derzeit auch als Ratgeber
Was momentan auch zu den Aufgaben des Unternehmens gehört, ist, das gestiegene Informationsbedürfnis der Kunden zu befriedigen. "Viele Fragen drehen sich am Telefon aktuell um das Thema Coronavirus, wie der Einzelne mit der Wäsche umgehen soll", erklärt Peter Kess, Referent der Geschäftsführung sowie Hygiene- und Qualitätsmanagement-Beauftragter. Sonstige Themen stehen da aktuell hinten an. Das Unternehmen, das sich ständig auch Expertenmeinungen einholt, freut sich daher, dass es in diesen Tagen als eine Art Ratgeber dienen kann und das Fachwissen zur Beruhigung an die Kunden weitergeben kann.
Denn was Stephan Ullmer-Kadierka auch abseits von Zeiten wie diesen vermisst, ist die allgemein fehlende Wertschätzung, die die Arbeiter in dieser Branche von der Öffentlichkeit erhalten. Was auch daran liegen könnte, dass viele über deren Arbeit kaum etwas wissen.
Tausende Teile von Berufs- und Bewohnerwäsche
Wie muss man sich diese also vorstellen? "Rund 40 Tonnen Wäsche gehen im Schnitt alleine hier am Standort in Bad Neustadt täglich an die Kunden heraus", gibt Kess einen Anhaltspunkt über die "Wäsche-Dimension". Unterschieden wird in Berufsbekleidung für das Gesundheits- oder Lebensmittelwesen (rund 60 000 Teile täglich), in die persönliche Bewohnerwäsche (rund 23 000 Teile täglich) von Altenheimen) und in tausende von Wäscheartikeln für die Stationen und Wohnbereiche.
Die Kunden sortieren die Wäsche grob nach einem Abwurfplan in Wäschesäcken vor. Über Gittercontainer liefern die eigenen Servicefahrer diese bei der Wäscherei an. "Der Mitarbeiter öffnet den Sack und dann gehen die Stücke auf ihre Reise durch die Waschstraße", so Kess. Anders sieht es bei der persönlichen Bewohnerwäsche, zum Beispiel von Altenheimen, aus. Da müsse jedes Teil einzeln in die Hand genommen werden und über Barcodes sowie Chips ein- und wieder ausgelesen werden. In diesen Corona-Tagen mit immer mehr Infizierten auch in Unterfranken laut der Verantwortlichen eine psychologische Herausforderung für die Mitarbeiter.
Alle Keime werden abgetötet
Für den allgemeinen Waschprozess spielt die aktuelle Corona-Situation aber keine besondere Rolle. "Es handelt sich hier um Standardprogramme, bei denen alle möglichen Keime abgetötet werden", so Stephan Ullmer-Kadierka. Alle benutzten Verfahren sind zudem beim Robert-Koch-Institut gelistet. Etwa 40 Minuten dauert ein kompletter Waschprozess, nach rund eineinhalb Stunden könnten die Wäschestücke theoretisch schon wieder ausgeliefert und auf die Reise geschickt werden, beispielsweise zum Rhön-Klinikum oder der Würzburger Uni-Klinik.
Was sich durch die Corona-Krise aufgrund der Engpässe - nicht nur bei Schutzmasken - laut des Geschäftsführers verändern könnte? "Vielleicht finde angesichts des derzeit hohen Anteils von Einweg-Material, zum Beispiel bei Schutzkitteln oder OP-Abdeckungen, zukünftig ein Umdenken auf Kundenseite in Richtung Nachhaltigkeit statt." Ullmer beispielsweise bereitet jetzt auch wieder vermehrt solcher Mehrweg-Schutzkittel und –masken auf.
Ullmer-Kadierka: "Wir werden das schaffen."
Abgesehen davon ist sich Stephan Ullmer-Kadierka, der sich wie all seine Vertriebsmitarbeiter im regen Austausch mit den Kunden in der Region befindet, sicher: "Unser Gesundheitssystem und unsere Krankenhäuser sind sehr gut auf die Situation eingestellt. Ich habe absolutes Vertrauen, dass wir das schaffen werden."