Einen totalen "Überwachungsstaat" gibt es jetzt im Bienenzentrum Bad Königshofen. Dort werden alle äußeren und inneren Bedingungen eines Bienenstocks gemessen und registriert. Eine der Beuten, wie die Behausungen für ein Bienenvolk genannt werden, ist innerhalb der deutschlandweiten Aktion "we4bee" an ein Netzwerk angeschlossen, das rund 100 Beuten an unterschiedlichen Orten registriert und die Daten in Würzburg sammelt.
"we4bee wurde vom Biologieprofessor und passionierten Bienenfachmann Professor Jürgen Tautz ins Leben gerufen. Er erforscht mit Hilfe von Daten, die durch High-Tech-Sensoren erhoben werden, wie Umwelteinflüsse und äußere Bedingungen das Verhalten der Bienen beeinflussen. Unterstützt wird Tautz von einem Team aus Geschäftsführung, Technikern, Imkern und dem Data-Science-Spezialisten und Informatiker Professor Andreas Hotho von der Universität Würzburg. Die Daten stehen auch Schulen für den Biologie- oder Informatikunterricht und Forschungseinrichtungen zur Verfügung. Ziel ist, mehr Wissen über die Biene zu verbreiten, die Folgen des Klimawandels zu registrieren und eventuell besser Erdbeben und andere Katastrophen vorherzusagen.
Feinstaub-Messung und Kamera
Am Bienenstock in Bad Königshofen werden Temperatur innen und außen, Gewicht, Feinstaub, Helligkeit, Wind, Regen und Luftfeuchtigkeit gemessen und weitergegeben. Eine Kamera im Inneren schießt alle 15 Minuten ein Bild, das Interessierte auch über eine App sehen können. Zusammenarbeit besteht mit Schulen in Bad Königshofen, Bad Kissingen, Röthlein und Würzburg. Das Ganze wird von einer großen deutschen Autofirma finanziell unterstützt.
"Man kann genau nachvollziehen, wann und wie die Tiere die Temperatur regeln und wie viel Honig sie sammeln. Am Interessantesten war es für uns zu sehen, dass die Bienen extreme Frühaufsteher sind. Schon eine Stunde vor Sonnenaufgang werden sie aktiv", sagt Markus Gütlein, Kreisvorsitzender der Imker Rhön-Grabfeld und Vereinsvorsitzender in Bad Königshofen. Sein Stellvertreter im Verein, Johannes Gräter, ist für die Technik zuständig. Er hat registriert, dass die Bienen Punkt 19 Uhr schlafen gehen und erstellt Grafiken über die einzelnen gemessenen Parameter. Den Sockel, auf dem der "Überwachungsstaat" steht, hat die Künstlerin Alexandra Laske aus Herbstadt bemalt.
Der Imkerverein ist durch Corona in seinen Aktivitäten ausgebremst, wie so viele Vereine in der Region. Das "Probeimkern", für das es schon 21 Anmeldungen gab, entfällt, ebenso das Angebot Stockluft-Therapie, obwohl immer wieder danach gefragt wird. Hat sich seit dem Volksbegehren "Rettet die Bienen – mehr Artenvielfalt" etwas geändert? "Das Bewusstsein der Leute ist anders", sagt Gütlein. "Sie haben mehr Verständnis und sind interessiert an den Abläufen in der Natur." Es gab großes Interesse an einem Vortrag über Privatgärten und was der Einzelne für die Artenvielfalt und die Natur tun kann. Die "Gärten des Grauens", mit Steinen statt Bewuchs sind weniger geworden.
Geringe Vernetzung der Blühflächen
In der Nähe ist ein Kulap-Blühfeld (Kulturlandschaftspflegeprogramm) entstanden, das bringt zusätzliche Nahrungsquellen für die Bienen. Die Blühflächen des BBV, auf denen die Hanfmischung gesät wird, werden einmal pro Jahr für die Biogasanlagen abgemäht und bringen fünf bis acht Jahre (die Erfahrungswerte fehlen noch) Nahrung für die Bienen, Erosionsschutz, Deckung für die Kleinlebewesen und Artenvielfalt. "Die Blühflächen müssten mehr vernetzt sein", sagt Stephan Heinz, Bienenfreund und landwirtschaftlicher Berater beim Imkerverein.
"Alles nützt nichts, wenn es nicht regnet", gibt Gütlein zu bedenken. Die Bienen verdursten nicht, aber die Pflanzen bilden bei Trockenheit keinen Nektar. Insgesamt gibt es weniger Insekten und in Folge davon weniger Vögel. Immer wieder beobachtet er Vögel, die Bienen an den Beuten abfangen und fressen. "Sie brauchen das Eiweiß", erläutert er. Die Tierwelt könne mit dem Klimawandel nicht mithalten. Es gebe ja auch in wärmerem Klima Insekten, aber hier könne sich die Anpassung nicht so schnell vollziehen.