Zum 1. Januar 2022 wird der bisherige Uffenheimer Dekan Karl-Uwe Rasp seine neue Stelle als Dekan in Bad Neustadt antreten. Der 54-Jährige folgt damit auf Dekan Matthias Büttner, der nach Ansbach wechselte.Welche Erwartungen bringt der neue Dekan mit nach Bad Neustadt? Welche Ziele verfolgt er und welche Schwerpunkte will er setzen? Und vor allem wie will er als Vertreter der Kirche die Menschen der heutigen Zeit erreichen? Karl-Uwe Rasp stellte sich gegenüber dieser Zeitung diesen und noch weiteren Fragen.
Dekan Karl-Uwe Rasp: Ich stamme aus Kleinlangheim, einem "urevangelischen" Dorf am Fuß des Schwanbergs. Christian Beyer, ein enger Freund und Vertrauter Luthers, war gebürtiger Kleinlangheimer. Als sächsischer Kanzler und Bürgermeister von Wittenberg verlas er 1530 auf dem Augsburger Reichstag die sogenannte Confessio Augustana, das Grundbekenntnis der Evangelischen. In der Kleinlangheimer Kirche, in der ich getauft, konfirmiert und getraut wurde, hängt sein Bildnis, das ich von klein auf kenne. Ich glaube, das hat mich geprägt. Außerdem mein damaliger Heimatpfarrer Albrecht Frank, der unheimlich viel mit uns Jugendlichen unternommen hat, der uns in den Gottesdienst geholt hat, in dem er uns hat mitmachen lassen. Ich habe schon mit 14 Jahren selbstständig Kindergottesdienste verantwortet. Was für ein Vertrauen!
Nach dem Abitur und einem Praxisjahr in einem Würzburger Altenpflegeheim und der Diakoniestation Kitzingen studierte ich Theologie in Neuendettelsau, Erlangen und Heidelberg. Mein Vikariat absolvierte ich in Thüngen-Arnstein und in Kitzingen-Sickershausen. Übrigens machte ich Anfang der 90er Jahre ein Gemeindepraktikum bei Pfarrer Eckhard Reichelt in Münnerstadt. Meine Freundin Sonja (inzwischen seit 27 Jahren meine Ehefrau) durfte bei einem Besuch im Pfarrhaus tatsächlich mit übernachten, zu jener Zeit nicht ganz selbstverständlich.
Meine Frau ist promovierte Biologin. Wir freuen uns schon aufs Wandern im Biosphärenreservat. Ich erinnere mich an eine Bootstour auf der Saale von Bad Neustadt nach Bad Kissingen mit meiner Frau und meinem jüngeren Bruder Volker. Wir steckten mit unserem unhandlichen Schlauchboot ziemlich oft im Gebüsch. Mit meinen drei Söhnen Johannes, Sebastian und Andreas habe ich die Fahrt Jahre später wiederholt. Die drei jungen Männer studieren inzwischen in Würzburg. Zu unserer Familie gehört auch noch unser betagter Kater Toffi, der sich im Bad Neustädter Pfarrhaus hoffentlich problemlos eingewöhnen wird. Und ich habe gehört, dass es im Grabfeld und in den nördlichen Hassbergen wunderbare Motorradstrecken gibt.
Nach elf Jahren Gemeindepfarrer in Obernbreit und zugleich Dekanatsjugendpfarrer in Kitzingen und ebenfalls elf Jahren Dekan in Uffenheim habe ich eine neue Herausforderung gesucht. Als sich Dekan Büttner erfolgreich nach Ansbach beworben hatte und Bad Neustadt frei wurde, habe ich mich mit ihm ausgetauscht. Wir Dekane im Kirchenkreis kennen einander gut, und Matthias Büttner hat mir Bad Neustadt wärmstens empfohlen. Und was ich bei den Erstkontakten bisher so mitbekommen habe: Er hat nicht übertrieben. Ich erlebe hier viele aufgeschlossene und kirchlich interessierte Menschen, die spürbar Lust haben, miteinander Gemeinde zu gestalten.
Bevor ich 2010 Dekan in Uffenheim wurde, habe ich mich an der Rummelsberger Gemeindeakademie zum Gemeindeberater ausbilden lassen. Da habe ich gelernt, dass Kirche sich viel stärker wieder als Netzwerk verstehen sollte. Nicht jede Kirchengemeinde für sich oder jeder Gemeindekreis für sich oder jeder Christenmensch für sich, sondern immer alle zusammen. Die fortschreitende Individualisierung unserer Gesellschaft führt allzu oft zur Vereinsamung der Menschen. Da sollte Kirche mit aller Kraft gegensteuern.
Seelsorge, Verkündigung, Unterricht – das ist unser klassisches "Kerngeschäft". Dazu müssen Pfarrerinnen und Pfarrer Zeit haben. Damit sie diese Zeit aber haben, müssen sie von anderen Dingen deutlicher entlastet werden – etwa von Verwaltungsaufgaben. Das ist freilich nicht so leicht. Was können wir verlässlich und effizient andere tun lassen? Ich halte gar nichts davon, kirchliche und diakonische Einrichtungen, zum Beispiel Kindergärten, einfach aufzugeben, um Kosten und Verwaltungsaufwand zu sparen.
Ganz im Gegenteil: Gerade in kirchlichen Kindergärten oder diakonischen Einrichtungen der Alten- und Behindertenhilfe und der Beratung passiert viel wertvolle seelsorgerliche Arbeit. Ich bin davon überzeugt, dass wir hier als Kirche und Diakonie noch intensiver einsteigen sollten. Die Kur- und Klinikseelsorge ist im Dekanat Bad Neustadt ein hervorgehobenes kirchliches Handlungsfeld. Die zahlreichen Patienten brauchen seelsorgerliche Begleitung besonders auch durch die Kirche.
Ökumene ist für mich ganz wichtig und selbstverständlich. Meine Frau kommt aus einer gut katholischen Winzerfamilie an der Mainschleife. Die Oma war Mitglied des Würzburger Diözesanaltenrates. Sowohl die Mutter als auch die Schwester meiner Frau sind im Pfarrgemeinderat bzw. in der Kirchenverwaltung engagiert. Und als ihre Großeltern verstarben, war es jeweils deren Wunsch, dass ich als evangelischer Pfarrer bei den Beerdigungen die Trauerpredigt halte.
Als meine Frau in Obernbreit dann unter anderem unsere Krabbelgruppe und den Kindergottesdienst leitete und den Weltgebetstag organisierte, ist sie schließlich konvertiert und evangelisch geworden. Das ist nun aber auch schon mehr als 20 Jahre her. In Uffenheim hat sich meine Frau um den Gemeindebrief gekümmert und war Ehrenamtskoordinatorin in der Flüchtlingsarbeit und Integrationslotsin. Auf die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit meinem katholischen Kollegen in Bad Neustadt, Dekan Krefft, freue ich mich sehr und hoffe, mit ihm viele gemeinsame Gottesdienste feiern zu dürfen.
Der neue Landesstellenplan der bayerischen Landeskirche sieht vor, dass das Dekanat Bad Neustadt eine dreiviertel Stelle abbauen muss. Eventuell braucht es auch Umschichtungen und Neugewichtungen. Das alles ist aus meiner Sicht leistbar. Viel entscheidender aber ist, inwieweit es auch in Zukunft gelingen wird, Pfarrer und Pfarrerinnen in die "Highlands" der Rhön zu holen und vakante Stellen wieder zu besetzen, zumal sich nach verlässlichen Prognosen die Gesamtzahl der evangelischen Pfarrer in den nächsten zehn Jahren etwa halbieren wird.
Kirche ist "Kommunikation des Evangeliums" (Ernst Lange, Mitte der 60er Jahre). Diese Kommunikation geschieht von Mensch zu Mensch. Pfarrer können diese Kommunikation jedoch nicht alleine leisten. Dafür sind sie zu wenige. Wie soll ein Pfarrer mit durchschnittlich 1500 Gemeindegliedern kontinuierlich mit allen Kontakt halten? Wir Pfarrer sind aber auch gar nicht "die Kirche". Kirche ist immer die ganze Gemeinschaft der Gläubigen, die Gottes Wort hören und weitergeben. Das heißt: Wir alle sind Kirche! Und alle gemeinsam tragen wir die Verantwortung für die Weitergabe unseres Glaubens: Haupt- und Ehrenamtliche, Männer und Frauen, Väter und Mütter, Junge und Alte. Wir müssten uns halt aber auch trauen in unserem persönlichen Umfeld, im Familien- und Freundeskreis. Manchmal habe ich den Eindruck, dass dieser Mut oft fehlt oder dass viele es einfach verlernt haben, etwa am Mittagstisch zu beten oder mit den Kindern beim Zubettgehen. Hier sehe ich unsere vordringliche Aufgabe: die Menschen wieder sprachfähig zu machen in Glaubensdingen.
Und noch eins: "Kommunikation des Evangeliums" ist beileibe nicht nur das gesprochene Wort. Das Evangelium Jesu Christi findet seinen Weg zu den Menschen ebenso auch über die bunte Vielfalt der Kunst und der Kirchenmusik oder im Miteinander einer Jugendgruppe oder eines Seniorenkreises. Und zum Schluss: Im Religionsunterricht und in unseren kirchlichen Kindergärten erreichen wir mit weitem Abstand die meisten jungen Leute.