Zu hören sind sie sehr oft, zu sehen bekommt der Neustädter sie allerdings so gut wie nie. Wenn man sie besuchen will, so muss man erst einige gewagte Leiterkonstruktionen überwinden und gute Kondition mitbringen. Im markanten Turm mit der Zwiebelhaube sind sie untergebracht und verrichten hier seit Jahrzehnten ohne Murren ihren Dienst. Die Rede ist von den vier Glocken der Christuskirche in Bad Neustadt.
Nur die kleine "Hedda" blieb übrig
Im Jahr 1935, als die Kirche eingeweiht wurde, war ihr Geläut zum ersten Mal zu vernehmen. Gespendet wurden sie von der Familie Preh. Schon sieben Jahre später wurden allerdings drei der Glocken kriegsbedingt eingeschmolzen, so dass vom ursprünglichen Ensemble heute nur noch die kleine "Hedda" übrigblieb und ihren Dienst von da ab tapfer allein bis 1953 versah. In diesem Jahr ermöglichte eine weitere Spende der Familie Preh, die fehlenden Glocken zu ersetzen, die die Bezeichnung "Glaube", "Liebe", "Hoffnung" tragen, der Name der christlichen Tugenden. Ihrer theologischen Bedeutung entsprechend sind sie von der Physis her keine Leichtgewichte. Auch wenn sie bei der Vorort-Besichtigung gar nicht so schwer aussehen. Die beiden großen bringen stolze 1,2 Tonnen auf die Waage.
Über so genannte "gekröpfte Stahljoche" sind sie fixiert und sicher aufgehängt. "Das war besonders früher praktisch, da man die Glocken so mit weniger Kraftaufwand per Hand leicht läuten konnte", erklärt Dekan Dr. Matthias Büttner. Denn einen elektronischen Antrieb wie heute gab es damals noch nicht. Doch die Halterungen sind in die Jahre gekommen, so dass sie nun ausgetauscht werden. Lange genug gehalten haben sie ja: schließlich sind sie seit dem Bau der Kirche ununterbrochen im Einsatz.
Für den Austausch sind Uwe Nothnagel und seine Kollegen von der Firma Turmuhren & Glocken Willig aus Gräfenhain zuständig, gemeinsam sind sie in Bad Neustadt vor Ort. "Wenn man den Glockenturm betritt, so hat man schon Ehrfurcht davor, was die Bauleute damals geleistet haben", meint er. Gerade macht er sich an den Schrauben zu schaffen, die die Joche halten und sichtlich in die Jahre gekommen sind.
Eichenjoche als Ersatz
Ersetzt werden sie durch Pendants aus Eichenbalken, die vor der Kirche bereits in Position liegen. Mit einem großen Autokran werden sie nach oben gehievt und die Stahljoche nach unten transportiert. Die Glocken ruhen einstweilen auf dem Zwischenboden im Turm. "Nach dem Einbau des Eichenjoches werden die Glocken dann etwas tiefer hängen", erläutert Nothnagel.
Auch sie transportiert der Autokran nach oben, wo sie dann eingebaut werden. Dann können die Glocken wieder ihren Dienst versehen, so wie schon in den Jahrzehnten davor. Denn auch wenn man sie in ihrem Zwiebelturm so gut wie nie zu Gesicht bekommt: ihr Läuten ist unüberhörbar und ohne dieses würde in Bad Neustadt einfach etwas fehlen.