Die erste Udo-Lindenberg-Schule weltweit steht bald in Mellrichstadt (Lkr. Rhön-Grabfeld). Das für die Mittelschule zuständige Verbandsgremium, Schulräte und Schülervertreter stimmten der Idee bereits zu. Auch Lindenberg gab schriftlich sein Okay. Nun muss noch die Regierung von Unterfranken entscheiden. Die Signale sind positiv.
Die Namensaktion stellt keine reine Effekthascherei dar. Hinter ihr steht ein ausgeklügeltes Konzept. Ideengeber Achim Libischer, seit kurzem Konrektor und seit drei Jahrzehnten Lindenberg-Fan, erklärte es im Schulverbandsgremium.
Seit August darf sich die Mellrichstädter Einrichtung Inklusionsschule nennen. Bei der Bewerbung hierfür mussten die Verantwortlichen ihre pädagogischen Ziele formulieren. Dabei fiel das Fehlen einer Leitfigur – und damit eines konkreten Schulnamens – auf.
„Kriterium war es für uns, jemanden zu finden, über den ein Bezug zu den Schülern, zu deren Lebenswelt und aktuellen Themen hergestellt werden kann. Es sollte eine Person sein, die Denkanstöße und Lösungsvorschläge im Jetzt liefert und nicht vor Hunderten Jahren Großes geleistet hat“, so Libischer bei der Konzeptvorstellung.
Diese Eigenschaften verkörpert Udo Lindenberg für den Konrektor perfekt. Mit seiner Platte „Andrea Doria“ von 1973 habe er die deutsche Musik revolutioniert, weil er plötzlich soziale und politische Themen aufgriff. Es ging um Umweltzerstörung, das Wettrüsten im Kalten Krieg, um ungerechte Verteilung zwischen Nord- und Südhalbkugel, um Rechtsradikalismus und Homosexualität. Auch die damals noch utopische Wiedervereinigung sprach der Musiker immer wieder an.
Seit mehr als vier Jahrzehnten macht sich der 69-Jährige stark für Toleranz, Integration und die Rechte von Minderheiten, setzt sich für Frieden und mehr Menschlichkeit ein, argumentierte Achim Libischer. Auch propagierte er stets die „bunte Republik Deutschland“.
Auch das passt für den Konrektor gut zur Mittelschule Mellrichstadt. Auch sie wird immer bunter. Nicht nur, dass dort Schüler mit sehr unterschiedlichem pädagogischen Förderbedarf unterrichtet werden. Bisher lernen dort auch 15 Flüchtlingskinder. Noch zum Ende des Jahres rechnet Libischer mit insgesamt 50. Lehrer und Schüler müssten da „ein hohes Maß an Aufgeschlossenheit, Flexibilität und Toleranz“ beweisen. Auch dafür stehe Lindenberg.
Den Künstler selbst von der Namensgebung zu überzeugen, gestaltete sich – erwartungsgemäß – schwierig. Eine erste von Libischer und Kollegen gestellte Anfrage beantwortete er über sein Management negativ. Der Künstler stehe unter Termindruck, hieß es. Zumal er gerade eine neue Platte produziere. Wenn er schon seinen Namen für etwas gebe, wolle er sich auch aktiv einbringen. Doch dafür fehle ihm die Zeit.
Aber Libischer machte deutlich, dass die Anwesenheit des selbst ernannten „Panikrockers“ gar nicht nötig ist. Mit seinem Namen und den Inhalten seiner Lieder habe er seinen Dienst schon getan.
Am 17. Juli trafen Libischer und Rektor Egon Bauß den Musiker in Frankfurt. „Er hat sich erstaunlich viel Zeit für uns genommen.“
Lindenberg sei sehr höflich gewesen, habe sich geschmeichelt gefühlt. Die Lehrer verließen den Raum mit einer unterschriebenen Erklärung, dass er seinen Namen für die Mittelschule gibt.
Die Schüler der Klasse 10a erfuhren am Dienstagmorgen davon, wie ihre Einrichtung bald heißen soll. Ganz überrascht waren sie nicht. Die Idee war schon im vergangenen Schuljahr angeklungen.
Dass eine lebende, keine historische Person ihr Namenspate wird, fanden alle toll. Und auch wenn nicht jeder Lindenbergs Musik und Lebensstil mag: Dass seine Texte von Belang sind, haben alle verstanden.
Für Achim Libischer ist erst der Anfang gemacht, „das Wertesystem gesetzt“. Nun soll das Konzept im Unterricht mit Leben gefüllt werden.
Die beiden zehnten Klassen beschäftigen sich in diesem Schuljahr besonders mit dem Thema „Asyl und Flüchtlinge“. Und auch die Jüngeren sollen an den ihnen eher unbekannten Musiker und seine Inhalte herangeführt werden.
Bleibt die Frage, ob Udo Lindenberg vielleicht doch zur Namenstaufe am 17. März 2016 nach Mellrichstadt kommt. Für Libischer ist das eher unwahrscheinlich. Aber eine Video-Botschaft sei sicher drin.
Es gibt wesentlich schlechtere Namenspatrone an Deutschlands Schulen