
Weihnachten ist das Fest der Liebe, der ruhigen Zeit und dem Zusammensein mit der Familie. Nicht jedoch, wenn man wie ich in einer Gastronomen-Familie aufgewachsen ist. In der Gastronomie ticken die Uhren etwas anders: Wir arbeiten dann, wenn die meisten anderen frei haben.
Gerade in der Weihnachtszeit ist natürlich Hochbetrieb. Es sind viele Weihnachtsfeiern und Familien treffen sich, um im Restaurant zu essen und gemeinsam schöne Stunden zu verbringen.
Es ging in erster Linie immer um das Wohl der Gäste: Der Kunde ist König. Es muss schnell gehen, das Essen muss gut sein und alle müssen zufrieden nach Hause gehen. Nicht selten löste das bei uns in der Familie, wenn etwas nicht rund lief, Stress, Ärger und Geschrei aus. Für mich war das "normal".
Gäste bedienen, Getränke ausschenken, Nachspeisen vorbereiten. Immer stand der Gast im Fokus. Man muss ja Geld verdienen und von Weihnachten bis Silvester ist am meisten los. Familienleben zu Weihnachten? Fehlanzeige!
Der einzige Tag, den die Familie für sich hatte, war Heiligabend. Auf den 24. Dezember habe ich mich am meisten gefreut, denn dann haben wir als Familie zusammengefunden. Die Ente, die von der Mama zubereitet worden ist, gemeinsam zu essen, zusammenzusitzen und etwas Ruhe zu haben vor dem ganzen Trubel der Tage, die noch bis Silvester folgen werden.
Geschenke auspacken, griechische Weihnachtsmusik hören und anschließend noch Gespräche führen. Heiligabend war schon immer etwas besonderes für uns. Da kommt immer Familienfeeling auf, was in einer Gastronomie-Familie sonst zu kurz kommt.
Die größte Herausforderung war immer die Suche nach Geschenken. Spielsachen, Handys, Laptop, Parfüm, Schmuck, Gutscheine – alles materielle Dinge! Natürlich hat man sich vor allem als Kind, Jugendlicher und auch noch später über solche schönen Dinge gefreut.
Wenn man aber einmal in sich geht und überlegt was Weihnachten wirklich ausmacht, komme ich heute zur Erkenntnis: Das größte Geschenk war doch die Zeit, die man als Familie zusammen verbracht hat. Reden, essen, trinken, lachen und einfach zusammen sein.
Zeit ist das wertvollste Gut, das wir haben. Doch leider wird sie oft im Alltag und gerade in einer Gastro-Familie nicht geschätzt, weil sie nicht oder nur ganz wenig vorhanden ist.
Und trotzdem werden wir auch dieses Jahr wieder unsere Gäste an den Weihnachtstagen bedienen. Es wird wieder reger Betrieb herrschen mit vielen Stunden Arbeit, hoffentlich wenig Stress und mit der Vorfreude auf den Heiligabend, an dem wir geschlossen haben und mit der Familie zusammensitzen. Und vielleicht wird es eines Tages auch ein normales Familienleben an Weihnachten geben – weit weg von Arbeit, Stress und Ärger.
Text: Waios Dinudis
Foto: Yasemin Dinudis / Montage: Alissa Bakhchevan
Waios Dinudis (39) betreibt die Waikis Cocktailbar in Herschfeld und ist in der Immobilien- und Finanzbranche tätig.
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