
Im Mai 1980 hatten mein damaliger Freund und ich das Tiermedizinstudium abgeschlossen und freuten uns auf unsere neue Tätigkeit in einer Großtierpraxis mit Kühen und Schweinen in Niedersachsen. Damals gab es dort auch noch eine sehr kleinbäuerliche Struktur, mit nur wenigen Tieren pro Hof, die häufig im Nebenerwerb betrieben wurden.
Bisher hatten wir Heiligabend immer getrennt voneinander bei unseren Eltern verbracht. Da ich ein Einzelkind bin, wollte ich es meinen Eltern nicht antun, allein, ohne ihre Tochter, den Heiligen Abend zu verbringen.
Aber nun hatten wir eine durchaus gewichtige Erklärung, um unseren ersten gemeinsamen Heiligen Abend zu feiern. Wir waren hoch motiviert und so boten wir unserem Kollegen an, den Dienst über die Feiertage zu übernehmen, natürlich in der Hoffnung, sie auch gemeinsam zu verbringen. Der Baum war geschmückt und der Tisch gedeckt, wir wollten es uns so richtig festlich machen.
Allerdings klingelte dann gegen 7 Uhr abends unser Festnetztelefon (Handy & Co waren noch in weiter Ferne), und ein Bauer aus unserem Dorf berichtete, dass es bei seiner ferkelnden Sau einfach nicht weiterginge.
Also machte ich mich auf den Weg zu ihm und musste bei der Untersuchung feststellen, dass sich ein Ferkel quer in den Geburtskanal gelegt hatte. Nun bin ich eine Frau und habe etwas schlankere Hände als ein gestandener Bauer. So konnte ich nach einiger Zeit dem Ferkelchen den richtigen Weg weisen. Da aber erst drei Ferkel geboren waren, musste noch mit weiteren gerechnet werden und so blieb ich im Stall, bis die Geburt beendet war und etliche kleine, glitschige und quiekende rosa Ferkel den Weg zum Gesäuge der Mutter gefunden hatten.
Zwischendurch kam die Bauersfamilie, der der Geburtstermin etwas peinlich war, mit einem Gläschen Sekt zum Anstoßen auf die Geburt im Stall von Bethlehem. Ich habe den Abend trotzdem als etwas ganz Besonderes empfunden. Geburten sind immer wieder magische Momente.
Wir haben dann, etwas später als geplant, noch unser erstes gemeinsames Weihnachtsfest gefeiert.
Text: Marie-Theres Geller
Foto: Marie-Theres Geller / Montage: Anne Jessica Klement
Dr. Marie-Theres Geller (69) ist in Bad Königshofen Stadträtin der Liste Eyershausen und Vorsitzende des Kindergartenträgervereins in Eyershausen.
In der Kolumne "Rhöner Adventskalender" schreiben Menschen aus dem Landkreis Rhön-Grabfeld Anekdoten und Gedanken rund um Advent und Weihnachtsfest.