Schon immer war das Weihnachtsfest in unserer Familie etwas Besonderes. Als Kinder waren wir voller Erwartung auf den Heiligen Abend. Da wir damals ein Skigeschäft besaßen, wurden die Vorbereitungen schon in den Tagen zuvor durchgeführt, denn am 24. war das Geschäft noch geöffnet.
Eine besondere Situation war das Schmücken des Baumes bei meinen Großeltern. Mein geliebter Großvater war Schreiner. Die Schreinerei befand sich mitten in der Stadt, in der Kellereigasse. Wir Kinder durften bis zu einem bestimmten Zeitpunkt helfen, denn wenn der Baum erst einmal stand, ging es für uns Kinder ab ins Bett. Aber so einfach war das Aufstellen des Baumes definitiv nicht, denn der Baum musste höchsten Ansprüchen genügen, denen meiner Großmutter.
Jedes Jahr das gleiche Prozedere. Der Baum wurde gekauft, begutachtet und es wurde festgestellt, dass es kahle Stellen gibt. Der nächste Schritt war also, den Baum in die Schreinerwerkstatt zu bringen und dort wurden durch meinen Opa mit den reichlich vorhandenen Werkzeugen, unter Beobachtung seiner Enkel, Löcher in den Stamm gebohrt, Zweige unten abgeschnitten und oben wiedereingesetzt, mit Leim natürlich, damit sie auch hielten. Es war eine faszinierende Prozedur für uns Kinder.
Dann musste der Baum von der Werkstatt über die dunklen Zwischengänge zwischen Werkstatt und Wohnhaus in die Storchengasse geschafft werden, ohne dass sich ein Zweiglein wieder rührte. Anschließend wurde der Baum über zwei Stockwerke und enge Treppenhäuser hinaufgetragen und platziert. Wenn dann die erlösende Abnahme durch meine Großmutter kam, war es gut und der Baum konnte geschmückt werden.
Viele Jahre später durfte ich als junge Erwachsene den Baum schmücken, da mein Opa dazu nicht mehr in der Lage war und die Oma leider viel zu früh verstorben war. Ich sehe noch heute, wie mein Opa den ohnehin schon gut gefüllten, vorbehandelten Baum, mit weiteren Kugeln schmückte, denn: "Das ist die schönste Kugel, die muss auch noch dran!"
Auch wenn heute die Weihnachtstage aufgrund meiner Tätigkeit mit caritativen Aufgaben gefüllt sind, am Heiligen Abend ist das Caritashaus geöffnet, an den Feiertagen stehen Besuche in den Pflegeeinrichtungen an, so schau ich doch immer, dass Zeit für die Familie bleibt, damit meine Kinder auch irgendwann mal Anekdoten eines Weihnachtsfestes erzählen können. Und der Baum spielt immer noch, in Erinnerung an Oma und Opa, eine wichtige Rolle.
Text: Angelika Ochs
Foto: Benjamin Holzheimer / Montage: Alissa Bakhchevan
Angelika Ochs (59) ist Geschäftsführerin im Caritasverband für den Landkreis Rhön-Grabfeld e.V.
In der Kolumne "Rhöner Adventskalender" schreiben Menschen aus dem Landkreis Rhön-Grabfeld Anekdoten und Gedanken rund um Advent und Weihnachtsfest.