Welch größere Anerkennung kann es geben? Doreen Hartung, die bis vor kurzem noch Debertshäuser hieß, hatte 1992 im Mellrichstädter Krankenhaus einer Frau aus Thüringen geholfen, ihr Baby zur Welt zu bringen. Als die überglückliche Mutter mit ihrem kleinen Mädchen im Arm dann erfuhr, dass ihre Hebamme just an diesem Tag Geburtstag hatte, entschied sie spontan: „Mein Kind soll auch Doreen heißen.“
Noch heute ist Doreen Hartung etwas gerührt, wenn sie von diesem Erlebnis berichtet. Zumal sie damals ja selbst sehr jung war und das Ende ihrer Ausbildung noch nicht lange zurücklag. Die hatte die gebürtige Leipzigerin, die in Erfurt aufgewachsen ist, noch zu DDR-Zeiten als 16-Jährige in Jena begonnen.
1000 Kinder in 20 Jahren
Gut 1000 Kindern hat sie in 20 Jahren auf die Welt geholfen, 2007 gab sie die Geburtshilfe auf, weil sie als alleinerziehende Mutter mehr Zeit für ihren eigenen Sohn haben wollte. Seither ist sie in der Geburtsvorbereitung tätig und hat in den 25 Jahren, die sie jetzt schon als freie Hebamme in Bad Königshofen arbeitet, 1650 Familien im Landkreis in der häuslichen Betreuung nach der Geburt begleitet. Seit fünf Jahren ist sie über das in Salz ansässige Netzwerk für soziale Dienste auch Familienhebamme im Landkreis Bad Kissingen.
Dass sie selbst ein Kind zur Welt gebracht hat, habe ihr bei der Ausübung ihres Berufes sehr geholfen, sagt Doreen Hartung. Allerdings war sie auch etwas desillusioniert, auch wenn sie die Geburt als schönes Erlebnis in Erinnerung hat. „Ich hatte mir das etwas leichter vorgestellt.“ Die eigenen Erfahrungen ließen sie aber für die Frauen, die mit Schmerzen im Kreißsaal liegen, noch mehr Verständnis aufbringen. „Einfühlsam und flexibel“, ausgestattet mit einer Fülle von Fachwissen, aber auch in der Lage, eine Gebärende „mütterlich“ führen zu können – diese Eigenschaften sollte eine Hebamme besitzen, glaubt Hartung.
Berufswunsch seit der Kindheit
Hebamme wollte sie werden, seit sie denken kann. „Ich hab schon mit eineinhalb Jahren angefangen, mit Puppen zu spielen und bis zur Pubertät damit nicht aufgehört“, schmunzelt sie im Gespräch mit dieser Zeitung. Mit 13 stand unverrückbar fest, dass nur dieser Beruf für sie in Frage kommen würde. Daran konnte dann auch das Erlebnis einer Geburt in einem Krankenhaus, das der Vater einer Freundin – er war Chefarzt – ermöglicht hatte, nichts ändern. „Das war nicht schön“, erinnert sie sich. „Die Geburt dauerte lang und war schwer und wir standen da nur rum, niemand hat uns was erklärt.“
Doch nicht nur die Frauen sind meistens total geschafft, bis der Nachwuchs aus dem Bauch ist und in trockenen Tüchern liegt. Auch so mancher Mann, der Zeuge der Menschwerdung wird, weiß hinterher nicht mehr so recht, wo ihm der Kopf steht. „Sagen Sie mal“, wollte ein noch aufgeregter frischer Vater von Doreen Hartung wissen, „wie putzt man dem Kleinen eigentlich die Zähne?“
Es sind die heiteren und erfüllenden Erlebnisse, die den Beruf so spannend und abwechslungsreich machen. Zu einigen der Mütter, die vor Jahren entbunden haben, pflegt Doreen Hartung noch heute eine Freundschaft. Nicht missen möchte sie auch, dass es ihr vergönnt war, ihre eigene Nichte zur Welt zu bringen. „Das war toll“, sagt sie.
Viel hat sich geändert im Bereich der Geburtshilfe in den vergangenen 26 Jahren, seit Doreen Hartung das erste Mal half, ein Kind zur Welt zu bringen. Und längst nicht alles zum Besseren. Zu schaffen machen allen Hebammen, die in der Geburtshilfe tätig sind, vor allem die immens gestiegenen Haftpflichtprämien der Versicherungen. Als Doreen Hartung 1991 in ihren Beruf startete, wurden 320 D-Mark pro Jahr fällig, ab 2017 sind es 7638,94 Euro – mehr als 45-mal soviel.
Versicherungsprämien enorm gestiegen
Woran das liegt? Vor allem an der erfreulichen Entwicklung, dass Säuglinge, die bei der Geburt körperliche oder geistige Schäden davontragen heute durch bessere medizinische Versorgung größere Überlebenschancen haben. Das kostet aber auch viel Geld, was eine Erhöhung der Versicherungsprämien zur Folge hat. Das führt wiederum dazu, dass sich heute junge Frauen mit Interesse an dem Beruf dreimal überlegen, ob sie den Schritt wirklich gehen sollen.
Der Zusammenhalt unter den Hebammen hat unter der Entwicklung nicht gelitten. „Wir sind sehr gut vernetzt“, sagt Doreen Hartung über ihre zwei Kolleginnen in Bad Königshofen und die Kollegin in Höchheim. „Wir unterstützen uns gegenseitig.“
Kaum ein Problem scheinen die rückläufigen Geburtenraten zu sein. Es kommen zwar seit vielen Jahren immer weniger Kinder in Deutschland auf die Welt – mit Ausnahme des vorigen Jahres, als es rund 30 000 mehr waren als 2014 – dafür ist die Betreuung der jungen Mütter aber intensiver geworden und dauert nach der Geburt deutlich länger als früher.
Zu häufig Kaiserschnitt
Persönlich etwas Sorgen bereitet Doreen Hartung, dass heute fast jedes dritte Kind in Deutschland per Kaiserschnitt zur Welt kommt. Die hohe Zahl lässt bei ihr die Vermutung aufkommen, dass dieser Eingriff nicht immer zwingend medizinisch notwendig ist – also Gefahr für Leib und Leben von Mutter oder/und Kind besteht.
In ihren kommenden Berufsjahren möchte sie sich „den Blick auf die Normalität der Vorgänge um Schwangerschaft und Wochenbett bewahren“, wie sie es ausdrückt.
Dabei denkt sie sogar daran, einmal für eine gewisse Zeit ins Ausland zu gehen und dort wieder in der Geburtshilfe zu arbeiten. Die Philippinen wären so ein Land, das sie reizen könnte. Zunächst hat sie sich jetzt erst einmal vorgenommen, ihr „Hebammen-Englisch“ zu verbessern. Dann wird man weitersehen.