Sie rennen schier endlose Strecken, quälen sich in Parcours Hügel rauf und runter, durchqueren Schlammlöcher, geruchsintensive Wasserhindernisse, steigen über Holzbalken, tauchen, schwimmen und balancieren auf Drahtseilen oder kriechen durch Röhren. Das alles für eine Medaille?
Nein, sagen die Grabfelder und Würzburger, die am vergangenen Sonntag beim Tough Guy in Wolverhampton (England) teilgenommen haben. „Du bekommst den Kopf frei, es macht einfach Spaß, ist zwar anstrengend, du kommst an deine Grenzen“ und „Man muss ein bisschen verrückt sein!“, lacht Andrea. Und Michel, ein Mann mit Unterschenkelprothese, setzt hinzu: „Aufgeben gibts nicht – ankommen ist das Ziel.“
Ankommen, das bedeutete am Sonntag viereinhalb Stunden Durchhaltevermögen, sich gegenseitig Mut machen und dann am Ziel einlaufen.
7000 Läufer am Start
Rund 7000 Läufer von überall her waren nach Wolverhampton gekommen, um den Extrem-Hindernislauf zu bewältigen. Dass es nicht einfach wird, zeigte sich am Samstagnachmittag bei einer Begehung. Eine längere Laufstrecke, Lauf-Slaloms an teils doch steilen Hügeln, neue Hindernisse und vor allem viel Wasser und viele Matschlöcher. Matsch und Wasser waren es dann für Michael Kilian aus Güntersleben bei Würzburg, die ihn oftmals an seine Grenzen brachten.
Prothese macht Probleme
Die Unterschenkelprothese machte erhebliche Probleme, da sie nicht mehr perfekt funktionierte und die Belastung für das Knie enorm wurde. „Ich muss sehr viel über das gesunde Bein abwickeln,“ sagt Michael Kilian und erläutert, dass das für ihn mindestens 20 Prozent mehr Kraftaufwand bedeutet. Diesmal kamen nicht nur er, sondern auch seine Beinprothese an die Leistungsgrenze.
Wichtig für ihn, gerade deshalb Mitläufer an seiner Seite zu haben, die ihn unterstützen, auch mal ein bisschen anschieben, wenns im Schlammloch nicht weitergeht oder einfach nach ihm schauen. Wer beim Tough Guy den Günterslebener gesehen hat, kann nur Hochachtung haben. Er quält sich durch den knöcheltiefen Schlamm, steigt über die Hindernisse oder watet durch tiefes Wasser.
Zähne zusammengebissen, den Schmerz verdrängt
„Es ist wie Nordic Walking“, sagt Michael Kilian, was bedeutet, dass das schnelle Laufen oder Losrennen, wie bei den anderen nicht möglich ist. Aber als Letzter durchs Ziel? Nein, das war in Wolverhampton nicht der Fall. „Wir haben uns durchgekämpft, die Zähne zusammengebissen, den Schmerz verdrängt,“ sagt der 46-jährige Fahrdienstleiter der Deutschen Bahn.
Bei einen Verkehrsunfall hat er 2003 sein rechtes Bein verloren, das bis zum Unterschenkel abgenommen werden musste. „Nicht aufgeben,“ das war für Michael Kilian immer das Motto und so spielte er weiter bei den Münnerstädter Hornussen mit und entschied damals am Braveheart in Münnerstadt teilzunehmen.
Beim ersten Mal war sein Prothesenbauer mit dabei, in den folgenden Jahren lernte er Alfred Grein, ebenfalls aus Güntersleben, kennen, trainierte mit ihm und war viermal beim Braveheart und im vergangenen Jahr erstmals beim Tough Guy, der „Mutter der Hindernisläufe“.
Zweimal Training in der Woche
Wer glaubt, dass er zu den Hindernis-Läufen hätte überredet werden müssen, irrt, denn er selbst hatte sich dafür entschieden und war mittlerweile bei vielen weiteren in Deutschland mit dabei. Der Fahrdienstleiter und Winzer ist pro Woche mindestens zweimal unterwegs, bei der Vorbereitung auf einen Lauf absolviert er mit Alfred Grein oft bis zu zwölf Kilometer. Dass man auf ihn und seine Unterschenkelprothese aufmerksam wird, ist für ihn kein Problem. Im Gegenteil: Immer wieder bekommt er lobende Wort, die Mitläufer beim Tough Guy oder Braveheart sind perplex. Worte wie „Respekt, mutig, ganz toll“ muntern ihn auf. „Das macht Mut und auch ein bisschen stolz“, sagt Michael Kilian.
Stolz können alle sein
Stolz können alle sein, die den Parcours des Tough Guy geschafft haben. Dazu gehören neben Alfred Grein und Michael Kilian auch Andrea Friedrich-Rückert aus Bad Königshofen ebenso wie Jessica und Florian Harz aus dem Sulzdorfer Ortsteil Zimmerau. Jessica war es, die vom Braveheart vor einigen Jahren so begeistert war, dass sie ihren Mann Florian überredete mitzumachen. Für sie beide war klar: Der Tough Guy gehört dazu und den machen wir jetzt. Schließlich hat hier in Wolverhampton vor nunmehr 30 Jahren alles begonnen. Der Tough Guy ist ja nicht umsonst als der härteste Hindernislauf der Welt bekannt.
Jeder hat sein persönliches Hindernis
Fragt man Jessica und Florian nach ihren Eindrücken sind sie noch immer begeistert. Jeder einzelne hatte auf der 16 Kilometer langen Strecke sein persönliches Hindernis, an dem er zu knabbern hatte. Bei Jessica waren es die engen langen Betonrohre, in denen die Läufer hochkrochen, man von hinten geschoben wurde und durch den Schlamm immer wieder zurück rutschte. Was Florian Probleme bereitete, war das Tauchen im Eiswasser. „Wenn man mehrfach unter die dicken Baumstämme taucht und einem das Eiswasser ins Mittelohr läuft, verliert man absolut den Orientierungssinn und muss sich danach erst einmal wieder finden.“
Alles in allem war der Tough Guy mit seinen über 200 Hindernissen und den 16 Kilometern, enorm anstrengend und fordernd.„ Jessica (33) und Florian Harz (34), seit acht Jahren verheiratet, wohnen im Sulzdorfer Ortsteil Zimmerau, laufen seit 2014 verschiedene Hindernisläufe in ganz Deutschland. Dazu gehören „No Guts No Glory“ in der Oberpfalz, „Braveheart Battle“, „Rock Race“ in Würzburg, „Strong Viking“ in Osnabrück, der „Limes Run“ in Bad Gögging und „Dragonheart Battle“ in Hessen. Wichtig bei solchen Läufen sind „Wegbegleiter“, Nicht nur, um das Ereignis im Bild festzuhalten, sondern Getränke dabei zu haben, Süßigkeiten oder auch einen heißen Tee.
Am ganzen Körper Gänsehaut
Bei Jessica und Florian Harz ist es Kerstin Harz-Weißberg, seine Schwester, die die beiden, wie auch in Wolverhampton, begleitet hat. Wenn Jessica, Andrea, Michael, Alfred und Florian nach diesem Lauf Bilanz ziehen sagen sie: „Man muss auch mal seine Grenzen überschreiten und ein Risiko eingehen.
Wenn man dann nach einem Extrem-Hindernislauf erschöpft ins Ziel läuft, die Medaille bekommt, hat man am ganzen Körper eine Gänsehaut und ein unbeschreibliches Gefühl, etwas geschafft zu haben, was nur durch Training und ein bisschen Verrücktheit zu schaffen ist.“
Jessica und Florian fügen an: „Man kann dieses Gefühl gar nicht so richtig beschreiben, eigentlich das fast Unmögliches geschafft zu haben.“