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Bad Königshofen
Tischtennis: Grandioser Heimsieg in der Geister-Arena
Wie so vieles in dieser Corona-Zeit war auch am Sonntag beim ersten „Geister-Spiel“ der Tischtennis-Bundesliga in der Shakehands-Arena vieles anders als sonst.
Linus Türk, Jugendspieler beim TSV Bad Königshofen, bedient in den Heimspielen wie hier gegen Fulda den Livestream für den Internetsender sportdeutschland.tv.. Links neben ihm kommentiert Nico Pfrenzinger des Geschehen am Tisch.
Foto: Rudi Dümpert | Linus Türk, Jugendspieler beim TSV Bad Königshofen, bedient in den Heimspielen wie hier gegen Fulda den Livestream für den Internetsender sportdeutschland.tv..
Alfred Kordwig
 und  Rudi Dümpert
 |  aktualisiert: 09.02.2024 08:01 Uhr

Ausgerechnet beim Zuschauer-trächtigen, aber Zuschauer-losen Derby gegen Fulda, bei dem auch noch dem TSV Bad Königshofen der erste Sieg (3:0) im siebten Anlauf gelang. Dasselbe wie immer war nur bei den Ballwechseln am Tisch – in der sogenannten Box. Diese wiederum war wesentlich größer als sonst, es war ja Platz genug in der Halle.

In ihr auch die zwei Zählschiedsrichter, die hygienebedingte Zusatzaufgaben hatten. Die zu Boden gefallenen Bälle durften nämlich erst nach den jeweiligen der insgesamt 13 Sätze aufgehoben und gereinigt werden. Diese Aufgabe übernahmen aber während des folgenden Satzes die Hygiene-Beauftragte Christiane Aman mit Tochter Teresa und Freundin Anna Schwarz.

Keine Seitenwechsel

Nur einem der beiden Tisch-Schiedsrichter, dem Mellrichstädter Josef van Eckert, war es vorbehalten, aus dem Balleimer heraus nach jedem Ballwechsel dem Aufschlagenden den Ball zuzuwerfen. Durchgewechselt wurde bei den drei Schiris auch nicht. Dem Oberschiedsrichter, Verbandsschiedsrichter-Obmann Joachim Car aus Langendorf, blieb das Supervising von hinter der Bande vorbehalten. Auch die Spieler wechselten die Tisch-Seite nicht.

Sie spielten das ganze Match mit dem Rücken zu ihren Trainerbänken, die auch neu positioniert wurden, nicht nebeneinander, sondern gegenüberliegend. In der regelmäßig durchlüfteten Halle befanden sich neben den Mannschaften samt Betreuerteams aus Fulda sieben Zuschauer. Unterstützer waren 17 Helfer des Organisationsteams, die alle irgendeine Aufgabe zu erledigen hatten. Eine zusätzliche war natürlich das rhythmische Klatschen vor jedem Ballwechsel und nach jedem gewonnenen Punkt – die Hände müssen ihnen geglüht haben.

Türen blieben geschlossen

Damit auch ja keine unerlaubten Zuschauer rein kamen, blieben die Außentüren der Halle verschlossen. Eintritt war über einen engen Nebeneingang, eher gleich einem Schlupfloch und Dieben in der Nacht. Nach jedem Match traten Bernd Seufert und Andy Aman als Tischwischer in Aktion. „Ich habe in meinem ganzen Leben noch nicht so viel Tisch gewischt wie heute“, scherzte Aman. Dabei war es nur drei Mal der Fall. Nach drei Spielen war das Duell nämlich entschieden.

Apropos wischen: Wie oft haben Zuschauer nachgefragt, warum die Spieler vor fast jedem Ballwechsel mit der nackten Hand eine kleine Fläche auf dem Tisch unmittelbar hinter dem Netz an der Außenkante abwischen. Kilian Ort klärt auf: „Es ist eine Mischung von Macke und sich die heiße Hand auf dem kalten Tisch dort abkühlen, wo der Ball vermutlich am seltensten hinkommt.“ Das war auch verboten, ebenso den Ball anzuhauchen und am Hemd abzuwischen.

Kleine Snacks und Getränke Die Familie Seufert aus Althausen, Alexandra, Bernd und Tochter Sarah, hatte, wie immer, nur etwas kleiner, eine Verkaufstheke weit abseits aufgebaut mit kleinen Snacks und Getränken. Der Umsatz lag bei nahe null. Wie gewohnt, nur viel emotionsloser, informierte Hallensprecher Jürgen Halbig – ja, wen eigentlich: Die eh Eingeweihten und die Medienvertreter von Presse, Rundfunk und Fernsehen.

Am Montagmorgen schon wieder auf dem Weg zum Training: Nachwuchsspieler Akito Itagaki. Der Sohn von Chefcoach Koji Itagaki durfte zum ersten Mal mit den Profis in die Halle einlaufen, was für ihn trotz leerer Ränge ein besonderes Erlebnis war.
Foto: Alfred Kordwig | Am Montagmorgen schon wieder auf dem Weg zum Training: Nachwuchsspieler Akito Itagaki. Der Sohn von Chefcoach Koji Itagaki durfte zum ersten Mal mit den Profis in die Halle einlaufen, was für ihn trotz leerer Ränge ...

Den Livestream samt Zeitlupe-Wiederholungen und Werbeeinblendungen von sportdeutschland.tv, quasi Schnitt und Bild-Regie in Personalunion, bediente Linus Türk. Gabriel Erhard am Mischpult legte als Diskjockey bei allen Spielpausen Lieder auf, möglichst zur Situation passend, wie zum Beispiel „Wenn nicht jetzt, wann dann“ von Höhner. Es war, als Filip Zeljko im letzten Satz des Tages, im vierten gegen Fan Bo Meng noch zwei oder drei Punkte zur Glückseligkeit, zum ersten Sieg von Bad Königshofen gegen Fulda, fehlten.

Kilian Orts großer Sieg davor hatte Kilian Ort schon in der Euphorie nach seinem Sieg über Fuldas hoch gelobten Neuzugang Quadri Aruna von Sporting Lissabon, Nummer 20 der Weltrangliste, die Handtuchbox vom Schiedsrichtertisch genommen und über dem Kopf wie einst Oli Kahn den Pott („hier ist das Ding“) zur Trainerbank getragen. Wenn denn überhaupt, war es der einzige Regelverstoß, vielleicht sogar gegen das bis ins Detail durchdachte und durchgeführte Hygienekonzept der Gastgeber. Die Stimmung soll selbst in die Wohnzimmer rüber gekommen sein. „Irgendwann vergisst du während des Spiels dann doch, dass da so vieles anders war als sonst“, bekannte der Lokalmatador. Vor allem wenn man vor dem statistisch gesehen größten Sieg seiner Laufbahn steht.

Welle außerhalb der Halle

Als der Sieg gegen Fulda in trockenen Tüchern war, machte die Mannschaft, wie üblich, die Welle zu allen vier Seiten der Halle, symbolisch auch zur menschenleeren Haupttribüne, zu den daheim gebliebenen Fans. So richtig losgelassen und dennoch auch anders als sonst war die Stimmung dann hinterher, draußen vor der Halle. Da waren nämlich rund 15 Mitglieder des TSV-Fanclubs „#PPU“, der Ping-Pong-Ultras, eingetroffen.

Teresa Aman (von links), Anna Schwarz und die Hygiene-Beauftragte Christiane Aman reinigen einen Eimer voller Bälle für deren Einsatz im nächsten Satz.
Foto: Rudi Dümpert | Teresa Aman (von links), Anna Schwarz und die Hygiene-Beauftragte Christiane Aman reinigen einen Eimer voller Bälle für deren Einsatz im nächsten Satz.

Und auch am Morgen danach herrschte unter Fans, Spielern und Betreuern noch gute Laune angesichts des unerwartet hohen Sieges, wobei für einen jungen Japaner das erste Heimspiel noch aus einem anderen Grund ein besonderes Erlebnis war: Head-Coach Koji Itagaki hatte seinen 15-jährigen Sohn Akito als Ersatzmann aufgestellt und zusammen mit dem Team einlaufen lassen.

Ein tolles Gefühl

„Das war schon ein tolles Gefühl“, erzählt der Realschüler am Morgen nach dem Spiel. Da war er schon wieder auf dem Weg zum Training. Obwohl kein Publikum in der Halle war, sei die Stimmung nicht gedrückt, sondern recht gut gewesen. Dass dann auch noch ein so klarer Sieg herausgesprungen ist, darüber freut sich Aktito Itagaki sehr, dem neben den tollen Leistungen der anderen Spieler vor allem die sehr gute Form von Lokalmatador Kilian Ort aufgefallen ist. „Mein Ziel ist es, irgendwann auch einmal in der Bundesligamannschaft zu spielen“, hofft der junge Japaner, der aktuell an Nummer vier der Zweiten Tischtennismannschaft des TSV aufschlägt.

Bald wieder Zuschauer?

Auf zufriedene Gesichter blickte nach dem von vielen in dieser Klarheit nicht erwarteten Heimsieg gegen Fulda Schlundhaus-Wirt Christian Fscher, dessen Wirtshaus schon seit über zehn Jahren so etwas wie das Mannschaftslokal der Tischtennisprofis ist, die dort eine Rundumversorgung genießen. Bei ihm frühstückten am Montagmorgen die beiden Spieler Bastian Steger und Filip Zeljko mit dem sportlichen Leiter Udo Braungart und TSV-Manager Andy Albert, bevor die beiden Profis sich wieder auf den Weg ins Trainingszentrum nach Düsseldorf oder nach Hause nach Zagreb machten.

Dass es ein Geisterspiel vor leeren Rängen war, ändert nichts an der eindrucksvollen sportlichen Vorstellung. „In der Deutlichkeit war der Sieg schon überraschend“, meinte Steger. Braungart drückte seine Hoffnung darüber aus, dass es das erste und letzte Heimspiel vor leeren Rängen gewesen sein könnte. „Wir werden beantragen, dass beim zweiten Heimspiel Ende des Monats wieder Zuschauer in die Halle dürfen.“

Toller Start in die Saison

Darauf hoffen auch die vielen Fans des Bundesligisten, darunter die Unternehmerin Karin Erhard, die auch eine von mehreren Hauptsponsoren ist. Sie hätte sich gewünscht, dass schon beim ersten Heimspiel Zuschauer dabei gewesen wären. „Wir müssen Corona ernst nehmen, aber wenn man sieht, was in anderen Bereichen schon wieder möglich ist, ist es für mich unverständlich, dass keine Zuschauer zugelassen wurden.“ Nichtsdestotrotz freue sie sich mit dem Team für den tollen Start in die neue Saison. Sie habe das Spiel wie viele Fans im Livestream mitverfolgt. „Mit der Atmosphäre in einer voll besetzten Halle kann man das aber natürlich nicht vergleichen.“

 
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