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WÜLFERSHAUSEN
„Tiere sind kein Industriegut“
Glückliche Kühe: Eine umfassende Betriebsbesichtigung gehörte zum Praxistag Öko-Landbau. Hier zeigen Karl-Heinrich und Sohn Balthasar Weber den Kuhstall mit Auslauf und Zugang zur Weide.
Foto: Vossenkaul | Glückliche Kühe: Eine umfassende Betriebsbesichtigung gehörte zum Praxistag Öko-Landbau. Hier zeigen Karl-Heinrich und Sohn Balthasar Weber den Kuhstall mit Auslauf und Zugang zur Weide.
Von unserer Mitarbeiterin Regina Vossenkaul
 |  aktualisiert: 11.12.2019 15:45 Uhr

Zu einem Praxistag „Öko-Landbau in Unterfranken“ hatte das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Würzburg zum nunmehr fünften Mal eingeladen – diesmal fand er auf dem 80 Hektar großen Bioland-Betrieb der Familie Weber in Wülfershausen statt. Die gut besuchte Veranstaltung sollte sowohl den konventionell als auch den ökologisch wirtschaftenden Landwirten sowie den Verbrauchern interessante Informationen zu aktuellen Themen bieten. Als besonderen Gast konnte AELF-Berater Bernhard Schwab, der durchs Programm begleitete, den Landwirt und Buchautor Felix Prinz zu Löwenstein begrüßen, bekannt durch sein Buch „Food Crash – wir werden uns ökologisch ernähren oder gar nicht mehr.“

Der Nachmittag begann auf dem Anwesen der Familie Weber mit einer Betriebsbesichtigung, bei der viele Fragen gestellt werden konnten. Die Milchviehhaltung im Laufstall mit Zugang zur Weide zeigte Karl-Heinrich Weber, er erläuterte auch die Besonderheiten der von ihm gehaltenen alten und vom Aussterben bedrohten Tierrassen wie Gelbvieh und Coburger Fuchsschafe. Das Verfahren „Kurzrasenweide“ stellte Tochter Anna Weber vor. Sie hat seit Beginn der Wachstumsperiode Messungen vorgenommen und sichergestellt, dass sich auf den Weiden nur so viele Kühe befinden, wie an Gras nachwächst. Seine Erfahrungen in 20 Jahren als Öko-Landwirt konnte Karlheinz Weber auch in die Diskussion einbringen, die nach dem Vortrag von Löwenstein folgte.

Der Buchautor, der in Südhessen Heil- und Gewürzkräuter anbaut, verwies in seinen Ausführungen zunächst auf die sieben Milliarden Menschen auf der Erde, davon leidet etwa eine Milliarde Hunger. Es sei aber falsch, den Schluss daraus zu ziehen, dass mit allen Mitteln die Produktivität auf den vorhandenen Ackerbauflächen gesteigert werden müsse. Vielmehr sollte ein Umdenken einsetzen: Rund die Hälfte aller erzeugten Lebensmittel werden in den Geschäften und beim Endverbraucher weggeworfen. Viel mehr Menschen könnten ernährt werden, wenn man weniger Tiere mästen würde (für die Erzeugung von einem Kilo Fleisch braucht man drei bis zehn Kilo Getreide). Der Boden sei kein „Substrat“ und die Tiere kein „Industriegut“, so Löwenstein, der sich für die artgerechte Haltung und angemessene Preise aussprach.

Angesichts der schwindenden Ressource Phosphat, Grundlage für den Mineraldünger, der Antibiotikaresistenzen, des Bienensterbens und des vielerorts durch Nitrat verunreinigten Grundwassers forderte der Referent ein „wissensbasiertes“ Umdenken, das keinesfalls den Rückschritt in vorindustrielle Zeiten bedeute. Der ressourcenschonende ökologische Landbau ist für ihn zukunftsweisend, allerdings sollten die Produkte in einem fairen Preis-Wettbewerb zu den konventionell angebauten Produkten stehen. „Wenn ein Huhn 2,99 Euro kostet, weiß man, dass dieser Preis nicht die ökologische Wahrheit widerspiegelt“, so Löwenstein.

An der nachfolgenden Diskussion beteiligten sich der stellvertretende BBV-Kreisobmann Willibald Mültner, Ludwig Geis (Vereinigung Landwirtschaftliche Fachbildung), Stefan Fella vom AELF Bad Neustadt, Karl-Heinrich Weber und Felix Prinz zu Löwenstein. Viele Fragen wurden angesprochen, eine genauere Lebensmittelkennzeichnung und bessere Rahmenbedingungen durch den Gesetzgeber wurden gefordert.

Der hier angebaute Mais wandere in die Biogasanlagen, dafür wird Soja als Tierfutter eingeführt, monierte ein Anwesender, das sei ökologisch unsinnig. Solange ungestraft Urwälder abgeholzt werden dürfen, um Soja anzubauen und bei uns billig zu verkaufen, werde sich an der Sachlage nichts ändern, stellte Löwenstein fest. Gefragt wurde, wer das Grundwasser besser schützt, der konventionelle oder der Bio-Bauer? Was man oben nicht draufschüttet (Nitrat, Spritzmittel, Antibiotika aus der Tierhaltung), könne unten auch nicht rauskommen, stellte Löwenstein fest. Die „Ökos“ machen nicht zwangsläufig alles richtig, aber der ökologische Landbau sei sicher besser für das Grundwasser. Man sollte die „Konventionellen“ nicht verteufeln, auch sie produzieren Nahrungsmittel nach bestem Wissen und Gewissen, hieß es unter anderem in der Diskussion.

Fazit der Teilnehmer: Vieles hänge von vernünftigen politischen Rahmenbedingungen ab, siehe Verbot der Käfighaltung oder Einführung der Transaktionssteuer, denn letztendlich entscheide sich vieles über den Preis. Was teuer ist, werde auch wertgeschätzt, hieß es. Der Verbraucher könne vieles über sein Konsumverhalten steuern, außerdem müsse für die Landwirte die Wirtschaftlichkeit gegeben sein.

 
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