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Ostheim
Thüringer Orgelsommer in Ostheim: Premiere für die schöne Italienerin
Strahlende Gesichter vor der kleinen Italienerin von links: Jörg Schindler-Schwabedissen, Leiter des Orgelbaumuseums Schloss Hanstein, Sopranistin Dorothea Gerber, Organist Andreas Conrad und Orgelbaumeister Christoph Schindler.
Foto: Brigitte Gbureck | Strahlende Gesichter vor der kleinen Italienerin von links: Jörg Schindler-Schwabedissen, Leiter des Orgelbaumuseums Schloss Hanstein, Sopranistin Dorothea Gerber, Organist Andreas Conrad und Orgelbaumeister ...
Brigitte Gbureck
 |  aktualisiert: 24.07.2020 02:10 Uhr

Eine stattliche Anzahl Liebhaber alter Orgelmusik hatte sich in der Markthalle im Schlösschen in Ostheim eingefunden, wo sie von Museumsleiter Jörg Schindler-Schwabedissen begrüßt wurden. Er war glücklich, dass sich zwei Künstler des Thüringer Sommers dafür zur Verfügung gestellt hatten. Anstelle des verhinderten 1. Bürgermeisters Steffen Malzer begrüßte seine Vertreterin Karina Werner die Freunde des Thüringer Orgelsommers. Sie wünschte trotz Corona eine gemütliche und hoffentlich akustisch klangvolle Inbetriebnahme der restaurierten Orgel. Die Stadt, in der es seit über 400 Jahren Orgelbauhandwerk gibt, sei stolz, das Orgelbaumuseum Schloss Hanstein zu haben. Es reiche nicht, nur ein Orgelbaumuseum einzurichten, viel wichtiger sei, es mit Leben zu erfüllen und mit Ideen und Ausstellungsstücken zu bereichern. Dieser Aufgabe widme sich der Trägerverein. Allen sei herzlich gedankt, besonders dem Vorsitzenden Christoph Schindler und Museumsleiter Jörg Schindler-Schwabedissen. Es werde mit Herz und Hand zusammengearbeitet, das merke natürlich auch der Museumsbesucher.

Sie persönlich habe die Orgel vor drei Wochen in der Werkstatt noch gesehen. Da konnte sie sich noch nicht vorstellen, dass die Orgel heute zumindest musikalisch zu sehen und zu hören sei, es wurde ein Meisterwerk vollbracht. Nach vielen Jahren des Aschenputteldaseins, das die Orgel geführt hat, werde sie nun der Bezeichnung als Königin der Instrumente gerecht werden und hoffentlich einen würdigen Platz im Museum bekommen. Für die Orgel und das Publikum sei es eine Premiere, die Besucher sollten die Klangversion der schönen Italienerin genießen.

Ein besonderes Musikerlebnis für die Besucher

Jörg Schindler-Schwabedissen meinte, dass es mindestens dreier Leute bedürfe, nämlich des Orgelbauers, des "Windmachers" und des Organisten Andreas Conrad, der der Orgel die ersten Töne beibringen würde. Dieser wollte dem Instrument, Baujahr 1843, italienische Musik von 1543 entlocken. Das erste Stück stammte von Giovanni Gabrieli aus Venedig, Organist an San Marco, das zweite Stück war eine Canzona Francese, ein sehr strenges Stück zum Thema eines französischen Chansons. Damals wurde viel Volksmusik aus dem Spätmittelalter bearbeitet. Flink und sicher glitten die Finger über die Tasten und bescherten ein besonderes Musikerlebnis. Körperliche Schwerarbeit musste derweil Christoph Schindler leisten, der mit beiden Händen abwechselnd die Windlade bewegte.

Orgelbauer verewigen sich normalerweise im Innern der Orgel, informierte Jörg Schindler-Schwabedissen. Das war auch bei der kleinen Italienerin so. Erbauer war Vincenzo Ragone aus Cava die Tirreni nordwestlich von Salermo an der Amalfiküste, fertiggestellt am 20. Juni 1843. Gebaut war das Instrument wohl für eine der Kirchen in dieser Gegend. Durch ein Erdbeben ist die Kirche, in der die Orgel stand, eingestürzt, es gab einen schweren Wassereinbruch. Die Orgel gelangte nach Deutschland und wurde Vater Schindler in den 90er Jahren angeboten. Er hatte den Ehrgeiz, das Instrument zum Klingen zu bringen, hatte es aber durch seinen frühen Tod nicht mehr geschafft. Die Orgel wurde von der Mutter 1998 an das Orgelbaumuseum verkauft und stand dort in der Ecke und wartete. 2018 zum 25. Jubiläum des Museums, gab es etliche Spenden für die Restaurierung.

Ausgezeichnete Akustik in der Markthalle

Zum Organisten gesellte sich nun die Sopranistin Dorothea Gerber, um italienische Kantaten zu singen. In der ersten Kantate werde eine wunderschöne Frau in einer poetischen Sprache beschrieben, kündigte die Künstlerin an. Ihre Stimme schwang sich dann mühelos in höchste Höhen, begünstigt auch durch die ausgezeichnete Akustik der Markthalle, einfühlsam begleitet von Andreas Conrad. Ein italienisches Programm könne nicht ohne den großen Meister der Spätrenaissance/des Frühbarock sein: Girolamo Frescobaldi. Damit brachte der Organist das "Lehrstücklein" von 1621 ins Spiel. Mit den zig Varianten zeigte er die Möglichkeiten des Instruments und ging voll in seinem Spiel auf.

Christoph Schindler erzählte dann etwas darüber, wie mit den teilweise zerbrechlichen Überresten der Orgel neues Leben eingehaucht wurde. In ein paar Schuhkartons wurden sie über die Alpen gefahren. In der Orgelbaufirma hätten sie sich sehr gewundert, wie sich dieses Puzzlespiel zusammenfügen ließ. Bruchstücke mit italienischen Würmern an Kastanienholz, die Holzpfeifen aus Nussbaum, was verwendbar war, wurde wieder eingebaut.

Aufwendige Restaurierungsarbeiten

Eine PowerPoint-Präsentation zeigte die aufwendigen Restaurierungsarbeiten auf. Und das Rätsel, was sich nämlich hinter dem kleinen Türchen links der Tastatur verbirgt, wurde aufgelöst: eine zwitschernde Nachtigall. Drei Pfeifen verkehrt herum im Wasser, das Wasser wird in Unruhe versetzt, dann fängt es an zu pfeifen – so einfach ist das. Und dann griff Andreas Conrad, Kantor in Schmalkalden, ein letztes Mal in die Tasten. "Unter Linden im Grünen" von Jan Pierterszoon Sweelinck hieß das Stück, in dem sich ein sich sehr verbundenes Pärchen im Park trifft, am Anfang noch relativ züchtig, den Rest überließ der Künstler der Phantasie. Zwischendurch zwitscherte die Nachtigall. Anhaltender Applaus galt ihm und der Sopranistin.

Jörg Schindler-Schwabedissen dankte abschließend allen, die dieses "Puzzle" zusammengesetzt haben, nämlich OBM Christoph Schindler, Dominik Schindler, Max Wedjelek, Satoshi Morita und Bernd Link. Vor der Markthalle wartete Kai Petersen, um die Gäste an diesem schönen Sommerabend mit italienischen Köstlichkeiten zu verwöhnen.

In der kleinen Italienerin von Vincenzo Ragone aus dem Jahr 1843 steckt eine Menge Arbeit. Kleine Spielerei: hinter dem Türchen links von der Tastatur befindet sich eine Nachtigall.
Foto: Brigitte Gbureck | In der kleinen Italienerin von Vincenzo Ragone aus dem Jahr 1843 steckt eine Menge Arbeit. Kleine Spielerei: hinter dem Türchen links von der Tastatur befindet sich eine Nachtigall.
 
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