
Achim Libischer, Rektor der Udo-Lindenberg-Mittelschule in Mellrichstadt, hat eine Vision: Er möchte aus Kindern Persönlichkeiten machen, die nach ihrem Schulabschluss mutig, weltoffen und stark ins Leben gehen. Dazu gehört unter anderem ein wertschätzendes Miteinander sowie gegenseitige Annahme und Unterstützung. Klingt gut? Ist es auch.
Doch wie bringt man Fünft- bis Zehntklässlern, die müde im Unterricht sitzen und weder Interesse am Satz des Pythagoras noch an deutscher Grammatik haben, diese Werte nahe? Libischer weiß, dass die besten Geschichten in der Pause erzählt werden. "Große Pause" heißt deshalb sein Theaterstück, das 91 Schülerinnen und Schüler gemeinsam an zwei Abenden auf die Bühne der Oskar-Herbig-Halle brachten. Ein Projekt, in dem der Pausenhof als Spiegelbild jugendlicher Wünsche, Träume und Hoffnungen fungiert.

Mobbing und vieles mehr
Hier geht es um Liebeskummer, Leistungsdruck, Enttäuschungen, Schönheitsideale, Versagensängste, Selbstzweifel, Mobbing und vieles mehr. Zwischen Englischunterricht und Matheaufgaben finden die Kids endlich Zeit, über das zu sprechen, was ihnen unter den Nägeln brennt. Jede der 14 Kurzgeschichten wirkte absolut authentisch, sorgte für Gänsehautmomente und berührte auf unterschiedliche Weise. Kein Wunder – schließlich beruhten sämtliche Storys auf einem wahren Kern.
René plant seine Karriere als Profifußballer beim FC Bayern, Mona träumt davon, Model zu werden. Leider mangelt es ihr an Disziplin, deshalb steckt sie sich ab und an den Finger in den Hals. Ihrer Freundin versichert sie, alles unter Kontrolle zu haben. Zwei Jungs würden gerne das große Geld beim Zocken machen, doch der Grundrechenarten sind sie nicht mächtig. Ben Beck alias Rapper "Big Mountain" reißt seine Fans vom Stuhl. Er strotzt vor Selbstbewusstsein. Auch Leon hat eine große Klappe. Ist er tatsächlich der böse Junge aus dem Heim? Nun, zumindest agiert Leon als Rädelsführer einer fiesen Mobbing-Attacke. Seit der ersten Klasse leidet Carsten unter diversen körperlichen und psychischen Angriffen der Schulkameraden. Die brennende Frage "Warum ich?" bleibt zunächst offen. Schnell wird deutlich, dass es nicht nur Schwarz oder Weiß, Gut oder Böse gibt. Wer ist Opfer, wer ist Täter?
Fest steht: Mobbing ist kein Kavaliersdelikt, wie der über Video eingespielte Song "Stoppt Mobbing" klarmachte. Im Original stammt dieser Clip von "Maiki" aus der Bb Radio Morgenshow und gehört zu einer bundesweiten Anti-Mobbing Kampagne. Nun wurde er neu auf die Udo-Lindenberg-Mittelschule zugeschnitten und unter anderem durch bekannte Gesichter wie Landrat Thomas Habermann, Bürgermeister Michael Kraus und Pfarrer Simon Dürr unterstützt.
Mohammed sitzt in einem Schlauchboot. Schmerzerfüllt erzählt er von seiner Flucht übers Mittelmeer. Schwester Fatima verschwand dabei spurlos, seither ist alles anders. Die Rufe der Mutter drangen Mohammeds Schilderungen zufolge bis auf den Grund des Ozeans. Albträume verfolgen ihn. Bilder aus Kriegsgebieten hinterlassen ein flaues Gefühl und werfen – frei nach Udo Lindenberg - die drängende Frage auf "Wozu sind Kriege da?"

Von wegen dummes Huhn. Hühner sind schlau und Hahn Emil kann sogar rechnen, weiß Tierfreundin Leonie. Der Gockel hatte Glück, er entkam dank ihrer Hilfe dem Suppentopf. Fast wie nebenbei wird in dieser Szene Kritik an Legebatterien und Massentierhaltung geübt.
Doch es gab auch leichte Kost. Erste, ungelenke Annäherungsversuche zwischen den Geschlechtern und Teenie-Schwärmereien sorgten für Heiterkeit.

"Gemeinsam ist besser als einsam", eine Hymne auf das Miteinander, ließ die Füße im Takt wippen. "Ich glaub’ an dich, glaubst du an mich, gib mir deine Hand, ich halt dich fest" erzeugte Hoffnung.
Pfiffige Pointen wechseln sich ab mit tiefgreifenden Botschaften, in der "Großen Pause" wird gesungen, gelacht, geweint, gestritten und um die Gunst anderer gebuhlt – eben ganz so wie im richtigen Schülerleben.

Laut Achim Libischer habe man Momente kreiert, in denen die Kids jahrgangsübergreifend zusammenkamen. Selbst am Freitagnachmittag opferten sie ihre Freizeit, um mit Sindy Hofmann, Nadine Büttner und Thea-Martina Seidel zu proben. Die Arbeit hat sich gelohnt. Libischers Ruf "Ich bin mega stolz auf euch" ging im Schlussapplaus unter.
Ein wertvoller Beitrag
Schulamtsdirektor Karl-Heinz Deublein und Schulrätin Inga Palma saßen in der ersten Reihe und wirkten sichtlich beeindruckt. "Welch tolle Darstellung, was für ein wertvoller Beitrag", betonten beide auf Rückfrage. Dieses Theaterstück zeige, wie Mittelschule begeistern könne, lobten sie.
Als "grandios und sehr authentisch" betitelte Landrat Thomas Habermann die Darstellung der jugendlichen Akteure. Sein Dank ging an alle Beteiligten vor, auf und hinter der Bühne. Dieses gelungene Gesamtkunstwerk sei ein Beweis dafür, was man schaffen könne, wenn Lehrkräfte, Eltern und Schüler sich mit ihrer Schule identifizieren, so der Landkreischef.
