Es ist alles andere als ein leichter Stoff, den sich das Theaterensemble des Rhön-Gymnasiums für seine neueste Inszenierung vorgenommen hat. Die Chronik des Valentin Herr aus den Jahren 1631 bis 1634. Geschrieben hatte der Bürgermeister dieses Werk rückblickend auf die Zeit des Dreißigjährigen Krieges in Neustadt an der Saale. Mit einem großen Ensemble, Orchester und einer opulenten Technik hat Matthias Eichele die Kriegschronik, die sich im Stadtarchiv erhalten hat, auf die Bühne gebracht.
Hungersnöte und Stockschläge, eine marode Stadtkasse und abgeschlagene Hände. Schultheater geht meist einfachere Wege. Matthias Eichele und sein Ensemble aber nicht. Der für seine mächtigen Inszenierungen bekannte Lehrer des Rhön-Gymnasiums hat es auch diesmal wieder geschafft, eine große Zahl an Begeisterten für den historischen Stoff zusammenzutun, die Kriegschronik ins heutige Deutsch zu übersetzen und auf die Bühne zu bringen. Denn an dem überaus wichtigen und lange im Stadtarchiv verschollenen und jüngst restaurierten Werk wollte das Theaterensemble nicht achtlos vorbeigehen. Sind sie auch nicht, ganz im Gegenteil.
Chronik von Valentin Herr als wertvolles und seltenes Stück
Kriegschroniken aus dem Dreißigjährigen Krieg sind überaus selten. Umso bedeutsamer ist die Chronik des Amtsmannes und späteren Bürgermeisters Valentin Herr aus Neustadt an der Saale, die dieser nach den grausamen Kriegsereignissen wohl im Jahre 1651 zusammengeschrieben hat. Und die Stadtarchivar Thomas Künzl hinter sicherem Glas verborgen dem staunenden Publikum in der Stadthalle präsentiert.
Valentin Herr (Elias Braune) lässt im Ornat des Bürgermeisters das Publikum samt seiner Töchter Ännchen (Anne Mäckler) und seinem Mündel Lena (Marlene Ziegner) daran teilhaben, warum er sich die Mühe einer solchen Aufzeichnung gemacht hat. Um der Nachwelt von der Grausamkeit dieser Zeit zu berichten und zu mahnen, dass so etwas nie wieder passieren darf. Denn passiert sind eine Menge grausiger Dinge in der Zeit von 1631 bis 1634. "Vier Jahre hatten wir die Schweden an der Backe", stöhnt Herr in der Rückblende.
Matthias Eichele wechselt gemeinsam mit seinen Co-Regisseurinnen Natalie Demling und Sarah Nohedi die Zeiten auf der Bühne hin und her. Mal blickt Valentin Herr schreibend am Tisch auf die Ereignisse zurück, mal werden die historischen Versatzstücke auf der Bühne Realität, mal müht sich gar die Restauratorin (Katja Plendl), den Bericht über ihre Arbeit an dem historischen Dokument Valentin Herrs in ihr Smartphone zu diktieren. Muss die Handlung gar zu sehr gerafft werden, stehen zudem die großartig aufspielenden Pantomimen bereit, die Ereignisse in einfachen Bildern und Bewegungen auszudrücken.
Schweden forderten immensen Tribut
Die Musik des kleinen Orchesters tut das ihre, die Wirkung des Theaterstücks zu verstärken. Mit Musik von Carl Maria von Weber ebenso wie von Philipp Friedrich Buchner (1614-1669), der zur Zeit Valentin Herrs Würzburger Kapellmeister war. Und so nehmen die Ereignisse auf der Bühne ihren Lauf.
Die Schweden kommen nach Neustadt an der Saale, fordern immensen Tribut, schikanieren, peinigen die Neustädter und plündern sie maßlos aus. Und wäre all das nicht schlimm genug, überwirft sich Valentin Herr auch noch mit seiner Tochter Klara (Eva Härter). Auf eine Hiobsbotschaft folgt die nächste, der grausame Schwede Vischga (Klara Büttner) wütet in der Stadt am schlimmsten. Doch mit seinem Ende ist auch das Ende der schwedischen Besatzung gekommen, die Valentin Herr beschreibt und die das Theaterensemble in kurzweiligen Bildern und Szenen in einem fantastischen Bühnenbild aus Holzlatten und Plastikfolien zeigt. Das ganze Stück wirkt so wie aus einem Guss.
Keine Sekunde der knapp dreistündigen Inszenierung ist zu viel, kein Regieeinfall – fabelhaft: Eine Bestrafung auf dem Rad wird in einen Auftritt mit dem Rhönrad umgemünzt – schießt über das Ziel hinaus. Das Theaterensemble hat es unter Matthias Eicheles Regie geschafft, den historisch schwierigen Text aus einer schlimmen Zeit gekonnt und spannend auf die Bühne zu bringen. Valentin Herrs Forderung nach einem Bier im letzten Bild steht symbolisch für den Lohn aller Mitwirkenden an diesem eindrücklichen und lange nachwirkenden Theaterabend.