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Bad Neustadt
Süße Versuchung: Zur Geschichte von beliebtem Advents- und Weihnachtsgebäck
Bernd Heim
 |  aktualisiert: 04.08.2022 11:29 Uhr

Sie duften nach exotischen Gewürzen und gehören zur Advents- und Weihnachtszeit: Stollen, Spekulatius, Lebkuchen sowie vielerlei Plätzchen. Wie der Verfasser dieses Beitrages feststellen konnte, ist ein Teil dieser traditionsreichen und beliebten Backwaren älter als das Weihnachtsfest selbst. Dazu ein kleiner Blick zurück: Im Mittelalter, vermutlich ab dem 4. Jahrhundert, wurde auf Anordnung der römisch-katholischen Kirche im Advent noch gefastet statt geschlemmt. Der 11. November (Martinstag) markierte das Ende des Erntejahres und den Beginn der Fastenzeit, die damals den 24. Dezember (Heiliger Abend) mit einschloss.

Damit dauerte einst die Fastenzeit vor Weihnachten gleich lang wie die vor Ostern, jeweils ganze 40 Tage. Und davor nutzte man aber noch einmal die Gelegenheit, es sich - wenn nur irgendwie möglich - gut gehen zu lassen, tischte am Martinstag einen deftigen Gänse- oder Entenbraten auf und verbrauchte die Lebensmittel, die während der Fastenzeit dann tabu waren. Im 6. Jahrhundert wurde auf päpstliche Weisung die Adventszeit schließlich auf vier Wochen verkürzt.   

Manches älter als das Weihnachtsfest selbst

Unseren heute gängigen Keksen und Plätzchen ähnelndes Backwerk gab es schon in vorchristlicher Zeit, als die Menschen noch nicht Weihnachten, sondern die Wintersonnenwende feierten und ihre Naturgötter mit Opfergaben in Form von Fladenbroten gnädig stimmen wollten. Diese bestanden damals aus zermahlenen Getreidekörnern und Honig; später bildete man auch Tiere aus Teig nach und opferte diese anstelle der eigenen.

Das könnte auch der Grund dafür sein, warum sich heute noch viele Tierformen unter den Keks- bzw. Plätzchenausstechern finden. Das Christentum übernahm diesen Brauch, wobei aus dem Opferbrot schließlich das Weihnachtsbrot - der Christstollen - wurde. Wegen seiner kostspieligen Zutaten war der Stollen anfangs den Reichen vorbehalten, während die kleineren Kekse auch für die ärmere Gesellschaft leistbar waren. Im Duden taucht das Wort "Kekse" übrigens im Jahr 1919 zum ersten Mal auf. Es leitet sich vom englischen Wort "cake", also Kuchen, ab, während die Bezeichnung Plätzchen die Verkleinerung von "Platz" ist, was so viel wie "flach geformter Kuchen" bedeutet.

Brotförmiger Kuchen aus schwerem Teig

Der Stollen ist ein brotförmiger Kuchen aus schwerem, fettreichen Hefe-Feinteig mit Fett und Trockenfrüchten oder anderen Füllungen wie etwa Marzipan oder Mohn. Sein Name ist vom althochdeutschen Wort "stollo" = Pfosten, Stütze hergeleitet. Allgemein werden Stollen heutzutage ganzjährig produziert, traditionell aber in der Advents- und Weihnachtszeit häufiger hergestellt und verzehrt. Als ältestes schriftliches Vorkommen des Wortes "Stollen" für ein weihnachtliches Gebäck gilt seine Erwähnung in einem Innungsprivileg Heinrichs von Grünberg, der von 1316 bis 1335 Bischof von Naumburg war, für die Gründung der Bäckerinnung in dieser Stadt.

Der damalige Christstollen sollte optisch an das in weiße Leinentücher gewickelte Jesuskind erinnern. Jedoch muss er zu der Zeit auch ähnlich aufregend wie ein Stoffballen geschmeckt haben, bestand er doch lediglich aus Mehl, Öl und Wasser. Im 14. Jahrhundert war dies eine luxuriöse Weihnachtsverpflegung und galt auch noch als Fastengebäck. Dieses wenig schmackhafte Sinnbild für das in Windeln gewickelte Christkind führte zur Forderung nach Aufhebung des Butterbackverbots in der vorweihnachtlichen Fastenzeit.

Über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt

Erst der sogenannte "Butterbrief" von Papst Innozenz VIII. aus dem Jahr 1491 an Kurfürst Ernst von Sachsen, der Butter statt Öl als Zutat erlaubte, sowie der florierende Handel mit Gewürzen katapultierte den Stollen geschmacklich in neue Sphären und machte das wahrscheinlich älteste Weihnachtsgebäck auch über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt. In der Folge wurde der Stollen zu einem gehaltvollen, meist länglich und flach geformten Gebäck aus süßem Hefeteig mit weiteren, je nach Tradition variierenden Zutaten, das meist mit Puderzucker bestreut oder mit einer Zuckerglasur überzogen wird. Zumeist ist er ein Rosinenstollen, der 60 bis 100 Teile Sultaninen, 10 bis 20 Teile Zitronat und Orangeat sowie 20 bis 40 Teile Mandeln enthält. Neben dieser Grundform des Stollens gibt es derzeit noch sechs weitere Varianten, wobei die Grundanforderung von 30 Teilen Fett für alle bis auf Butterstollen (mindestens 40 Teile Butter) und Quarkstollen (mindestens 20 Teile Butter) gilt; Rosinen, Zitronat und Orangeat sind auch bei Marzipan-/Persipan-, Nuss- und Butterstollen üblich.

Spekulatius ist ein typisches Weihnachtsgebäck

Auch Spekulatius ist ein typisches Weihnachtsgebäck. Erstmals im 18. Jahrhundert in Holland, Belgien und dem Rheinland hergestellt, fehlt er kaum auf einem bunten Weihnachtsteller. Das Gebäck aus würzigem Mürbeteig verdankt seinen Namen dem Kirchenheiligen Nikolaus, der um das Jahr 450 lebte, Bischof in Tours wurde und dessen Beiname "speculator" die lateinische Bezeichnung für Bischof (in Latein "der Schauende", "Aufseher" und "Behüter") ist. Und der Spekulatius wird in Reliefformen ausgestochen, die meist Bilder aus der Nikolauslegende darstellen sollen. Das Butter-Mandel-Gebäck aus Mürbeteig bekommt durch Kardamom, Gewürznelken und Zimt sein typisches Aroma. Der Teig wird vor dem Backen durch eine Form (Model) aus Holz oder Metall mit einem Motiv versehen. Die Abbildungen auf dem Gebäck stellen traditionell die Nikolausgeschichte dar, die durch Sortieren der Stücke anhand der Abbildungen erzählt werden konnte und darüber hinaus weitere Motive wie Tiere oder Schiffe enthielten.

Die Herstellung war aufgrund der hohen Gewürzpreise bis nach dem Zweiten Weltkrieg recht teuer und das Gebäck für die breite Bevölkerung nicht immer erschwinglich, hatte den Ruf einer exotischen und wertvollen Spezialität. Heute wird es industriell in verschiedenen Qualitätsstufen hergestellt, das Gebäck ist typischerweise plattenförmig, rechteckig und platzsparend stapelbar. Die bekannteste Variante ist der Gewürzspekulatius, der auf kräftige winterliche Aromen setzt, hingegen der Mandelspekulatius mit Mandelmehl und -splittern sowie der Butterspekulatius etwas dezenter gewürzt sind.

Gewürze aus Indien und China eingeführt

Lebkuchen gibt es bereits seit dem 13. Jahrhundert in Deutschland und hatten ursprünglich nichts mit Weihnachten zu tun. Erfunden worden sind sie allerdings weder in Nürnberg noch in Aachen. Ihre Vorgänger nämlich waren die "Honigkuchen". Diese gab es schon vor Jahrtausenden im Orient und später zur römischen Kaiserzeit. Honigkuchen hatten bereits die alten Ägypter und Griechen gebacken. Den Honig hielten sie für eine Gabe der Götter und weitere Gewürze für das Gebäck bezogen sie ab 2000 vor unserer Zeitrechnung von den Phöniziern, die diese aus Indien und China einführten und im Mittelmeerraum handelten.

Die Honigkuchen waren damals ein Geschenk für Arme, für Kinder, von Untertanen für ihre Grundherren oder hochgestellte Würdenträger. Die Lebkuchen - das Wort stammt vermutlich vom lateinischen "libum" = Fladen bzw. Opferkuchen oder vom germanischen "laib" = ungesäuertes Brot - in heutiger Form sind ebenfalls in Belgien erfunden worden, wo man das mit Honig gesüßte Gebäck unter anderem noch mit Anis, Koriander, Ingwer und Muskat würzte. Von Nonnen und Mönchen in fränkischen Klöstern weiter modifiziert - den Honig besaß man ja entweder durch eigene Bienenhaltung oder durch die Abgaben zinspflichtiger Bauern - wurden die Lebkuchen insbesondere auch wegen ihrer Nahrhaftigkeit geschätzt. Würzige Oblaten-Lebkuchen galten während der Fastenzeit als Zubrot zum Starkbier. Weil übrigens im Mittelalter alle fremdländischen Gewürze den Sammelnamen "Pfeffer" trugen, wurde dieses Gebäck 1296 erstmals in Ulm auch als "Pfefferkuchen" bezeichnet, diente in Notzeiten auch als Armenspeisung. Durch Fuhr- und Kaufleute gelangten Kostproben der lange haltbaren Dauerbackware nach Nürnberg und die dortigen Bäcker verfeinerten das klösterliche Erzeugnis unter anderem mit Zimt, Kakao, Kardamom und Nelkenpulver.

Lebkuchen enthalten keine Hefe

Allgemein zeichnet sich Lebkuchen dadurch aus, dass er keine Hefe enthält. Stattdessen kommt als Triebmittel Hischhornsalz oder Pottasche zum Einsatz. Je mehr Mandeln und Nüsse im Lebkuchen stecken, desto hochwertiger sind sie. Zur Premiumkategorie zählen die Elisenlebkuchen, die mindestens zu 25 Prozent aus Mandeln, Hasel- oder Walnüssen bestehen, der Mehlanteil ist dagegen auf höchstens zehn Prozent beschränkt. Der Legende nach haben Elisenlebkuchen ihren Namen von einer Nürnberger Lebküchner-Tochter namens Elisabeth bekommen. Als diese schwer erkrankte und kein Arzt mehr half, stellte der Vater für sie einen ganz besonderen Gebäcktaler ausschließlich mit besten Zutaten her. Und tatsächlich soll Elisabeth nach dessen Verzehr wieder zu Kräften gekommen sein und wurde gesund.

Erst im Zeitraum des Dreißigjährigen Krieges und kurz danach wurden die Pfeffer- bzw. Lebkuchen schließlich zum typischen Advents- und Weihnachtsgebäck. Und die Gebrüder Grimm waren es, die in ihrem Wörterbuch "Lebkuchen" von "libum" abgeleitet haben - den Begriff hatten die lateinisch sprechenden und schreibenden Mönche und Nonnen von den Römern importiert. Das Wort "Lebekuoche" = Lebkuchen selbst tauchte erstmals im Jahr 1409 auf. Und bei den Altvorderen gab es einst auch die Sitte, sich unter Nachbarn zu Neujahr nicht bloß gegenseitig Glück zu wünschen, sondern dabei  vielfach ein "Lebenskuchen"-Backwerk als Symbol von Lebenskraft zu schenken. Auch davon soll sich der Lebkuchenname herleiten. Und heutzutage sind Lebkuchen mit vielfältigen Zutaten - ob mit Apfel, Birne, Zwetschgenkompott oder Schokolade - gängig, sind der Vielfalt kaum Grenzen gesetzt. Auch lassen sich die braunen "Honigkuchen" schließlich auch gut zu einem Lebkuchenhaus zusammenfügen, einem essbaren Schmuck für die gesamte Advents- und Weihnachtszeit.

 
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