
Und sie folgten dem Stern“, heißt es, wenn von den Heiligen drei Königen berichtet wird, die sich auf die Suche machten, um dem neugeborenen Jesuskind zu huldigen. Zu dem abgelegenen Stall im abgelegenen Bethlehem habe sie ein hell leuchtender Stern geführt, so steht es im Matthäus-Evangelium. Ob sie den Stall zweitausend Jahre später noch gefunden hätten, ist fraglich. Strahlen doch in unseren Städten und Dörfern derzeit wieder Tausende elektrischer Weihnachtssterne. Straßenlaternen oder Neonreklamen kommen hinzu und sie alle „verschmutzen“ den Himmel mit ihrem Streulicht. Den Stern von Bethlehem würde man vielleicht gar nicht mehr sehen.
In der Rhön vielleicht aber doch. Denn hier wird eines unternommen, die Sicht auf unseren Sternenhimmel wieder zu ermöglichen. Tragende Kraft ist Sabine Frank. Sie war Initiatorin für eine Aktion, aus der inzwischen der „Sternenpark Rhön“ geworden ist.
Wie kam es dazu? „Plötzlich war der Steinbock weg. Verdeckt von einem Schleier aus orangefarbenem Licht“, erinnert sich Frank. Sie war geschockt, als sie auf einer Sternen-Tour in der Rhön feststellte, dass der Steinbock, ein Sternbild, das sie ihren Sternenguckern immer präsentieren konnte, verschwunden war.
Der Grund: Eine neue Firma hatte neue Leuchten in einem Gewerbegebiet installiert und damit den Blick in den Himmel getrübt. Spätestens seit diesem Augenblick war ihr klar: „Mit Licht wird idiotisch umgegangen.“ Die Idee für den „Sternenpark Rhön“ war geboren.
Aus der Idee erwuchs der Sternenpark, den inzwischen ein eigener Verein unterstützt. Mit diesem Verein sollen die Rhöner „ihren“ Sternenhimmel mitgestalten können. Und zwar nicht nur, damit Hobby-Astronomen die Sterne besser sehen können. „Es spricht nichts dafür, in Zeiten der Energiewende Licht zu verschwenden“, sagt Sabine Frank. Sie ist die Koordinatorin des Sternenparks Rhön.
Die 44-Jährige nennt es einen „romantischen Naturschutz“, den sie von Fulda aus betreibt. Sie reist in Kommunen der drei Rhöner Bundesländer. In Münnerstadt, Wildflecken oder Sandberg wirbt sie für Leuchten und Lichter, mit denen die Nacht Nacht bleibt. Das Ziel: Die Rettung der Rhöner Nacht.
Nicht in vielen Regionen Deutschlands sieht man so viel von der Nacht wie in der Rhön. Die „International Dark Sky Association“ (IDA) hat das Gebiet im Biosphärenreservat Rhön deshalb im Sommer 2014 als Sternenpark anerkannt. Der Verein will ihn jetzt mit Leben füllen. Aber warum ist der Nachthimmel überhaupt in Gefahr? Lichtverschmutzung heißt die Ursache dafür, dass die Sterne an manchen Stellen unsichtbar bleiben.
Ein schummriger Dunst aus Licht hängt über den Ortschaften und schirmt den Blick auf den Sternenhimmel ab. Der Grund: Laternen richten ihr Licht nicht nur dorthin, wo es gebraucht wird. Es streut überall hin. Die Nacht wird zu hell. Das irritiert nachtaktive Tiere: Fledermäuse, Vögel und Insekten geraten durcheinander, das Licht stört ihre Wahrnehmung. Nachtaktive Pflanzen werden in die Irre geführt, weil es ihnen nicht dunkel genug ist.
Auch der Mensch kann auf zuviel künstliches Licht in der Nacht mit Problemen reagieren. Schlafstörungen und ein erhöhtes Krankheitsrisiko drohen. Kommunen denken um und verpflichten sich, eine nachhaltige Beleuchtung in der Gemeinde zu installieren. Die Umrüstung läuft nicht innerhalb von ein, zwei Jahren, aber sie läuft. Und das sorgt für einen weiteren Effekt, meint Waldemar Bug (ÖDP), Bürgermeister der Marktgemeinde Burkardroth.
„Die Menschen aus der Stadt sehnen sich nach Dunkelheit“, sagt Waldemar Bug. Die Umstellung des Lichts und der Leuchten auf den Straßen, in den Wohnhäusern und Gewerbegebieten wirke sich außerdem gut auf den Tourismus aus, meint er. Vor allem aber profitiere die Bevölkerung vor Ort: „Es geht um die Gesundheit. Der Mensch braucht die Dunkelphasen.“ Leuchte für Leuchte wird in der Gemeinde ersetzt. Wenn alte ausgetauscht oder neue Straßen ausgestattet werden, schafft Burkardroth nur noch „sternenpark-geeignete“ Lampen an.
Vor gut einem Jahr war Sabine Frank in der Gemeinde und trug ihr Konzept vom Schutz der Nacht vor. Die neuen LEDs, die heute in Burkardroths Straßen leuchten, strahlen konkreter, sagt Waldemar Bug. Die Lichtfarbe sei gut und in der Anschaffung mache es keinen Unterschied.
Dass die Umstellung auf LED-Beleuchtung auch wirtschaftlich interessant ist, belegt das Beispiel Oberelsbach. Hier wurde 2014 die gesamte Ortsbeleuchtung der fünf Ortsteile auf diese Art der Beleuchtung umgestellt. Mehr als 80 Prozent Energie wird seither eingespart und damit weit mehr als Zins und Tilgung kosten. In nur etwa sieben Jahren dürften diese Einsparungen die Investitionskosten ausgeglichen haben. Und die Ausleuchtung der Straßen und Wege hat sich wesentlich verbessert, betont zum Beispiel Michael Geier, Leiter der bayerischen Biosphärenreservatsverwaltung.
So werden auch Bewohner und Firmen aufgefordert, dem Vorbild der Gemeinde zu folgen. Genau da soll auch der Verein Sternenpark Rhön ansetzen. „Ein Verein kann nachdrücklicher sein“, sagt Sabine Frank. Außerdem sind die Mitglieder des Sternenparks Biosphärenreservat Rhön vor Ort und haben mehr Einblick als eine Koordinatorin allein, meint sie. In dem Verein haben sich Hobby-Astronomen, Sternenführer und Naturschützer organisiert. Sie wollen die Sterne für die Menschen nicht nur sichtbar, sondern erlebbar machen.
Auf der Hohen Geba hat der Verein eine Beobachtungsplattform angelegt. Beste Voraussetzungen für einen Blick durchs Teleskop oder für Fotoaufnahmen. Schüler, Wanderer, Besucher, Touristen und Einheimische sollen gleichermaßen profitieren. „Die Menschen können eine neue Seite ihrer Heimat kennenlernen“, sagt Gudrun Schwegler, Vorsitzende des Vereins Sternenpark Rhön. Auch in den Schwarzen Bergen soll es bald so einen „Sternen-Guck-Stützpunkt“ geben.
Außerdem will die Gruppe ein Bildungskonzept für Schulklassen ausarbeiten. Ausstellungen, Führungen und passendes Schulmaterial stellt sich Schwegler vor. Dass dem Sternenpark jetzt ein Verein zur Seite steht, erleichtert Sabine Frank. Sie ist Initiatorin, Mitglied, aber als Koordinatorin des Sternenparks nicht stimmberechtigt. Für den Verein spricht vor allem: Er kann Fördermittel beantragen. „Und die Mitglieder können den Gedanken weitertragen“, sagt Sabine Frank. Für den Schutz der Nacht. Und dafür, dass der Steinbock am Himmel bald wieder auftaucht.
Weitere Informationen
Für Interessierte am Sternenpark Rhön finden sich Informationen im Internet unter www.sternenpark-rhoen.de oder in einem jüngst erschienenen Buch von Dr. Mathias R. Schmidt und Sabine Frank: „Sternenpark Rhön. Warum der Schutz der Nacht Menschen und Natur so gut tut.“ (Parzellers Buchverlag, Fulda, 2015. 140 Seiten mit zahlreichen Illustrationen, 9,95 Euro.)