Hier die kleine Seele eines Menschen, dort ein großer Kontinent, den man für sein Seelenheil oder wenigstens das Heil der katholischen Kirche durchqueren muss: Pilgerwege sind beeindruckende Zeugen der Glaubensgeschichte, ein Band, das Landschaften, Menschen und Kulturen zusammenhält. Das Kleine gerät in Verbindung mit dem Großen. Ein europäischer Geist weht plötzlich bis in weltabgeschiedene Winkel.
Auch dann beeindrucken diese Wege, wenn sie fast in Vergessenheit geraten sind wie der Pilgerweg des Abtes Albert von Stade. Doch der wird derzeit wieder zum Leben erweckt, und einen guten Anteil daran hat der Stettener Jochen Heinke. Als Autor von Fachbüchern zum Thema Radfahren und Mountainbiken in der Region hat er sich einen Namen gemacht, seit einigen Jahren interessiert er sich auch für alte Handelswege. Der Weg war nicht weit zum Thema Pilgerwege, zumal er mit der „Via Romea“ einen historischen Pilgerweg vor der Haustüre hat.
Im Jahr 1236 reiste der Abt Albert von Stade an der Elbe in Niedersachsen nach Rom. Anders als die meisten Rompilger notierte er sich alle Stationen seiner Reise. Die Initiatoren der Wiederentdeckung des alten Pilgerweges sind der italienische Ethnologe Giovanni Caselli und der deutsche Pfarrer Uwe Schott. Aufgrund ihrer Initiative gründet sich Anfang 2009 der Förderverein „Romweg Abt Albert von Stade“. Dass der historische Weg Rhön-Grabfeld und Teile Unterfrankens kreuzt, ist nachgerade ein Geschenk für die Region, die touristisch profitieren kann.
Vier Jahre Arbeit
Vier Jahre hat der Stettener Jochen Heinke damit zugebracht, den süddeutschen Abschnitt der Pilgerroute zu bearbeiten, das sind immerhin 675 Kilometer von Gotha über Meiningen nach Mellrichstadt, Bad Neustadt, Münnerstadt und Würzburg und weiter über Rothenburg nach Landsberg bis nach Innsbruck. „Man studiert erstmal vorhandene Karten, um bestehende Wege zu nutzen“, erklärt Heinke. Denn noch einmal neue Wanderwege auszuschildern, sei kaum gerechtfertigt. In den letzten Monaten ist der passionierte Radfahrer dann die Strecke abgefahren, hat sich Notizen gemacht, Fotos von der Strecke geschossen und zu einem 140-seitigen Buch verarbeitet.
Die eine oder andere Kuriosität ist ihm dabei aufgefallen. So fand er keinen offiziellen Wanderweg, der von Mellrichstadt nach Bad Neustadt führt, was mit der Ausschilderung der „Via Romea“ im Streutal aber abgeschafft ist. Mit Heinkes neuem Buch endet aber nicht der Pilgerweg in Innsbruck. Denn sein Autorenkollege Ferdinand Treml hat im Tyrolia-Verlag einen Führer veröffentlicht, der die Via Romea von Innsbruck über die Brennerroute, Padua und Assis nach Rom verbindet.
Auch für Radfahrer geeignet
„Beachtlich an den Aufzeichnungen des Abtes ist, dass darin viele Städte hier ihre Ersterwähnung finden“, sagt Heinke. Bad Neustadt zum Beispiel hat der Abt nur wenige Jahre nach seiner Erhebung zur Stadt im Jahr 1232 besucht.
Seit einigen Jahren gibt es einen Förderverein, der sich um die Erforschung und Revitalisierung des Romwegs von Abt Albert von Stade kümmert, ganz aktuell findet derzeit eine Pilgerwanderung von Stade bis nach Innsbruck statt.
„Es ist ein Weg, an dem sich kulturhistorisch bedeutende Städte und Bauten sowie spirituelle Stätten wie Perlen auf der Schnur reihen“, findet der Autor, der 120 Fotomotive und 22 Übersichtskarten in sein Buch eingearbeitet hat. Dazu kommt noch ein umfangreicher Anhang mit Einkehr- und Übernachtungsmöglichkeiten. „Als passioniertem Radfahrer war es für mich natürlich von Interesse, ob man die Via Romea auch per pedales zurücklegen kann“, sagt Heinke. Also gibt es immer auch Hinweise für Fahrrad-Pilger in seinem neuesten Buch, das im Selbstverlag erschienen ist.
Und weil die alte Tradition des Pilgerns vor der Moderne nicht zurückschreckt, sind die Touren auch als GPS-Routen kostenlos im Internet erhältlich.
Jochen Heinke: Der mittelalterliche Pilgerweg nach Rom. Unterwegs auf der Via Romea vom Thüringer Wald zu den Alpen. 140 S., 120 Bilder, 22 Karten; 18 Euro. ISBN: 978-3-00-042178-5
Das Buch ist unter anderem in der Druckerei Mack, Mellrichstadt, und bei Papier Schmitt, Bad Neustadt, erhältlich.
Via Romea – Die ersten Pilger zu Gast in Mellrichstadt und Bad Neustadt
Am 22. Juni ist in Stade die Deutschlandwanderung auf der „Via Romea“ gestartet. Dabei wird ein Pilgerstab über insgesamt 43 Etappen quer durch Deutschland bis zur Ankunft am 3. August in Mittenwald am Alpenrand geführt. Am 10. und 11. Juli werden die Pilger nun in Mellrichstadt und Bad Neustadt erwartet.
In Mellrichstadt wird die Pilgerwandergruppe aus Meiningen am Mittwoch, 10. Juli, gegen Nachmittag erwartet und im Schlosshof von Bürgermeister Eberhard Streit sowie einer Abordnung des Rhönklub-Zweigvereins Mellrichstadt begrüßt. Alle Wanderfreunde in und um Mellrichstadt sind eingeladen, dieses Teilstück mitzugehen. Treffpunkt ist am Marktplatz. Nach einer kurzen Ansprache und kirchlichem Segen geht es um 9 Uhr los. Pilgerführer ist eine Abordnung des Rhönklubs Mellrichstadt. Der Rücktransfer erfolgt am Nachmittag mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Eine Einkehr unterwegs ist nicht vorgesehen (Rucksackverpflegung). Informationen hierzu beim Aktiven Mellrichstadt, Tel. (0 97 76) 92 41.
Am Freitag, 12. Juli, wird dann das Teilstück von Bad Neustadt über Strahlungen nach Münnerstadt angegangen. Hier ist der Treffpunkt für alle Teilnehmer um 9 Uhr am Rathaus. Bürgermeister Bruno Altrichter wird die Pilger und Wanderfreunde nach dem kirchlichen Segen durch die Dekane Andreas Krefft und Matthias Büttner verabschieden. In Strahlungen ist eine Einkehr vorgesehen. Am Nachmittag erfolgt die Rückfahrt mit der Bahn von Münnerstadt nach Bad Neustadt. Es wäre schön, wenn sich In Mellrichstadt und Bad Neustadt große Gruppen zusammenfinden und die Teiletappen von Mellrichstadt nach Bad Neustadt und nach Münnerstadt mitpilgern. Informationen bei der Stadtverwaltung Bad Neustadt, Tel.(0 97 71) 91 06 10 3.