Musik und Gesang drang aus der hell erleuchteten Wirtsstube des Gasthofs Zum Mühlengrund und Wirtin Marianne Rauh strahlte, ihre jährliche Spinnstube war auch in diesem Jahr wieder ein voller Erfolg. Seit 2001 lädt Marianne Rauh am letzten Samstag im Januar zur Spinnstube ein. Werbung muss sie für diesen Abend keine machen, die Gäste wissen Bescheid und kommen gern, um den Abend zu genießen und sich aktiv zu beteiligen.
An erster Stelle wären da natürlich die Frauen rund um Felix Back zu nennen, die sich in der Gaststube mit ihren Spinnrädern platzieren. In diesem Jahr waren Irmine Reulbach, Helmtrud Fuß, Hedwig Röhner (alle Oberweißenbrunn), Ludwina Abert (Wildflecken) und Mechthild Breitenbach (Oberbach) zusammen gekommen. Es wurde im Laufe das Abend eifrig gesponnen, aber auch genäht und Schlappen geflickt.
Musik untermalt die gemütliche Atmosphäre
Untermalt wurde die gemütliche Atmosphäre der Spinnstube durch eine Reihe von Musikern, die sich um Walter Wiesner (Oberbach) und sein Akkordeon versammelten. Er ist von der ersten Spinnstube an mit dabei und darf in keinem Jahr fehlen. Außerdem war in diesem Jahr auch wieder Helmut Handwerker (Unterelsbach) mit seiner Ziehharmonika und der Klarinette gekommen.
Der Oberweißenbrunner Gerhard Kirchner hatte seine Zither mitgebracht und Detlef Enders (Oberweißenbrunn) war mit dem Bass vertreten, den er auch Cordula Wehner zur Verfügung stellte. Theo Wehner spielte Gitarre und die Teufelsgeige bediente Werner Zirkelbach (Unterweißenbrunn).
Spinnstube soll nicht in Vergessenheit geraten
Mit der jährlichen Spinnstube möchte Marianne Rauh an eine alte Rhöner Tradition erinnern. In früherer Zeit kamen die Menschen an den langen Abenden in den Herbst- und Wintermonaten zum gemeinsamen Handarbeiten und Spinnen zusammen. Aber nicht nur die fleißige Arbeit an den Spinnrädern stand im Vordergrund, sondern auch die Pflege der Gemeinschaft und des heimischen Liedguts. Dass dazu auch manch zünftiger Witz und der eine oder andere Tratsch um die Nachbarschaft und Ereignisse im Dorf gehörte, versteht sich von selbst.
Die Wirte-Koopertion "Rhöner Charme" hat Marianne Rauh 2001 auf die Idee gebracht, diese Tradition in ihrer Wirtsstube wieder zu belebten. "Die Zeiten haben sich geändert, die Spinnstube in der alten Art gibt es nicht mehr. Aber sie darf nicht in Vergessenheit geraten", erklärte sie. In Zeiten von Mobilität und Internet könne die alte Zeit auch nicht zurück geholt werden.
Neue Formen des Miteinanders müssen gefunden werden
Es gehe darum, neue Formen zu finden, die das Miteinander, die Pflege des Volksliedes und des Handwerks förderte, ergänzte Bernhard Walter, der Vorsitzende des Rhönklub-Zweigvereins Oberweißenbrunn. "Es ist die Veranstaltung von Marianne Rauh, sie ist aber auch Mitglied bei uns im Verein und wir unterstützen ihre Spinnstube seit vielen Jahren", erklärte er.
Während die Spinnstube in früherer Zeit vor allem für die jungen Leute da war, hat sich Publikum entsprechend geändert. Gekommen waren die Freunde von fränkischem Liedgut und Volksliedern, die gerne in gemütlicher Runde einen gepflegten Schoppen trinken und sich an alte Zeiten erinnern. So gab es genügend Gelegenheit zur Unterhaltung, zum Singen und auch zum Austausch mit den eifrigen "Spinnweibern". Denn wenn dann mal die gesponnene Wolle nicht so wollte, wie sie sollte, dann war auch der eine oder andere Besucher gefragt, mal mit anzufassen, um die drei Garnstränge zusammen zu bringen.
Kurzum: Im Mühlengrund wurde wieder einmal Brauchtum gepflegt. Es war ein amüsanter Abend mit viel Geselligkeit, Musik und Gesang. Textvorlagen brauchten die meisten Besucher nicht. Sie kannten die Liedtexte von früher noch auswendig und stimmten kräftig mit ein.
Dabei durften natürlich das Dammerfeldlied, die Kreuzberglieder oder "Ich weiß basaltene Bergeshöhn", die altbekannte Rhönklubhymne, nicht fehlen. Fröhliche und romantische Lieder wurden gesungen und es zeigte sich wieder einmal, dass gerade die Liebeslieder von einst nichts von ihrem Reiz verloren haben.
Spinnstube als Gefahr für die Sittlichkeit
Eine Anekdote gehört in jedem Jahr zur Spinnstube: In früherer Zeit sollen die Mädchen und Burschen in den Spinn- und Kartstuben nicht nur brav und sittsam Handarbeiten gemacht und Karten gespielt haben. Es war im Jahre 1783, da hat der damalige Fürstbischof von Würzburg besonders aus den Rhöngegenden die Klage vernommen, dass die Spinnstuben eine "Hauptursache aller Ausschweifungen seien" und hat sie daraufhin auf das Schärfste verboten.
Erneuert wurde das Verbot von der königlichen Regierung im Jahre 1851. Spinnstuben verführen zur Unsittlichkeit, wurde damals argumentiert. "Wer nach sechs Uhr abends des Spinnens halber in ein fremdes Haus geht, wird angezeigt und strenge bestraft werden, der nämlichen Strafe unterliegen jene, welche Spinnstuben halten", so die Anordnung im Jahre 1856.
Doch auch in diesem Jahr kann vermeldet werden: Von der Oberweißenbrunner Spinnstube ging am vergangenen Wochenende ganz sicher keine Gefahr für die Sittlichkeit aus.