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KREUZBERG
Skiwandern in der Rhön wird immer beliebter
Das erleben nur Skibergsteiger: Morgenerwachen am Arnsberg bei -17 Grad.
Foto: Klaus Neumann | Das erleben nur Skibergsteiger: Morgenerwachen am Arnsberg bei -17 Grad.
Gerhard Fischer
 |  aktualisiert: 22.02.2018 02:39 Uhr

In Momenten wie diesen muss man die Poren der menschlichen Haut als eines der größten Wunder der Natur ansehen. Der Schweiß rinnt sturzbachartig aus ihnen: die Schläfen hinunter, den Hals herab, den Rücken talwärts. Wie ein Quellbach, der nie versiegt, pumpen die Poren die überschüssige, heiße Flüssigkeit aus dem Körper.

Es hat seinen Sinn, dass man in solchen Momenten wasserdichte Kleidung trägt. Wie sähe es aus, wenn all der Schweiß die Goretex-Jacke hinabflösse? Gut, dass sich alles im Innern zuträgt. Der Puls pocht angsteinflößend. Der Atem strömt als weißer Hauch aus dem Mund und beschlägt die Sportbrille. Hinter diesem selbst gemachten Nebel öffnet sich das schönste Rhön-Panorama.

Schneegezuckerte Landschaft mit grünem Tal

Nach links schweift der Blick über Bischofsheim bis hinunter ins Brendtal, also von schneegezuckerter Landschaft bis zu den bräunlich-grünlichen Tallagen. Der Kreuzberg glänzt in der Wintersonne, als kleine schwarze Punkte sieht man die Skifahrer die Rothhang-Piste talwärts sausen.

Zur Rechten liegt die Abfahrt Nr. 5 des Arnsberg-Skigebietes, weit genug weg, um Skifahrer oder Snowboarder nur ganz selten wahrzunehmen, wenn sie sich kurz in die nicht präparierten Bereiche wagen. Geradeaus kommt der letzte schwere Anstieg vor dem Arnsberggipfel in den Blick. Es herrscht fast vollständige Stille. Nur das Knarzen ist zu hören, wenn die Skier die Schneedecke durchbrechen und sich Schritt für Schritt bergaufwärts bewegen.

Der Sonne entgegen: Wenn sich der Rhöner Winter von seiner schönsten Seite zeigt, macht eine Skitour auf den Arnsberg gleich doppelt Spaß.
Foto: Klaus Neumann | Der Sonne entgegen: Wenn sich der Rhöner Winter von seiner schönsten Seite zeigt, macht eine Skitour auf den Arnsberg gleich doppelt Spaß.

Bergaufwärts? Nicht Jeder kommt ins Grübeln bei der Vorstellung, auf Skiern einen Berg zu erklimmen. Das sogenannte Skitourengehen ist nicht nur durch Fernsehbeiträge in alpinistischen Beiträgen bekanntgeworden. Auch in den großen Skiregionen der Alpen sieht man an Pistenrändern oder im freien Gelände eine wachsende Zahl von Tourengehern beim Erobern der Berge.

Immer mehr Sportler entdecken die Rhön für sich

Aber nicht nur im Alpenraum, auch im Mittelgebirge der Rhön finden immer mehr Sportler Spaß am Tourengehen. Das Bergerlebnis ist ein ganz anderes. Sich den Arnsberg, den Himmeldunkberg oder den Publikumsliebling Kreuzberg auf Skiern zu erkämpfen, ist ein Kraftakt ganz anderer Art. Er wird belohnt durch mehr oder weniger lange Momente der Einsamkeit und mit dem Gefühl, gerade die beste Luft der Welt in sich zu saugen: kalt, klar und erfrischend.

Wer in der Rhön dem Wintersport frönt, muss nicht zu den großen Ski- und Snowboardcracks zählen. Die Pisten heißen nicht „Diabolo“ oder „Harakiri“. Und wer hier Skitouren geht, muss nicht gleich 1500 Höhenmeter bezwingen und schon gar nicht eine Lawinensonde im Rucksack tragen. Genuss kann man dennoch reichlich aus einer Tour ziehen. Und für Skitouren-Anfänger erweist sich die Rhön als ideales Areal.

Skitouren mit dem passendem Equipment

Alles, was man braucht, ist ein Skitouren-Set. Tourenski sind besonders tailliert und breiter für den Einsatz im Tiefschnee. Dazu kommt eine spezielle Bindung, bei der die Fersen beweglich bleiben ähnlich wie bei Langlaufski oder Schneeschuhen. Erst bei der Abfahrt wird der hintere Teil der Bindung arretiert und man fährt wie mit einem klassischen Ski abwärts.

Da kommt man schon mal ins Schwitzen: Alexander Kuhn und Sebastian Bindig beim Aufstieg.
Foto: Klaus Neumann | Da kommt man schon mal ins Schwitzen: Alexander Kuhn und Sebastian Bindig beim Aufstieg.

Ganz wichtig sind die Steigfelle. Dabei handelt es sich um Bänder aus Kunststoff, dessen Klebeseite auf der Skiunterseite befestigt wird. Das filzartige Material sorgt dafür, dass man mit den Skiern bei der Vorwärtsbewegung auf dem Schnee gleiten kann, während ein Zurückrutschen verhindert wird. Diese Felle werden dann am Gipfel wieder abgezogen, eingepackt – und der rasanten oder gemütlichen Abfahrt steht nichts mehr im Wege.

Wobei der eigentliche Sinn im Aufstieg besteht. Zum Beispiel den Arnsberg hinauf. Manche starten in Oberweißenbrunn am Arnsberg-I-Lift und bewegen sich dann rechts der Piste zum Gipfel. Einsteiger können auch am Arnsberg-II-Lift auf halbem Weg zum Kreuzberg starten und sich dann zwischen einem Winterwanderweg und den präparierten Pisten nach oben kämpfen.

Rhöner Touren sind ideal für Beginner

Besonders steile Stellen erwarten den Rhöner Tourengeher hier nicht. Gerade Beginner können sich hier mit der Technik vertraut machen. Die größenverstellbaren Skistöcke mit breiteren Schneetellern sind etwas länger als beim Abfahren, weil die Stöcke ja in unberührten Tiefschnee tauchen.

Wem die Eroberung des Arnsberggipfels mit dem Gipfelkreuz nicht genug ist, der könnte den Kreuzberg selbst oder die Gemündener Hütte etwas unterhalb ins Visier nehmen. Hierzu saust man den Arnsberg auf der anderen Seite hinunter. Hier kann der Einsteiger mehr oder weniger Tiefschnee-Erfahrung sammeln, je nachdem, wie fleißig Frau Holle war. Man erreicht dann den Kreuzbergsattel mit der Rodelpiste und den bekannten drei kleinen Kreuzen. Linkerhand neben der Rodelpiste ist ein Steilstück eine gute Übung. Tourengeher nehmen solche Steilhänge in serpentinenartigen Querungen mit einigen Spitzkehren.

Die Spitzkehren sind eine Kunst für sich. Während man auf dem talseitigen Ski das Gleichgewicht hält, hebt man den bergseitigen Ski und dreht ihn in einem 150-Grad-Winkel in die andere Richtung. Nun ist der talseitige Ski an der Reihe, bis der Tourengeher wieder eine Querung in die andere Richtung bergaufwärts laufen kann. Wer da stolpert und im Schnee zum Fallen kommt, der wird bei der nächsten Spitzkehre seine Technik optimieren.

Kraft tanken auf der Hütte

Ist dieses Steilstück überwunden, dann sieht man links die Talstation des Blickliftes und etwas weiter oben die Haflinger Alm. Der Weg zur Gemündener Hütte und zu einer hochverdienten Stärkung samt Ausgleich des Flüssigkeitsverlustes ist dann nicht mehr weit.

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Man kann sich nach der Strapaze als Amateur schon mächtig auf die Schulter klopfen. Und wenn man in der Hütte dann Bekannte trifft, die lachend davon erzählen, dass sie selbst am Schwedenwall gestartet sind, dann den Himmeldunk überquert haben, um von dort den kompletten Arnsberg zu passieren bis hierher zur Hütte, und sie die gleiche Strecke wieder zurücklaufen werden – dann nimmt das von unserem sportlichen Selbstbewusstsein keinen Deut.

Irgendwann gehören auch wir zu denjenigen, die den Kreuzberg bei Dunkelheit erklimmen. Die Rhöner Nacht-Tourengeher treffen sich mittwochs, um von der Dreitannenalm bei Haselbach am Pistenrand der Kreuzberg-Abfahrten entweder zur Gemündener Hütte oder ganz hoch zum Kloster ihre Spuren zu ziehen. Nach zünftiger Rast geht es dann mit der Stirnlampe wieder hinunter ins Tal.

"Das Mountainbike des Winters"

Einer, der diesen Sport mit Leidenschaft betreibt, ist Klaus Neumann aus Niederwerrn bei Schweinfurt. „Die Tourenski sind das Mountainbike des Winters, sie machen unabhängig vom Liftbetrieb und erlauben pistenschonende Abfahrten, weil die Schneelage beim Aufstieg sondiert werden kann“, so der leidenschaftliche Sportler, der Rhöner Wurzeln hat.

Weil Neumann auch ein großer Alpinski-Freund ist, liegt ihm ein gutes Verhältnis zu den Rhöner Liftbetreibern am Herzen. „Zuerst einmal ist das Befahren frisch gewalzter Pisten zum Beispiel am Abend tabu, weil die sonst Schaden nehmen könnten“, weiß der Sportsmann. Auch der Aufstieg im Abfahrtsbereich von Pisten ist natürlich ein „No Go“, wie es Neumann formuliert.

Das Tourenskigehen in der Rhön sieht er nicht als Einnahmeverlust für die Liftbetreiber. Viele Tourengeher würden sich nach erfolgreicher Tour mit einigen Abfahrten auf der klassischen Piste und dazugehörigen Liftfahrten belohnen.

Touren sind in Naturschutzgebieten tabu

Interessant findet es Neumann, dass es nach seiner Beobachtung eher Nicht-Rhöner sind, die das Tourengehen in der Rhön für sich entdecken. Auf die sensible winterliche Natur macht wiederum Thorsten Kirchner aufmerksam. „In Naturschutzgebieten ist Tourengehen tabu“, betont der Schutzgebietsbetreuer an der Bayerischen Verwaltungsstelle des Biosphärenreservats Rhön.

Tourengeher sollten sich nahe der etablierten Infrastruktur aufhalten, am Arnsberg und am Kreuzberg, den beiden beliebtesten Bergen, geschehe dies ja bereits. „Ich persönlich fände es gut, wenn Tourengeher auch den empfindlichen Himmeldunk meiden würden, auch wenn er kein ausgewiesenes Schutzgebiet ist“, so Kirchner weiter.

Zu ernsthaften Konflikten dürfte es vom Selbstverständnis der Tourengeher in der Rhön nicht kommen. Tourengehern ist nicht so sehr an der Pistengaudi gelegen, sondern am intensiven landschaftlichen Genuss der Rhöner Mittelgebirgsregion.

Dass dabei die Schweißporen mitunter zu sprudelnden Quellbächen werden, gehört zum sportlichen Lustgewinn dazu.

 
 
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