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Sandberg
Simon hat Anaphylaxie: Fantasie und Kreativität schaffen Normalität
Simon Kirchner mit seinem Allergie-Notfallset. Der Junge leidet an Anaphylaxie, Milch und Nüsse sind für ihn lebensbedrohlich. Doch dank des Engagements und der Bereitschaft vieler ist ihm der Schulbesuch in der Grundschule Sandberg problemlos möglich.
Foto: Marion Eckert | Simon Kirchner mit seinem Allergie-Notfallset. Der Junge leidet an Anaphylaxie, Milch und Nüsse sind für ihn lebensbedrohlich.
Marion Eckert
 |  aktualisiert: 03.12.2019 11:24 Uhr

Simon Kirchner leidet an Anaphylaxie, Milch und Nüsse sind für ihn lebensbedrohlich. Allein der Hautkontakt ist gefährlich. Damit er aber möglichst gefahrlos die Schule besuchen kann, haben die Gemeinde Sandberg und die Grundschule einiges organisieren müssen, um Simon zu integrieren.

Simon Kirchner aus Waldberg ist sieben Jahre alt, er besucht die erste Klasse der Grundschule Sandberg. Dass er an Anaphylaxie leidet, sieht man Simon nicht an. "Anaphylaxie ist eine akute, schwere und lebensbedrohliche allergische Reaktion", erklärt Mutter Melanie Kirchner. Das heißt, dass Simon sehr stark auf bestimmte Lebensmittel und Inhaltsstoffe reagiert. "Extrem stark reagiert Simon auf Kuhmilcheiweiß und Nüsse. Im schlimmsten Fall kann ihr Verzehr für Simon tödlich enden."

Viele Vorsichtsmaßnahmen sind für Simons Sicherheit nötig

Schon für den Besuch des Kindergartens bedeutete es, dass eine ganze Reihe an Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden mussten, um für Simons Sicherheit zu sorgen. Der Kindergarten Waldberg habe dies in vorbildlicher Weise umgesetzt und Familie Kirchner hervorragend unterstützt. Ebenso hervorragend sei nun der Übergang in die Schule gelungen.

Da auch Berührungen und Körperkontakt mit den Produkten zu Quaddelbildung, Rötungen, Schwellungen der Haut und Atemnot führen können, bestehe für Simon bei gemeinsamen Mahlzeiten mit den Spielkameraden immer eine Grundgefahr. Alle an der Schule Tätigen haben eine umfassende Schulung absolviert, um im Notfall effektiv und schnell helfen zu können.

Auch Mitschüler und deren Eltern sind gefordert

Nicht nur Rektorin Jutta Spee und Klassenlehrer Georg Schäfer, sondern das gesamte Kollegium, Sekretärin, Hausmeister, Mittagsbetreuung und Busaufsicht.  Die Kosten der rund 800 Euro teuren Schulung übernahmen die Regierung von Unterfanken und die Gemeinde Sandberg. Einmal im Halbjahr werde die Schulung aufgefrischt, dies übernehme aber Simons Mutter selbst.

Zudem wurden alle Eltern der Sandberger Grundschule über die Problematik aufgeklärt und um Mithilfe gebeten. Das bedeutet konkret, dass sie ihren Kindern keine Lebensmittel mitgeben, die Nüsse enthalten und dass auf Milchprodukte verzichtet wird. Da die Waldberger Eltern das Thema schon aus der Kindergartenzeit kannten, sei es kein Problem gewesen, dies auch in der Schule fortzuführen. Bei Fragen oder Unklarheiten sprechen die Eltern sich mit Simons Mutter ab. "Der schnelle Kontakt über Whatsapp macht es möglich und es läuft sehr gut", sagt sie.

Notfall-Telefon hängt im Klassenzimmer

Aber auch die Mitschüler wurden über Simons Allergie aufgeklärt und nehmen Rücksicht. Klassenlehrer Georg Schäfer, den die Schulleiterin vorab fragte, ob er sich die Klassenleitung unter diesen Bedingungen vorstellen könne, sorgt seinerseits für die Sensibilisierung der Schüler. In unregelmäßigen Abständen werde im Absprache mit Simon der Ernstfall geübt. "Das ist wichtig, damit die Schüler, wenn es wirklich zu einem Ernstfall kommt, besonnen reagieren und keine Panik aufkommt."

Im Klassenzimmer befindet sich ein Notfall-Telefon, damit der Lehrer nicht den weiten Weg ins Sekretariat zurück legen und die Schüler alleine lassen muss. Ein schriftliche Anweisung, wie die Rettungskette in Gang zu setzen ist, befindet sich im Klassenzimmer wie auch im Lehrerzimmer und an diversen anderen Stellen im Schulgebäude, wie der Sporthalle und der Mittagsbetreuung.

Die Kosten für das zusätzliche Telefon übernimmt die Gemeinde Sandberg. Für Bürgermeisterin Sonja Reubelt eine Selbstverständlichkeit:  "Es liegt uns sehr am Herzen, Simon gut durch seine Schulzeit hier in Sandberg zu begleiten. Es ist absolut notwendig, den Alltag so zu gestalten, dass eine allergische Reaktion so gut es geht vermieden werden kann und sollte es zum Notfall kommen, muss die Rettungskette unverzüglich in Gang gesetzt werden können." Dem schloss sich die Rektorin voll und ganz an. Sie habe sich mit dem Thema  Anaphylaxie schon lange vor Simons Schulbesuch auseinander gesetzt und umfassend in die Materie eingearbeitet.

Simon Kirchner und sein Klassenlehrer Georg Schäfer kontrollieren, ob der Inhalt seiner Notfall-Allergie-Tasche auch vollständig ist. Mit im Bild von links: Maria Seiler (Mittagsbetreuung), Rektorin Jutta Spee, Melanie Kirchner und Bürgermeisterin Sonja Reubelt.
Foto: Marion Eckert | Simon Kirchner und sein Klassenlehrer Georg Schäfer kontrollieren, ob der Inhalt seiner Notfall-Allergie-Tasche auch vollständig ist.

Und Simon selbst? Er trägt eine kleine graue-schwarze Bauchtasche immer bei sich. Die Aufschrift zeigt, um was es sich handelt: Simons Allergie-Notfallset. Er weiß genau, was sein Täschchen beinhaltet und packt es routiniert aus: einen Adrenalin-Pen, Antihistaminikum, Asthmaspray und Cortisonsaft. Dank der Schulung wissen die Erwachsenen um ihn herum, wie im Notfall diese Dinge anzuwenden sind.

Seine Mutter Melanie ist stolz auf ihren Sohn: "Für Simon ist es normal. Er macht es super." Er wisse genau, was er essen dürfe und was nicht. Bei Unklarheiten frage er nach oder lasse es von vornherein sein. Familie Kirchner ist den Lehrern, Eltern, Mitschülern und der Bürgermeisterin für die Unterstützung sehr dankbar. Zu einem Notfall sei es bislang nicht gekommen, weder im Kindergarten noch in der Schule.

Ein völliges normales Familienleben ist möglich

"Erstmals trat die Krankheit bei Simon mit drei Monaten während der Stillzeit auf.", erinnert sich Simons Mutter. Zunächst sei nicht klar gewesen, was zu den großen offenen Hautstellen und Quaddeln führte. In der Uniklinik in Würzburg wurde dann die Diagnose gestellt. Die Familie hat sich auf die Erfordernisse eingestellt und gelernt, mit der Allergie umzugehen.

Statt Kuhmilch gibt es Hafermilch, Nüsse im Kuchen werden durch Haferflocken ersetzt, statt Schokoladenglasur gibt es Zuckerguss und statt bunter Smarties bunte Gummibärchen. Im gesamten Ernährungsbereich gilt es, die Allergie zu berücksichtigen. Doch mit Fantasie und Kreativität sei ein völlig normales Familienleben möglich. Für weitere Informationen zum Thema Anaphylaxie steht das Ambulante Schulungszentrum in Würzburg unter Tel.: 0931/ 78010850 und www.schulung-wuerzburg.de  zur Verfügung.

Die Allergietafel zeigt den Mitschülern, was sie nicht mit in die Schule bringen sollten,  um ihren Mitschüler nicht zu gefährden.
Foto: Marion Eckert | Die Allergietafel zeigt den Mitschülern, was sie nicht mit in die Schule bringen sollten, um ihren Mitschüler nicht zu gefährden.
 
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