Die anhaltenden Proteste gegen den Stellenabbau bei Siemens scheinen ihre Wirkung nicht zu verfehlen. Nach Konzernchef Joe Kaeser war nun das zweite Vorstandsmitglied im Bad Neustädter Elektromotorenwerk. Auch wenn es bei der Stippvisite von Klaus Helmrich nicht direkt um die Verlagerung der Arbeitsplätze ging, signalisierte der Besuch dem Betriebsrat doch das Interesse der Konzernführung am Standort Bad Neustadt.
Rund 700 Mitarbeiter trafen sich wieder einmal am Werkstor in der Siemensstraße. Auch Landrat Thomas Habermann und Bürgermeister Bruno Altrichter gesellten sich dazu. Gerade rechtzeitig erschien Betriebsratsvorsitzender Oliver Maurer, der wenige Minuten zuvor in einem Vier-Augen-Gespräch mit Helmrich zusammengesessen hatte.
Die Botschaft des Arbeitnehmervertreters an die Zuhörer war eindeutig: Es gibt durch das Gespräch keine Neuigkeiten in Bezug auf den Stellenabbau. Vielmehr sei es um die Digitalisierung unter dem Stichwort „Industrie 4.0“ gegangen. Aus dem Treffen könne er schließen, dass der Prozess auch für den Standort wichtige Impulse freisetzen könne. Zur Entwicklung der Verhandlungen wies er auf eine baldige Betriebsverhandlung hin, in der Alternativkonzepte vorgestellt werden.
Nach Ansicht einiger Kundgebungsteilnehmer gibt es noch Möglichkeiten, den Stellenabbau zu stoppen. Michael Bell meint, dass der Verlagerungsprozess nach wie vor rückgängig gemacht werden könnte. Er arbeitet in der betroffenen Abteilung und weiß, „die Auftragsbücher sind voll“.
Jutta Köth meint ebenfalls, dass die Produktion in Tschechien nicht gut aufgehoben sei. Es soll noch erhebliche Qualitätsmängel geben. Und wenn es am Markt liege, der die Motoren aus Bad Neustadt angeblich nicht mehr abnehme, müssten eben neue Produkte her.
Habermann verbreitet Zuversicht
Die Signale, den Standort halten zu wollen, seien auf jeden Fall deutlich, versicherte Landrat Thomas Habermann. Der Austausch mit dem Siemens-Vorstand habe ihn zuversichtlich gestimmt, zumal seine Gesprächspartner sehr genau über die Rahmenbedingungen am Standort unterrichtet gewesen seien. Dass die Elektromotorenfabrik recht isoliert in der Region dasteht, sei zwar ein Nachteil, dafür seien die Berufsschule und das TTZ genau auf die Bedürfnisse der Niederlassung zugeschnitten, sei ihm bei der Unterredung bescheinigt worden.
Dass Joe Kaeser den Standort eng mit dem Schicksal des TTZ verquickt habe, beunruhige ihn nicht, fuhr Habermann fort. Er mache sich jedenfalls keine Sorgen um die Einrichtung. „Für mich ist 100-prozentig klar, dass das TTZ weiter existiert.“ Zu viele hochrangige Politiker haben bereits ihre Unterstützung zugesagt. Eine Rücknahme wäre „ein riesiger Vertrauensbruch, den sich die Politik nicht leisten kann.“
Bürgermeister Altrichter versicherte ebenfalls, dass die Kommunalpolitik alles unternehmen werde, um die Möglichkeiten zum wirtschaftlichen Ausbau voranzutreiben. Altrichter forderte die Teilnehmer daher auf, nicht in ihrem Kampfeswillen nachzulassen. Schließlich stehen die zuvor verteilten durchnummerierten 750 Zettel nicht nur für jeweils einen Arbeitsplatz, sondern auch für einen Menschen.