

"Hallo Oma, hier in Oberstreu ist es sehr schön. Das Essen schmeckt und das Wetter ist gut. Mehr dazu, wenn ich wieder daheim bin. Viele Grüße und bis bald". So könnte der Postkarten-Gruß eines Enkels oder einer Enkelin aus dem Streutal an die liebe Oma lauten. Wenn dann auf der Vorderseite noch eine hübsche Zeichnung oder Fotografie des idyllischen Örtchens prangt, wird der Empfängerin sicher ganz warm ums Herz. Den Zauber dieser kleinen Grüße mag auch der kanadisch-stämmige Künstler Sean Alistair, der seit einiger Zeit mit seinem Partner Jean-Christoph "John" Hampl, einem gebürtigen "Oberströöer", in dessen Heimatort wohnt. Mit ihrer Postkartenserie bestehend aus Mittel- und Oberstreuer Motiven verbinden Sean Alistair und John Hampl die Liebe zur Postkarte und zur Heimat.
Wer durch die idyllischen Straßen von Mittel- und Oberstreu spaziert, fühlt sich um etliche Jahrhunderte zurück versetzt. Der Mittelstreuer Torbogen, die zahlreichen Fachwerkgebälke und Rundbogenfenster an den Gebäuden oder die historischen Oberstreuer Lagerhäuser, Gaden genannt - sie zeugen von einer anderen Zeit. Was Sean Alistair an seiner neuen Heimat gefällt, erkennt auch der Bewohner oder Besucher, vorausgesetzt, er oder sie schaut genau hin.
Mit einem Google-Foto von Oberstreu fing alles an
Doch wie kommt ein internationaler Künstler, als Fotograf und Innengestalter eines großen Kaufhauses in Vancouver erfolgreich, ausgerechnet nach Oberstreu? "Mein Partner, der damals als Leiter eines Cateringservices in Kanada arbeitete und aus Oberstreu stammt, und ich haben uns über Social Media kennengelernt", erzählt Sean Alistair. Nach einiger Zeit ging John Hampl 2019 wie geplant zurück nach Deutschland, ein Treffen sollte folgen. Sean wollte John mit einem aus Google ausgedruckten Foto von Oberstreu erfreuen und fing an, Fotos des Dorfes abzuzeichnen.
Mit dem Lockdown kamen neun Monate, in denen eine Reise in das Land des jeweils anderen unmöglich war. "In dieser Zeit änderte sich vielen in meinem Leben. Ich beschloss, meinem Herzen zu folgen. Und so zog ich, als es im August 2020 wieder möglich war, zu meinem Partner nach Deutschland." Die beiden leben unter der Woche in Dresden, an den Wochenenden kommen sie häufig in John Hampls Heimatdorf zurück.
Postkartenserie ist ein Herzensprojekt
Gerade die erste Zeit in Deutschland beschreibt Sean Alistair als nicht leicht, ließ er doch viele Freunde, Familie und sein Umfeld in Kanada zurück. Und doch war da in der Heimat des Partners etwas, was ihn faszinierte. Die Landschaft, Geschichte und Architektur - das kannte er, der in einem Vorort von Vancouver aufgewachsen ist und später zehn Jahre im Herzen von Downtown lebte und arbeitete, nicht.

Der Künstler und Fotograf bannte seine neue Heimat auf Bildschirm und Papier. "Plötzlich fragte mich Sean, ob es hier Postkarten gibt. Das musste ich leider verneinen. So entstand die Idee, eine Postkartenserie des Ortes herauszubringen. Nicht, um damit das große Geld zu verdienen, sondern als ein Herzensprojekt", schildert John Hampl. Der Oberstreuer Bürgermeister und die Betreiber des Mittelstreuer Gästehauses Storath waren gleich bereit, die Karten im neuen Café "Um's Eck" beziehungsweise in ihrem Gasthaus zu verkaufen.
"Neigewürcht" und "Servus" stehen auf dem Lernplan
"Ich finde es wichtig, wieder Leben in die kleinen Dörfer zu bringen und die Geschichte und Tradition zu bewahren", erklärt Sean Alistair. Die Nachfrage nach den Postkarten stieg, auch über das Internet verkaufen sich die Kunstwerke sehr gut. Mittlerweile hängen die Drucke und Postkarten sogar in kanadischen Zimmern. Vor allem von den Kirchenmotiven wie der Mutter Gottes und dem Fachwerk seien die Amerikaner fasziniert, weil es so etwas bei ihnen nicht gibt. Mittlerweile sei man bereits in Verhandlungen mit Oberstreuer Nachbardörfern, die sich auch eine eigene Postkartenserie wünschen.
Im Streutal mag der Kanadier auch die Gemeinschaft. Die Leute seien zunächst zurückhaltend. "Wenn man dann aber Teil der Gemeinschaft ist, bleibt man das auch", freut er sich, dass er in Oberstreu gleich akzeptiert wurde. Fleißig lernt er Deutsch, auch mit dem Dialekt klappt es immer besser. Sein Partner bringt ihm dabei auch so schöne Wörter wie "bissle", "neigewürcht" oder "Servus" bei.
Wenn er nicht gerade die neue Sprache lernt, fotografiert oder Postkarten anfertigt, beschäftigt sich der 32-Jährige gerne mit Mixed-Media-Kunst. Die zeichnet sich dadurch aus, dass er die Materialien und Techniken benutzt, die am besten zur Inspiration des jeweiligen Werkes passen. Da kommt schon mal Perlenstickerei zum Einsatz, Tinte oder antikes Leinen. Diese Kunst und Fotografien stellt Sean Alistair in Galerien in San Francisco, Miami oder auch Luxemburg aus. Die Streutal-Postkarten jedoch sind und bleiben sein Herzensprojekt. Man darf also gespannt sein, welche Omas, Opas, Verwandte, Freunde oder liebe Bekannte sich bald noch über einen Postkartengruß mit einem schönen Motiv aus Rhön-Grabfeld freuen dürfen.
Die Postkarten von Ober- und Mittelstreu sind im Café "Um's Eck" in Oberstreu, im Gästehaus Storath (Mittelstreu) und direkt beim Künstler über sean.alistair@gmx.de, www.seanalistair.ca oder https://www.etsy.com/shop/SeanAlistair erhältlich. Alle Motive sind auch als Drucke in den Größen 13 x 18, 20 x 30 und 30 x 40 Zentimeter per Mail beim Künstler bestellbar.