Idyllischer geht's kaum. Dichter Wald öffnet sich zu einer sonnigen Lichtung, von der Höhe der Langen Rhön weitet sich der Blick auf das Tal um den kleinen Ort Oberelsbach. Es ist schön, hier oben am Schweinfurter Haus, einem von 19 Gastbetrieben des Rhönklubs. Für Wirt Michael Winkler könnte freilich einiges noch schöner sein. Die Corona-Krise hat ihre Spuren in dieses Idyll gegraben.
"So etwas habe ich noch nie erlebt, das ist ein wirtschaftliches Desaster." "Wenn keine zweite Welle kommt, könnte ich 2020 mit einem blauen Auge davon kommen." Zwischen diesen beiden Sätzen Winklers liegt eine Stunde Gesprächszeit, gedanklich sind es zweieinhalb Monate. Zweieinhalb Monate ohne Gäste. Die kommen jetzt wieder, wenn auch andere. Urlaub in der Heimat - das bedeutet Familien mit Kindern, Pärchen, einzelne Wanderer. Nicht die Männerrunden, die abends munter zechen, den Umsatz ankurbeln und im dazugehörigen Forsthaus ihr Nachtlager aufschlagen. Der Aufwand sei für die aktuelle Klientel der gleiche, der Ertrag pendle sich bei 40 bis 50 Prozent des Vorjahres ein.
Kräftezehrende Hygiene-Diskussionen
Doch der 60-jährige Hüttenpächter mag nicht undankbar sein, er ist froh, dass es nach dem Oster-Desaster ("null Einnahmen bei Kaiserwetter") überhaupt weitergeht. An "einem der schönsten Flecken der Rhön, die ich kenne". An dem er gerne bis ins Rentenalter arbeiten möchte. Eigentlich. "Es gab Momente in den letzten Wochen, wo ich aufhören wollte. Der Spaß geht verloren." Damit meint er auch die Hygienemaßnahmen, hinter denen er zwar stehe, sie aber gebetsmühlenartig den seit Mitte Juni wieder eintrudelnden Tagesgästen erklären muss. Oberelsbach liegt im Dreiländereck Bayern-Thüringen-Hessen. Und die benachbarten Bundesländer sind in ihren Lockerungen schon weiter. "20 Mal Hygiene-Diskussionen am Wochenende, das ist kräftezehrend."
Doch Winkler ist ein gestandenes Mannsbild, Wirt mit Leib und Seele. Ob Sportheim Grafenrheinfeld, Schützenhaus Bergrheinfeld, Festungs- und Residenz-Gaststätte in Würzburg, der Haßfurter war stets in der gutbürgerlichen Küche daheim, trifft Volkes Stimme und kommt meist drumherum, zunächst uneinsichtige Gäste wegschicken zu müssen. Ihnen würde nicht nur die fränkische Gemütlichkeit einer optisch wohltuend in den Siebzigern stehengebliebenen Gaststube entgehen, oder der Panoramablick von der Sonnenterrasse, sondern auch die Spezialitäten des Hauses: Wildbratwürste. Überhaupt Wild. Oder, für Übernachtungsgäste, das individuell zusammengestellt Frühstück.
Kochen mit regionalen Produkten
Das ist, wie das gesamte kulinarische Angebot, ausnahmslos mit regionalen Produkten bestückt. "Ich will ein familiäres Ambiente vermitteln, da gehört das dazu", sagt Winkler, der das Schweinfurter Haus seit vier Jahren betreibt, als "One-man-Show": Er kocht, putzt und bespaßt die Gäste. Auch wenn er 80 Kilometer entfernt zu Hause ist, kennt er sich aus, hat für Ausflügler immer einen Tagestipp. Winkler übernachtet vor Ort, fährt meist nur einmal in der Woche heim zur Frau. Und im Februar nimmt er sich drei Wochen frei.
Umso mehr hadert Winkler mit der Gemeinde Oberelsbach. "Ich würde mir etwas mehr Hilfe für eine vernünftige Infrastruktur wünschen. Die Straße zu uns hoch ist Gift für jedes Auto." Nun, der ein oder andere Urlauber mag den auf halber Strecke von der Kreisstraße zwischen Urspringen und der Thüringer Hütte nach links abzweigenden Zubringer romantisch nennen, ein paar Schlaglöcher zuviel sind's allemal. Es braucht aber auch keinen Geländewagen.
Ein Plastik-Schwein steht auf der Wunschliste
Wenn Winkler erst einmal am Granteln ist, moniert er nicht nur die 9000 Euro Soforthilfe vom Staat, "die ich ja versteuern muss und nicht einmal halbwegs reicht, die Kosten zu decken." Nein, dann hebt er auch das Zeigefingerchen gen Schweinfurt, das mit dem Haus durch einen 65 Kilometer langen Drei-Tagesetappen-Wanderweg verbunden und wo der namensgebende Zweigverein des Rhönklubs ansässig ist. Dort ist das Stadtbild geprägt von zahlreichen kunterbunten, mannshohen Schweinchen-Plastiken. "So eines würde ich mir als Ausstellungsstück wünschen, doch die Stadt will mir keines schenken." Kaufen könne er eines, habe man ihm erklärt, doch die Dinger seien, was sonst, "sauteuer".
Sein Ärger auf den Rhönklub dürfte indes bald verraucht sein. "Ein Nachlass bei der Pacht ist sicher, muss nur noch offiziell in der Sitzung verabschiedet werden", sagt Josefine Friedrich, die Vorsitzende des Zweigvereins Schweinfurt, der Eigentümer des Schweinfurter Hauses ist und unlängst 80000 Euro im Rahmen eines Förderprojekts des Kreises Rhön-Grabfeld in eine Teilsanierung investiert hat.
Ärger um die Schlaglöcher auf dem Zubringer
Wie Konrad Tripp ("ich habe immer ein offenes Ohr für die Wirte"), Vorsitzender der Rhönclub-Region Saale/Sinn, betont, hat der Dachverband mit Sitz in Fulda eine finanzielle Unterstützung abgelehnt. Er und Friedrich beißen sich an der Gemeinde Oberelsbach die Zähne aus, die Sanierung des Zubringers zum Schweinfurter Haus betreffend. Friedrich: "Die wollen eine Beteiligung durch uns, obwohl die Schlaglöcher kaum von den Wanderer-Autos kommen, sondern eher von den Flurfahrzeugen und den Langholz-Lkw."
Tripp bestätigt einen Anstieg des Tourismus in der Rhön: "Es kommen wieder mehr Ausflügler und Wanderer, allerdings überwiegend Tagesgäste." Friedrich hofft, dass das Winkler zumindest teilweise über die abgesagten Gesellschaften hinweg hilft. Die passionierte Wanderin aus dem Süden Bayerns, die 1990 nach Schweinfurt kam und seit 2009 Vorsitzende ist, beklagt die vielen aufgefallenen Events wie die am 17. Juli geplante und Corona-bedingt abgesagte Bergmesse. Stattfinden wird die gemeinsame Vereins-Wanderung an diesem Sonntag auf dem Kaskadenweg bei Gersfeld.