Die Lage ist ernst, sehr ernst – aber noch ist es nicht zu spät: Das war Tenor der dritten länderübergreifenden Biosphärentagung, die in diesem Jahr unter dem Thema "Der Klimawandel in der Rhön – höchste Zeit zu handeln" erstmals online ausgerichtet wurde. Folgende Informationen sind einer Pressmitteilung entnommen.
Vertreter aus Bayern, Hessen und Thüringen
Im Fokus standen neben dem Aufzeigen der dramatischen Folgen für die Natur und, damit verbunden, die sich verändernde Lebensqualität im UNESCO-Biosphärenreservat Rhön vor allem Projekte und Ideen der Kommunen, die sich mit Klimawandelanpassung und Klimaschutz auf vielfältige Art und Weise auseinandersetzen.
Die Biosphärentagung findet im jährlichen Turnus abwechselnd in den drei Bundesländern Bayern, Hessen und Thüringen statt. Nach aktuellen Ergebnissen aus den Natur- und Artenschutzprojekten (2020, Hessen) sowie Best-Practice-Beispielen aus der nachhaltigen Regionalentwicklung (2021, Thüringen) stand in diesem Jahr nun der Klimawandel als Querschnittsthema, das alle Handlungsfelder im Biosphärenreservat betrifft, im Fokus.
Die Rhön als Hotspot für Artenvielfalt erhalten
Die Projektverantwortlichen zum Thema Klimawandel und dessen Folgen, Alana Steinbauer und Lisa Knur, hatten die Tagung organisiert. Daran nahmen mehr als 140 Personen teil, darunter Vertreterinnen und Vertreter der Kommunen, der Landkreise und aus den Bereichen Naturschutz, Forst-, Land- und Wasserwirtschaft.
"Ich bin dankbar, dass wir dieses Thema heute gemeinsam aufgreifen", betonte Thomas Habermann, Landrat des Landkreises Rhön-Grabfeld. "Noch sind wir in der Rhön ein Hotspot für Artenvielfalt. Die Biodiversität zu erhalten, ist für die Zukunft genauso existenziell wichtig wie die Klimawandelanpassung", sagte der Landrat und ergänzte: "Hier haben wir noch großen Nachholbedarf in der Entwicklungszone des Biosphärenreservats – dort, wo die Menschen leben." Er nannte in diesem Zusammenhang unter anderem das Stichwort Bauleitplanung und klimaangepasste Bauweise.
Temperaturanstieg in der Rhön um 3,6 Grad Celsius prognostiziert
"Die Energieversorgungskrise können wir als Chance verstehen, Klimaschutz verstärkt anzugehen", ergänzte Doris Pokorny, seit September neue Leiterin der Bayerischen Verwaltung des Biosphärenreservats. Dass die Kommunen im Biosphärenreservat bereits zahlreiche positive und modellhafte Beispiele in Sachen Klimawandel und -schutz vorweisen können, mache Mut – dieses Signal solle auch die Tagung setzen.
Die Tagung startete mit den heute bereits messbaren und bis zum Ende des Jahrhunderts modellierten Veränderungen des Rhöner Klimas: im Frühjahr und Sommer zunehmende Hitze- und Trockenperioden sowie Niederschläge vermehrt in Form von Starkregen. "Derzeit wird für die Rhön ein Anstieg um im Mittel circa 3,6 Grad Celsius der Jahrestemperatur bis Ende des Jahrhunderts modelliert. Um das 2015 in der Pariser Klimakonferenz international vereinbarte Ziel einer Temperaturerhöhung von maximal 1,5 Grad zu erreichen, muss im Bereich Klimaschutz also noch sehr viel passieren", erklärte Alana Steinbauer.
Herausforderungen für die Rhöner Artenvielfalt und das Ökosystem Wald
Herausforderungen für die Rhöner Artenvielfalt und das Ökosystem Wald veranschaulichten Tobias Birkwald als Verantwortlicher für ökologische Forschung und Monitoring in der bayerischen Verwaltung des Biosphärenreservats, Julia Gombert, Geschäftsführerin Landschaftspflegeverband Thüringer Rhön e. V. und Florian Wilshusen, Leiter des Biodiversitätsforstamts Hofbieber.
Die Biotopvernetzung in der Landschaft müsse vor dem Hintergrund des Klimawandels engmaschiger werden, um Tier- und Pflanzenarten das Ein- und Auswandern zu ermöglichen. Im Wald sei neben Maßnahmen zum Wasserrückhalt und für einen zukunftsfähigen Waldumbau vor allem ein geeignetes Wildtiermanagement essenziell, um die Schutz-, Nutz- und Erholungsfunktion der Rhöner Wälder weiterhin sicherstellen zu können.
Wasser wird knapper, doch Hochwasser und Überflutungen nehmen zu
Der Themenblock "Wasser – zu viel und zu wenig" widmete sich dem Umgang der Kommunen mit knapper werdenden Wasserressourcen einerseits und Hochwasser und Überflutungen aufgrund Starkregen andererseits. Dass dies zunächst Mut und Umdenken erfordert, aber letztlich große Wirkung zeigen und Akzeptanz in der Bevölkerung schaffen kann, demonstrierte Daniel Görke, Geschäftsleiter in Wartmannsroth. Die Gemeinde hatte einen bereits rechtskräftigen Bebauungsplan mit 29 Plätzen wieder aufgehoben, um weitere Flächenversiegelungen zu vermeiden.
Michael Diestel von der Agrokraft GmbH rief die Rhönerinnen und Rhöner dazu auf, sich zur Beförderung erneuerbarer Energien zu Interessensgruppen zusammenzuschließen und in geeigneter Weise zu strukturieren – die Energiegenossenschaft in der Gemeinde Großbardorf habe es vorgemacht. In den Vorträgen ging es dabei auch immer wieder um die Möglichkeiten, Förderprogramme zu nutzen.
Onlinekarte für die Bürgerinnen und Bürger
Anlässlich des Themas Hitzeschutz in Kommunen machten die Klimaschutzmanager Philipp Spitzner (Stadt Hammelburg) und Alexander Zink (Landkreis Bad Kissingen) auf eine Onlinekarte aufmerksam, in die alle Bürgerinnen und Bürger konkrete Ideen und Vorschläge für Klimaschutzmaßnahmen eintragen können. Die Karte ist zu finden unter www.ideenkarte.de/landkreisbadkissingen
Im Themenblock "Landwirtschaft und Tourismus" ging es um Konsumverhalten und um die Vorteile des ökologischen Landbaus. Bertram Vogel (Rhön GmbH) veranschaulichte die zu erwartenden Einschränkungen der touristischen Erholungsangebote aufgrund von Hitze, Unwetter und stark abnehmenden Schneetagen. Er wies auf positive Klimaschutzeffekte durch die Nutzung regionaler Produkte und touristischer Angebote hin.
Der Klimawandel ist bereits in der Rhön angekommen
"Die diesjährige Biosphärentagung konnte anschaulich zeigen, dass der Klimawandel in der Rhön bereits angekommen ist und sich als Folge auch die Artenzusammensetzung, das Landschaftsbild und die Bewirtschaftung stark verändern werden", bilanzieren Steinbauer und Knur.
"Damit unsere arten- und strukturreiche Kulturlandschaft auch weiterhin ihre vielfältigen und für uns Menschen lebensnotwendigen Ökosystemdienstleistungen bereitstellen kann, sind alle Kommunen, Landkreise, Behörden, Verbände, Grundeigentümer, Bewirtschafter, Gewerbetreibende, aber auch die Bürgerinnen und Bürger gefragt."
Die Aufzeichnung der Veranstaltung, die Vorträge und Kontakte gibt es unter www.biosphaerenreservat-rhoen.de