Als ernste Angelegenheit bezeichnete Regisseur und Lehrer Arno Weidinger das Theaterstück „Damals war es Friedrich“ nach der Aufführung in der Aula des Bad Neustädter Rhön-Gymnasiums. Nun, dass hätte jedem Besucher bei der Auswahl des Stoffes bewusst sein müssen. Doch was das Unter- und Mittelstufentheater letztlich aus dem Stück gemacht hat, sollte dem Publikum ein ums andere Mal den Atem stocken lassen.
Es gehört schon eine Menge Mut dazu, den Jugendbuchklassiker „Damals war es Friedrich“ von Hans Peter Richter aus dem Jahre 1961 auf die Bühne einer Schule zu bringen. „Damals war es Friedrich“ ist einer der ersten Romane für junge Menschen, die sich mit den Schrecken des Nationalsozialismus und der Judenverfolgung beschäftigt haben. Die stringente Sachlichkeit des Erzählers, die Ausweglosigkeit der Handlung, das Mitfühlen des Publikums für einen unschuldigen Jungen lassen das Stück in seiner Eindringlichkeit tief wirken.
Besser hätte man es nicht auf die Bühne bringen können
Erst recht, wenn man diese Aufführung so meistert wie die Theatergruppe des Rhön-Gymnasiums. Unter der Regie von Arno Weidinger und Kathrin Bach hat das Unter- und Mittelstufentheater des Rhön-Gymnasiums eine Meisterleistung vollbracht: Schülertheater, wie man es besser nicht hätte auf die Bühne bringen können.
In der Gegenwart wird der greise Großvater von seinem Enkel (Van Trinh) nach dem Inhalt eines alten Fotos gefragt. Der Großvater will aber nicht darüber reden, auch 70 Jahre nach Kriegsende nicht. Zu schwer wiegen die lebenslangen Erinnerungen, Erinnerungen an den Jugendfreund Friedrich.
Der Junge ohne Name und sein Freund Friedrich
Als nüchterner und sachlicher Erzähler (Katja Plendl) blickt der Großvater letztlich doch zurück ins Jahr 1931. Friedrich Schneider und er selbst, der Junge, der im ganzen Stück ohne Namen auskommt und so für viele Jungen seiner Zeit steht, sind dicke Freunde und wohnen im gleichen Haus. Doch als 1933 die Nationalsozialisten an die Macht kommen, verschlechtert sich die Lage der jüdischen Familie Schneider zusehends. Erst schleichend, dann brutal. Und immer kommentiert von einer Frau in einem schönen, roten Kleid, später in einem Pelzmantel, den sie günstig kaufen konnte.
Diese Frau steht stellvertretend für Millionen Deutsche, die sich mit der Zeit und den Umständen arrangiert haben, wegschauten und sich dadurch mitschuldig gemacht haben.
In mehr als 30 aufeinanderfolgenden Bildern – das muss man in einem Schülertheater erst mal technisch hinkriegen – definieren drei Stellwände den bespielten Raum. Mal mit schwarzem, mal mit rotem Hintergrund. Darin die beiden Familien, die des Jungen und die Friedrichs. Und darin immer mehr auch die Nazis. Ganz vorne dabei Hausverwalter Heinrich Resch (Xenia Rohe), der die jüdische Familie so schnell wie möglich aus seinem Haus raus haben möchte.
Das tragische wie voraussehbare Ende
Friedrich, als Junge von Katja Nagaev, als Jugendlicher von Eva Härter dargestellt, verzweifelt ob der Situation genauso wie sein Freund, dargestellt als Junge von Sophia Baumgart und als Jugendlicher von Selina Greier. Daneben die Eltern des Jungen (Lea Reif und Tristan Söder), die mit der Zeit gehen (müssen, nicht anders können) und sich wahre Kritik und Einspruch nicht zutrauen. Die Lage erkennen Friedrichs positiv denkende Eltern (Klara Büttner und Mirco Vogt) viel zu spät.
In der Reichspogromnacht stirbt Friedrichs Mutter an den Folgen der Drangsalierungen, später wird der Vater wie ein in der Wohnung versteckter Rabbi (Lisanne Scherer mit eindringlichem Monolog) deportiert und Friedrich ist auf sich alleine gestellt. Voller Verzweiflung steht er eines Nachts vor der Tür seines alten Freundes, darf aber nicht (Herr Resch!) in den Luftschutzkeller und stirbt in der Bombennacht. Das tragische wie voraussehbare Ende der Jungenfreundschaft.
Unglaubliche Szenen beim Schlussapplaus
Das Publikum war bei den beiden Aufführungen in der Schulaula zu Tränen gerührt. Natürlich hätte das Unter- und Mittelstufentheater aktuelle Bezüge zu Themen wie Fremdenfeindlichkeit und Flüchtlingskrise mit in das Stück einflechten können. Hat es aber bewusst nicht, weil „die Geschichte von der Freundschaft zweier Jungen in einer schrecklichen Zeit eigentlich alles sagt“, wie es im Programmblatt zu lesen war.
Minutenlanger Beifall, Tränen im Überfluss auf der Bühne, Schauspieler, die aus ihrer tragischen Rolle wieder raus in die Realität wollen und das nur mit Weinkrämpfen bewerkstelligen können. Unglaubliche Szenen beim Schlussapplaus. Das Unter- und Mittelstufentheater hat ganz große, hat unglaublich gute Bühnenkunst gezeigt und sich sehr viel zugemutet. Besser kann eine schulische Theatergruppe diesen schweren Stoff nicht auf die Bühne bringen.