Hans Albert aus Sternberg erlebte die Kreis- und Gemeindegebietsreform unmittelbar mit, war er doch von 1960 bis 1978 der letzte Bürgermeister der selbstständigen Gemeinde Sternberg und gehörte sowohl dem Kreistag des Kreises Königshofen als auch dem Kreistag des neuen Kreises Rhön-Grabfeld an.
Der heute 84-jährige ehemalige Kommunalpolitiker erzählt rückblickend, dass der Landkreis Königshofen im Grabfeld mit rund 300 Quadratkilometer die geringste Fläche der 22 Landkreise im Regierungsbezirk Unterfranken aufwies. „Die 45 Kilometer gemeinsame Grenze mit der DDR waren damals eine schwere Bürde“, erinnert sich Albert.
Der Landkreis Königshofen hatte vor der Gebietsreform in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts 33 Gemeinden. Vor 1900 gehörten zum Kreisgebiet noch 74 Gemeinden mit einer Gesamtfläche von rund 560 qkm. Mit der Neubildung des Landkreises Hofheim in Unterfranken 1900 verlor Königshofen im Grabfeld 41 Gemeinden, die in den neuen Landkreis eingegliedert wurden.
Schon 1878 war eine Gebietsreform versucht worden, geht aus den Unterlagen des Altbürgermeisters hervor. Es sollten so genannte Bürgermeistereien gebildet werden. So sollten damals zum Beispiel Saal und Wülfershausen oder Großbardorf, Sulzfeld und Leinach zusammen geschlossen werden. „Doch die Gemeinden ignorierten den Vorschlag des königlichen Bezirksamtmanns Poesl“, so Albert.
„Anfang der 1960er Jahre wurde dann ein neuer Versuch gestartet“, erinnert sich Albert. Im März 1962 erfolgte eine Dienstbesprechung der Bürgermeister, in der dieses Thema abschließend behandelt werden sollte. Für eine Zusammenlegung von Gemeinden, wie sie die Regierung zur Verwaltungsvereinfachung anstrebte, bestand jedoch keinerlei Interesse. Die in Frage kommenden Gemeinden wie Ober- und Untereßfeld, Aub und Gabolshausen oder Königshofen und Ipthausen lehnten eine Zusammenlegung rundweg ab.
Der Landkreis Königshofen war mit 18 100 Einwohnern auch der bevölkerungsärmste Landkreis im Regierungsbezirk. Bei einer durchschnittlichen Bevölkerungsdichte der unterfränkischen Landkreise von 110 Einwohnern je Quadratkilometer wohnten im Kreis Königshofen auf einem Quadratkilometer nur 60 Menschen. In zehn Gemeinden des Kreises lag die Bevölkerungsdichte nur bei 40 Einwohnern je Quadratkilometer. Neun dieser Gemeinden lagen in unmittelbarer Zonengrenznähe. „Gerade in diesen Gemeinden fühlte man sich in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts vergessen,“ so Albert.
Herbert Wehner zu Besuch
Hans Albert erinnert sich, dass im Mai 1965 der Ausschuss für gesamtdeutsche Fragen des Deutschen Bundestages im fränkischen Grenzgebiet unterwegs war. Auf der Hauptstraße von Obereßfeld wurde deren Bus von etwa 100 Demonstranten aufgehalten. Vizekanzler Dr. Erich Mende und Bundesminister Herbert Wehner sprachen mehrere Minuten mit den Männern. Die Aufmerksamkeit der Entscheidungsträger war geweckt, und die Grenzdörfer wurden in der Folgezeit mehr gefördert. Eine Folge war 1965/66 der Bau des Bayernturms durch die beiden Nachbargemeinden Sternberg und Zimmerau. „Der Altlandkreis Königshofen war jedoch nicht nur einer der kleinsten Landkreise in Bayern, sondern wohl auch der industrieärmste“, erinnert sich Albert. Als notwendig und sinnvoll betrachtet Hans Albert heute rückblickend sowohl die Kreis- als auch die Gemeindegebietsreform. Natürlich war die Stimmung bei der ersten gemeinsamen Kreistagswahl 1972 aufgeheizt. Die Wähler der kleineren Kreise Mellrichstadt und Königshofen, die ihre Selbstständigkeit verloren hatten, halfen zusammen und wählten nur ihre Kandidaten, und die Neustädter wollten beweisen, dass die angegliederten Kreise willkommen seien. Sie wählten fleißig auch die Kandidaten aus dem Bereich Königshofen und Mellrichstadt mit. Und so kam, was kommen musste: Im ersten Kreistag hatten die Kreisräte aus den Altlandkreisen Königsofen und Mellrichstadt die Mehrheit.
Und diese Mehrheit war partout nicht damit einverstanden, dass der neue Kreis den Namen Bad Neustadt erhielt, sondern man einigte sich auf Rhön-Grabfeld. Der Name Rhön-Saalekreis stand nicht zur Debatte, denn es war zu hören, dass sich der neue gebildete Landkreis Bad Kissingen eventuell so nennen würde. Beim Autokennzeichen beließ man es freilich bei NES für Bad Neustadt. „Schnell war bei der gemeinsamen Arbeit die Rivalität zwischen NES, MET und KÖN überwunden“,so Albert rückblickend.