„Den Juden bin ich ein Christ, den Christen ein Jude; den Russen bin ich ein Deutscher, den Deutschen ein Russe, den Klassikern ein Zukünftler, den Zukünftlern ein Retrograder… Schlussfolgerung: Ich bin weder Fisch noch Fleisch – ein jammervolles Individuum.“ Das Zitat des Komponisten Anton Rubinstein, das Brigitte Schmidt von der Berufsfachschule für Musik mitgebracht hatte, zeigt die Zerrissenheit der Menschen, die schon im Mittelalter verfolgt, ausgebeutet, vertrieben und getötet wurden. Einen Einblick in ihre Geschichte gibt die Wanderausstellung „Mitten unter uns“ auf eindrucksvolle Weise, sie wurde im Gymnasium Bad Königshofen eröffnet.
Schulleiter Wolfgang Klose und der Initiator der Veranstaltung, Rainer Seelmann, der die Erforschung der Geschichte von Juden aus Königshofen und Umgebung innerhalb von Schüler-Seminararbeiten begleitet, konnten dazu mit Elisabeth Böhrer ein Mitglied des Arbeitskreises „Landjudentum“ begrüßen. Sie hat recherchiert und zahlreiche Materialien zur Verfügung gestellt.
Was die Gäste bei der Ausstellungseröffnung besonders interessierte, waren Berichte über die örtliche jüdische Gemeinde im damaligen Königshofen, die in ihrer Blütezeit mit dem Bau einer eindrucksvollen Synagoge die ortsprägenden Gebäude in der Stadt ergänzte. Auf alten Postkarten ist die Synagoge gleichberechtigt mit Elisabethaspital, Rathaus und Krankenhaus zu sehen.
Mit der Geschichte des Gebäudes hat sich die Gymnasiastin Marie Seiler befasst. Sie trug eine Zusammenfassung ihrer Recherchen vor. In der Zeitung wurde vor rund 110 Jahren von der Einweihung der Synagoge (am 19. Juli 1904) mit lobenden Worten berichtet. Das von der jüdischen Gemeinde selbst finanzierte Gotteshaus begeisterte durch seine Architektur und Ausstattung. In den 30er Jahren schloss sich dieselbe Zeitung der antijüdischen Stimmungsmache an. Trauriger Höhepunkt war die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, als von den Nazis die Inneneinrichtung zerstört und die männlichen Mitglieder der Kultusgemeinde verhaftet und gezwungen wurden, die Sitzbänke zu zersägen.
Paulina Hüllmandel hatte sich mit der Geschichte der Königshöfer Familie Friedmann befasst (wir berichteten). Der Bekleidungs- und Stoffhändler David Friedmann, als Wohltäter der Gemeinde bekannt, war der erste, der auf dem jüdischen Friedhof in Bad Königshofen beerdigt wurde, nachdem er den Zaun dafür spendiert hatte.
Rainer Seelmann, der in Kooperation mit Kreisheimatpfleger Reinhold Albert auch Materialien zur Ausstellung beigetragen hat, erläuterte deren Konzept. Jedem unterfränkischen Landkreis ist ein Thema zugeordnet, Rhön-Grabfeld steht für die Vieh- und Textilienhändler vor 1817. Drei Tafeln haben einen direkten örtlichen Bezug dazu, zahlreiche Roll-Ups ordnen die Geschichte der Landjuden in Unterfranken in einen großen zeitlichen Rahmen ein. Die Ausstellungsbesucher werden unter anderem bekannt gemacht mit der resoluten Charlotte Friedmann, der aufgrund ihrer tüchtigen Mithilfe im Geschäft der Schwiegereltern mit Ehemann Seligmann Friedmann ein Teil des Kaufpreises bei der Geschäftsübergabe erlassen wurde.
Zum jüdischen Leben gehört auch jüdische Musik, die Schülerinnen und Dozentinnen der Berufsfachschule für Musik zur Ausstellungseröffnung präsentierten. Max Bruch war beeindruckt von „der außerordentlichen Schönheit der Melodien“ und vertonte das Gebet „Kol Nidrei“, das Garry Walters (Violoncello) und Gert Drost (Klavier) präsentierten. Romantisch wurde es mit dem Lied „Entbietung“ von Alexander von Zemlinsky, das Svenja Nier (Mezzosopran) vortrug, am Klavier begleitete Ariadne Weigert. Beide kamen noch einmal auf die Bühne gemeinsam mit Amrei Wagenführer (Sopran) und trugen „Wanderers Nachtlied“ von Anton Rubinstein vor. Dessen verarmte, jüdische Vorfahren hatten sich aus wirtschaftlichen und politischen Gründen christlich taufen lassen.
Geöffnet ist die Ausstellung bis 27. März jeweils montags bis freitags von 8 bis 17 Uhr im Gymnasium.