
Alles ist eine Frage der Taktik. Quasi mit der Türe ins Haus fallen, wenn man im Garten eines Fremden sein Zelt aufschlagen will, wird wohl kaum von Erfolg gekrönt sein.
Bernd Müller geht da ganz anders vor, er verwickelt seine potenziellen „Opfer“ zunächst in ein Gespräch, kommt dann erst später zur Sache.
Der Gardensurfer ist auf der Suche nach dem einfachen Leben auf Zeit
Dem 46 Jahre alten Holztechniker und Wirtschaftsinformatiker geht es nicht etwa darum, Geld für ein Zimmer oder den Campingplatz zu sparen, wie er im Gespräch versichert, sondern mehr um ideelle Werte. Müller sucht – wenigstens für kurze Zeit – das einfache Leben, will die Selbstverständlichkeiten des Alltags in Frage stellen.
Kommerziell sollte es nicht sein, nicht buchbar, nicht planbar und auch nicht vorhersehbar. Ganz nebenbei testet er die Gastfreundschaft in deutschen Landen.
Er braucht nur zwei Quadratmeter Wiese und ein wenig Vertrauen
„Ich brauche nur zwei Quadratmeter Wiese und etwas Vertrauen“, notiert der gebürtige Waltershäuser in seinen Aufzeichnungen über den einwöchigen Radtrip entlang der Werra und dem Rennsteig in Thüringen in der ersten Oktoberwoche 2015.
Genau beschreibt Müller, wie er in dem Ort Tiefenort auf der Suche nach einem Schlafplatz in einem Garten Menschen dahingehend taxiert, ob er bei ihnen wohl eine Chance hat. Er selbst achtet bei sich auf ein zivilisiertes Erscheinungsbild, weil „der erste Eindruck entscheidend ist“.
Große Gastfreundschaft gibt es im thüringischen Tiefenort
Zweimal boten ihm freundliche Mitmenschen ihren Garten bereits zur Nutzung an und überschütteten ihn gleich noch mit Wohltaten. Er wird zum Frühstück eingeladen, darf die Toilette und die Gartenbank benutzen, bekommt einen Stromanschluss ans Zelt gelegt und die Einladung, doch die Isomatte und den Schlafsack mit dem bequemen Gästebett zu tauschen. Das ist für Müller dann zu viel des Guten, er will den Leuten nicht zur Last fallen, wie er betont. Vielleicht hätte er ja noch häufiger Erfolg gehabt mit seinem nicht alltäglichen Wunsch, aber das grauselige Regenwetter in dieser Woche macht ihm einen Strich durch die Rechnung.
Zweimal nimmt er sich ein Zimmer, weil er tropfnass ist, und zwei Nächte verbringt er in Schutzhütten des Thüringer Waldes.
Allein in einer Schutzhütte im Thüringer Wald kommt er sich vor wie ein Fremder im Hindukusch
Eine Erfahrung, die er nicht noch einmal machen möchte. „Ich komme mir fast so vor wie ein Fremder am Hindukusch, der in der Wildnis ungeschützt ist“, notiert er sich. Und weiß künftig über sich selbst, dass er wenigstens einen Rest Geborgenheit braucht, um sich wohlzufühlen. Wie es ihm das Gardensurfing bietet. Den Begriff, der an das so genannte Couchsurfing angelehnt ist, hat Müller kreiert.
Im nächsten Oktober geht es wieder los
Sein in Ich-Form verfasstes Manuskript schickt er an verschiedene Trend-Magazine, doch die lehnen dankend ab. „Das passt wohl irgendwie nicht ins Schema“, vermutet Müller und kann sich gut vorstellen, dass manche das, was er da tut, für ein wenig verrückt halten. Doch das stört ihn nicht, vielmehr sieht er sich als Querdenker und Träumer. Seine Familie stellt sich unter Urlaub übrigens etwas ganz anderes vor. „Ich mache auch gerne Urlaub im Hotel“, räumt er im Gespräch mit dieser Redaktion ein.
Im nächsten Oktober soll es mit Rad und Wurfzelt wieder losgehen, dieses Mal entlang der Donau bis zu deren Quelle im Schwarzwald. Bis dorthin würde er gerne in einen Erfahrungsaustausch mit Gleichgesinnten treten. Trotz intensiver Suche im Internet hat Müller bislang noch niemanden aufgespürt, der Ähnliches tut.