Die Mellerschter, also die Mellrichstädter, das ist schon ein Völkchen für sich, denkt sich der Rhönkauz seit ein paar Tagen.
Er kennt ja schon die schwarze Jute-Tasche mit der Aufschrift „New York, Rio, Tokyo, Mellrichstadt“, mit der der Verein „Aktives Mellrichstadt“ selbstbewusst das Streustädtchen in die Riege der großen Metropolen reiht.
Es wird nicht lange dauern, und viele dieser Taschen könnten in den Shopping-Meilen der Bundeshauptstadt Berlin vermehrt aufkreuzen. Denn das Fernbus-Unternehmen Flixbus, das zwischen Dresden und München, Hamburg und Augsburg die Großstädte der Republik verbindet, hat Mellrichstadt, genauer gesagt die Autobahnraststätte Mellrichstädter Höhe, als Haltestelle auserkoren.
Das war gewiss nicht nur ein mitleidvoller Akt, um den Rhönern eine komfortable Möglichkeit zu verschaffen, um aus ihrem gelegentlich hinterwäldlerischen Dasein in eine Stadt zu entfliehen, wo wirklich das Leben pulsiert und nicht nur ein Feuerwehrschlauch bei der Brandschutzübung.
Vielleicht lockt das Angebot auch Hauptstädter hierher, die vom Geschmack einer Berliner Weiße die Nase voll haben und mal ein wirklich gutes Rhöner Bier trinken wollen.
Eine Gefahr, die der Rhönkauz sieht, sollte allerdings nicht außer Acht gelassen werden:
Sowohl die Rhön als auch Berlin haben einen Hotspot zu bieten, der für jeden Touristen zum Pflichtprogramm gehört. Sein Name „Kreuzberg“.
Die Gefahr ist also nicht von der Hand zu weisen, dass in Mellrichstadt Menschen in Wanderschuhen und mit Wanderstöcken ausgerüstet erwartungsvoll in einen Bus einsteigen, um dann beim „Transgenialen Christopher Street Day“ in Kreuzberg von den Berliner Feiernden verdutzt angeschaut zu werden.
Nicht auszudenken andersherum, wenn die große Transgender-Parade der weltoffenen Hauptstadt sich plötzlich mit dem Würzburger Wallfahrerzug mischt, weil ein paar Freaks in Berlin den falschen Bus genommen haben.
Vielleicht haben der Rhöner Kreuzberg und der Berliner Kreuzberg dann doch Gemeinsamkeiten, die sie verbinden. Zu späterer Stunde tummeln sich in oder auf beiden Kreuzbergs doch mitunter Gestalten, die man nicht aus Versehen anrempeln möchte.