
Die Flutkatastrophe im Westen bewegt ganz Deutschland. Die Bilder vom gewaltigen Ausmaß der Zerstörung und der Not der Menschen in den Überschwemmungsgebieten machen betroffen. Für Julian Lörzel aus Oberwaldbehrungen stand sofort fest, dass er etwas tun muss: "Ich habe die Berichte gesehen und überlegt, wie auch wir aus der Rhön den Betroffenen helfen können." Der Bauunternehmer fackelte nicht lange und rief am vergangenen Samstag eine Hilfsaktion ins Leben, die sich in den Sozialen Medien wie ein Lauffeuer verbreitete. In kürzester Zeit kam eine stattliche Anzahl an Baumaschinen, Aggregaten, Decken und Kleidung zusammen und wurde bereits am Sonntagvormittag ins Krisengebiet nach Nordrhein-Westfalen gebracht. Dort kannte die Dankbarkeit keine Grenzen.
Julian Lörzel ist noch tief bewegt, als er am Montag im Gespräch mit dieser Redaktion seine Eindrücke von der Hilfsaktion schildert. Der 34-Jährige hatte am Samstagmittag spontan beschlossen, drei Firmenlastwagen mit Hilfsgütern zu bestücken und in die Flutgebiete zu fahren. In puncto Logistik wandte er sich an Bürgermeister Steffen Malzer, der umgehend den Ostheimer Bauhof als Anlaufstelle für die Abgabe von Hilfsgütern zur Verfügung stellte.
Große Hilfsbereitschaft in der Region
Der Facebook-Aufruf "Wir helfen!", den Lörzels Freundin Jennifer Bühner dann am frühen Nachmittag postete, wurde in Windeseile von unzähligen Menschen geteilt. "Im Krisengebiet in NRW fehlt es an allem. Wir werden heute Nacht mit drei Lkws Sachspenden bzw. Ausrüstungsgegenstände, die leihweise den Menschen vor Ort helfen können, dorthin transportieren. Ab 17 Uhr sind wir beim Bauhof in Ostheim und nehmen Sachspenden und Leihgaben entgegen. Bitte helft alle mit und unterstützt die Menschen mit Decken, Kleidung, Camping-Artikeln und lebensnotwendigen Sachen", hieß es im Post. Und schnell war klar: In Rhön-Grabfeld ist die Hilfsbereitschaft riesig.

Julian Lörzel traute seinen Augen kaum, als er und sein Team mit den Lastwagen am Ostheimer Bauhof ankamen. Eine Schlange von geschätzt 150 Autos reihte sich auf, unzählige Helfer standen parat, um anzupacken und beim Sortieren und Verladen der Güter zu helfen. "Die Solidarität hier war der Wahnsinn, wir haben mit unserem Aufruf offene Türen eingerannt", bedankt er sich gerührt bei allen Helfern.
Stromaggregate und Bautrockner werden gebraucht
Drei Laster und ein Pick-up mit Anhänger wurden vollgeladen – insgesamt gingen 30 Stromaggregate, 40 Bautrockner, ebenso viele Pumpen, Heizgeräte und Lüfter auf die Reise, die von örtlichen Unternehmen zur Verfügung gestellt worden waren. Auch zahlreiche Kanister, gefüllt mit Diesel, wurden von einem Betrieb gespendet, sowie zwei professionelle Feuerwehrpumpen von einer örtlichen Wehr bereitgestellt. Kleidung, Decken, Zelte, Schlafsäcke und Hygieneartikel wurden sortiert und in ebenfalls gespendete Kartons verpackt, beschriftet und eingeladen. Eine Spendenbox, die Julian Lörzel für Geldspenden bereitgestellt hatte, wurde ebenfalls gut gefüllt.

Derweil versuchte Ostheims Stadtchef Steffen Malzer Kontakt zum Krisenstab in Nordrhein-Westfalen aufzunehmen, um abzuklären, wohin die Hilfsgüter gebracht werden sollen. "Wir wollten nicht blind ins Krisengebiet fahren, sondern im Vorfeld eine Anlaufstation ausmachen", schildert Lörzel. Doch das erwies sich als nicht ganz einfach. Werkstattmeister Thomas Orf konnte schließlich weiterhelfen: Er hatte Kontakte in die Gegend um Euskirchen und konnte Ansprechpartner ermitteln. Die Feuerwehr Nettersheim bot den Rhönern an, die Güter in ihr Feuerwehrheim zu bringen, die Abgabe an Bedürftige wollten die Aktiven dann vor Ort organisieren.
Menschen vor Ort sind dankbar für die Hilfe
Um 1 Uhr am Sonntag setzte sich der Konvoi von Ostheim aus in Bewegung, um 7 Uhr kam die Gruppe im Krisengebiet an. Zahlreiche Mitarbeiter von Julian Lörzel waren mit an Bord, so dass die Laster mit Fahrerwechsel ohne Ruhepausen durchfahren konnten. Vor Ort in Nettersheim wurden die Rhöner mit offenen Armen empfangen. Ein Feuerwehrauto wartete an der Autobahnabfahrt auf die Helfer und eskortierte die Gruppe zur Abladestelle. Dort warteten bereits viele Freiwillige, um beim Entladen der Laster zu helfen. "Alle waren gerührt und unendlich dankbar für unsere Hilfe", schildert Julian Lörzel das bewegende Treffen. Ein ausgiebiges Frühstück war der Lohn für die Fahrt durch die Nacht.

Auch der Bürgermeister der Gemeinde Nettersheim, Norbert Crump, empfing die Helfer mit rührenden Worten. Julian Lörzel überreichte ihm zudem 1000 Euro, die in der Spendenbox in Ostheim gesammelt worden waren. Der Bürgermeister versprach, das Geld dort einzusetzen, wo es an nötigsten gebraucht wird.
Die Feuerwehr Nettersheim kümmert sich nun um die Verteilung der Gerätschaften in die betroffenen Gebiete. Auch Kleidung, Decken, Zelte und Schlafsäcke wurden gleich weiterverpackt, um an Bedürftige verteilt zu werden. Die Baumaschinen wurden beschriftet, nach dem Einsatz werden sie wieder zurück an die Rhöner Unternehmen geschickt. Auch dafür sorgt die Feuerwehr.
Zum Abschluss eine Stärkung am Schwimmbad-Kiosk
Zurück in der Heimat wartete am Sonntagabend noch eine schöne Überraschung auf die Helfer: Nicole Seemann hatte die Gruppe ins Mellrichstädter Schwimmbad eingeladen, wo sie an ihrem Kiosk die ganze Mannschaft nach einem anstrengenden Tag bewirtete.
Julian Lörzel ist allen Mitstreitern dankbar und stolz auf die Solidarität in der Heimat. "Es ist einfach toll, wie die örtlichen Firmen und Privatleute zusammengehalten haben. Jeder hat sich überlegt, was er beitragen kann, um den Flutopfern zu helfen", zeigt er sich noch immer gerührt vom großen Erfolg seiner spontanen Aktion. Die Dankbarkeit der Menschen in den Überschwemmungsgebieten ist dafür der größte Lohn.
