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Bad Neustadt
Rhön-Grabfeld: Wie offene Behindertenarbeit auch digital funktioniert
Corona stellt die offene Behindertenarbeit (OBA) der Lebenshilfe Rhön-Grabfeld e. V. vor Herausforderungen. Welche das sind und was der Verein Menschen mit und ohne Handicap bietet.
Derzeit sind Reisen der offenen Behindertenarbeit (OBA) nicht möglich. Wie viel Spaß die Teilnehmer dabei haben, zeigt dieses Foto von vor Corona. Zu sehen sind Stefanie Exner, Katharina Hauck und Steffen Gensler bei einer Ferienfreizeit der OBA im Allgäu im Jahr 2012.
Foto: Christine Wüst | Derzeit sind Reisen der offenen Behindertenarbeit (OBA) nicht möglich. Wie viel Spaß die Teilnehmer dabei haben, zeigt dieses Foto von vor Corona.
Redaktion
 |  aktualisiert: 27.04.2023 11:17 Uhr

Es duftet nach frisch gebackenen Teigschnecken in der Küche der offenen Behindertenarbeit (OBA) der Lebenshilfe Rhön-Grabfeld e. V. Gerne würde Lilly James-Köhler den Geruch und die Freude über die gelungenen Backwerke gemeinsam vor Ort mit allen Teilnehmern genießen - doch wenn James-Köhler derzeit zum Schneckenbacken ruft, ist einiges anders als sonst. Die OBA-Mitarbeiterin knetet, backt und genießt vor der Videokamera, die teilnehmenden Menschen mit Behinderung unter ihrer digitalen Anleitung ebenso, allerdings jeweils bei sich zu Hause. Auch die OBA muss bedingt durch die Pandemie neue Wege finden, um ihre Schützlinge mitzunehmen.

Anlässlich des 50. Geburtstags der Lebenshilfe Rhön-Grabfeld in diesem Jahr gibt die OBA einen Einblick in ihre Arbeit und ihr vielfältiges Angebot. „Im Grunde sind wir eine Mischung aus Vhs, Reisebüro, Betreuungsdienst und Beratungsstelle“, erklärt Bereichsleiterin Christine Wüst. Eine Person mit Behinderung fragt sich, welche Leistungen ihr zustehen. Sie möchte zusammen mit Menschen mit oder auch ohne Beeinträchtigung Spaß haben oder an einer betreuten Urlaubsreise teilnehmen. Die Angehörigen eines Gehandicapten benötigen Entlastung. Bei all diesen Fragen hilft die offene Behindertenarbeit der Lebenshilfe Rhön-Grabfeld.Außerdem bietet sie ein großes Bildungs- und Freizeitprogramm an, das allen Menschen offensteht.

OBA sucht neue Räume

"Die offene Behindertenarbeit gibt es seit 2004. Sie umfasste anfangs nur wenige Angebote im Freizeitbereich und die Familienentlastung", erläutert Wüst. Zunächst kümmerte sich eine sozialpädagogische Fachkraft um die Belange der OBA. Seither habe sich diese stetig weiterentwickelt. Sie gliedert sich heute in die Bereiche "Beratung und Schulung", "Familienentlastender Dienst (FeD)" und "Freizeit- und Bildungsangebote", betreut werden etwa 300 Menschen. Bedingt durch das gewachsene Angebot ist auch der Platzbedarf gestiegen, das Domizil im Untergeschoss der Lebenshilfe-Geschäftsstelle sehr beengt. Deshalb sucht die OBA seit längerem neue Räume, die barrierefrei erreichbar und an öffentliche Verkehrsmittel angeschlossen sind.

Denn inzwischen sind bei der OBA vier Teilzeit-Mitarbeiter beschäftigt, darunter Karina Bach als Verwaltungsfachkraft. Elizabeth "Lilly" James-Köhler koordiniert Reisen und Kursangebote. Christine Wüst verantwortet die Beratung und Schulung, Eva Dziemballa den Familienentlastenden Dienst und die Pflegeberatung. Seit rund eineinhalb Jahren ist außerdem die Projektstelle "Inklusive Lebenswelten", die von der "Aktion Mensch" finanziert wird, an die OBA angedockt. Christina Horovitz zeichnet hier verantwortlich. Am "VielfaltHof" in Leutershausen konzipiert sie vor allem kulturelle Angebote wie zum Beispiel Holzbildhauerkurse. Im Bereich "Inklusion durch Sport" gibt es eine Kooperation mit dem Dart-Team und den Fußballern des FC Strahlungen. Zudem sollen zusammen mit den Volkshochschulen im Landkreis möglichst viele Angebote auch Menschen mit Behinderungen zugänglich gemacht werden.

Das Team der offenen Behindertenarbeit der Lebenshilfe Rhön-Grabfeld (von links): Christina Horovitz, Eva Dziemballa, Christine Wüst, Elizabeth James-Köhler, Karina Bach.
Foto: Selbstauslöser Christina Horovitz | Das Team der offenen Behindertenarbeit der Lebenshilfe Rhön-Grabfeld (von links): Christina Horovitz, Eva Dziemballa, Christine Wüst, Elizabeth James-Köhler, Karina Bach.

Ehrenamtliche machen die Arbeit erst möglich

Ein wichtiger Faktor, der die Arbeit der OBA erst möglich macht, sind laut Christine Wüst die ehrenamtlichen Mitarbeiter. Sie führen die Angebote durch oder betreuen Menschen mit Behinderung individuell. "Leider hatten wir hier bedingt durch Corona einen Einbruch von vorher rund 60 Ehrenamtlichen auf nun etwa 40. Deshalb suchen wir dringend Personen, die hier aktiv werden möchten", sagt Eva Dziemballa. "Manche Ehrenamtliche fahren nur einmal im Jahr mit in den Urlaub, andere leiten einmalig oder regelmäßig Kurse. Wieder andere treffen sich regelmäßig mit einem Klienten und radeln zum Beispiel gemeinsam oder gehen schwimmen. Jeder kann selbst entscheiden, in welchen Bereichen er wie intensiv mitarbeiten möchte".

Die Corona-Krise hat die Arbeit der Organisation auch anderweitig verändert. Gruppenreisen sind seit Ausbruch der Pandemie kaum bis gar nicht mehr möglich. Auch die Kursangebote können nicht wie gewohnt stattfinden. Dennoch sind die Mitarbeiter sehr aktiv, so wurden beispielsweise im "VielfaltHof" in Leutershausen barrierefreie Toiletten installiert und eine Werkstatt eingerichtet. OBA und Projektstelle bespielen regelmäßig den Podcast "Inklusive Lebenswelten" und versuchen, ihren Klienten durch Onlineangebote zumindest einen kleinen Ersatz zu bieten. Man trifft sich zum Online-Stammtisch, im Musikcafé, um gemeinsam zu singen oder bei der Online-Entspannung.

Hemmschwellen sind groß

Christina Horovitz ist es wichtig zu betonen, dass Inklusion auch in Corona-Zeiten nicht in Vergessenheit geraten dürfe. Angebote so zu gestalten, dass Inklusion dauerhaft und nachhaltig gelingt, sieht sie als größte Herausforderung in ihrer Arbeit. Denn einerseits möchten die Menschen mit Behinderung mit Gleichgesinnten in Kontakt sein, bräuchten aber auch die Gemeinschaft mit Nicht-Gehandicapten. Hier ein Kurs-Niveau zu finden, das beide Seiten gleichermaßen abholt, sei nicht immer einfach. "Beide müssen sich trauen und ihre Hemmschwellen und Ängste überwinden." Dies merke sie auch bei ihrer Zusammenarbeit mit lokalen Sport- oder Freizeitvereinen, sagt sie. Dennoch lohne es sich, denn alle profitierten davon.

Die aus der Not geborenen Online-Angebote seien nicht jedermanns Sache, gibt Wüst zu bedenken. "Es ist schwierig, die Menschen hier mit ins Boot zu holen, bei vielen funktioniert es online leider nicht. Ein barrierefreier Zugang ins Netz ist oft nicht gegeben und wenn dann die Eltern mit am PC sitzen müssen, ist der Kurs keine Entlastung mehr für sie. Der persönliche Kontakt fehlt einfach. Die Hoffnung, dass ab Juli wieder Präsenzangebote stattfinden können, ist groß."

Dennoch gebe es auch digital schöne Momente, etwa wenn sich die Teilnehmer freuen, den Leiter des Dart-Treffs wieder einmal zu sehen, wenn auch nur am Bildschirm. Kein vollständiger Ersatz für persönliche Begegnungen, aber immerhin besser als nichts. Und auch wenn das gemeinsame Vor-dem-Ofen-Warten beim Backen fehlt, die Freude über die selbst gebackenen Schnecken lässt sich auch digital teilen.

Das neue Programm von OBA und "VielfaltHof" für das zweite Halbjahr ist erschienen und kann von Interessierten auf der Homepage der Lebenshilfe (www.lebenshilfe-rhoen-grabfeld.de) abgerufen oder im OBA-Büro als Broschüre angefordert werden unter Tel. (09771) 630 994 15 oder oba-ffz@lh-rg.de.

 
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