Wenn Kreiskulturmanager Thomas Eckert im weißen Hemd, mit schwarzer Fliege, mit Weste und schwarz-weißen Lackschuhen das Kreiskulturzentrum betritt, muss etwas besonderes anstehen. Und so war es auch am Sonntagnachmittag. Das "Schellack-Ensemble" aus München verwandelte den Konzertsaal in ein kleines Berliner Theater der 20er Jahre. Auf der Bühne versprühten eine vierköpfige Kapelle mit Sängerin Frida und dem Theaterdirektor Gustav von Schönfrieden die pure Lebenslust, den Drang nach Freiheit, dem innigen Streben nach Neuem, nach Unkonventionellem der 20er Jahre.
Und mit den sechs Musikern reisten an die 200 Besucher im bis auf den letzten Platz besetzten Konzertsaal des Klosters Wechterswinkel mit in die oft so glorifizierte Ära der goldenen Zwanziger. Nett die Idee dabei, das Konzert in eine Rahmenhandlung einzubinden. In jenem kleinen Theater sucht der ein wenig selbstverliebte Theaterdirektor (Peter Wittmann, Gesang) händeringend nach einer Ersatzsängerin für die "wegen eines Schnüpfleins hypochondrische Diva". Er ist schier am Verzweifeln, da "die Kunst vor einer tröpfelnden Nase zu kapitulieren" droht.
Viele "talentfreie Vorsängerinnen" aus der "Generation unbegabt" sind bereits an dem sehr kritischen Theaterdirektor gescheitert. Auch Frida Lange (Svenja Maike-Fischer), die wegen der "Moneten" vorsingt, hat zunächst einen schweren Stand mit Liedern, wie "Davon geht die Welt nicht unter", "Dein Kuss hat mir den Frühling gebracht" oder auch "Die Liebe kommt, die Liebe geht".
Zuviel Depression, zu wenig Harmonie und Melodie. "Der Gesang muss schwungvoll, heiter, froh, stimmungsvoll sein, muss Champagnerlaune und Sinnlichkeit erzeugen", fordert von Schönfrieden, der das gleich mit seinem "Für einen richtigen Mann gibt es keinen Ersatz" unter Beweis stellen will. Doch Frida Lange will nichts von dem angestaubten Liedgut wisse. Sie schwärmt für das Neue, das Moderne, für Lieder des jungen österreichischen Komponisten Hans Eisler und dessen "Lied von der belebenden Wirkung des Geldes". Für den Theaterdirektor schlafen bei solchen Liedern "die Hände, Füße und Arme der Besucher ein".
Doch Frida kann auch anders. Ihre Frage "Kann denn Liebe Sünde sein ?" ist nach von Schönfriedens Worten "für das Provinznest Wechterswinkel zu prüde", was das Publikum gleich mit Buh-Rufen kommentiert. Doch mit Liedern wie "Küssen kann man nicht alleine" oder "Der Wind erzählt mir ein Lied" bringt sie den Theaterdirektor endgültig auf ihre Seite und mit ihrer warmen, dunklen Stimme und der verführerischen Mimik und Gestik fast um den Verstand. So ist es kein Wunder, dass der nicht nur Fridas "ausnehmende Erscheinung" lobt, sondern sich auch danach sehnt, ihr "Badewasser zu riechen".
Ihre Emanzipiertheit und Freizügigkeit, ihre weibliche Ausstrahlung - oder sind es vielleicht auch ihre weiblichen Reize - imponieren dem Theaterdirektor, der doch ursprünglich lieber an Konventionellem festgehalten hätte. "So oder so ist das Leben. So oder so ist es gut", singen die Beiden am Ende und setzen damit einen tollen Schlusspunkt. Für ihre musikalische Leistung werden die sechs Künstler mit stehendem Applaus gefeiert, wofür sie sich dann auch gleich mit zwei Zugaben bedanken.
Eine erstklassige Leistung nicht nur gesanglicher, sondern auch schauspielerischer Art liefern Peter Wittmann und Svenja Maike-Fischer ab. Meisterhaft beherrschen Stefan Radtke (Klavier), Mark Pusker (Klarinette), Beate Fischer (Geige) und Hendrik Fuß (Kontrabass) ihre Instrumente. Thomas Eckert spricht am Ende von einer "wunderbaren Show". Sein ungewöhnliches Outfit hat zu diesem außergewöhnlichen Abend gepasst.