Zum Abschluss des Themenschwerpunkts „Kunststoffchemie“ traf sich der Chemiekurs der 11. Jahrgangsstufe des Gymnasiums zu einer Betriebsbesichtigung bei der Firma Erhard in Bad Königshofen.
Die Firmenchefin des mittelständischen Familienunternehmens Karin Erhard begrüßte die Schülerinnen und Schüler mit ihrer Lehrerin, Silvia Jetschni und stellte den Werdegang des Unternehmens in einem kurzen Abriss dar. Als Gründungsjahr der Firma Erhard ist das Jahr 1934 zu nennen, den Einstieg in die Kunststoffbranche wagte man 1968. Mittlerweile arbeiten 190 Beschäftigte in dem Betrieb, der bis zu 200 verschiedene Kunststoffe im sogenannten Spritzgussverfahren verarbeitet.
Vor allem Automobilzulieferer – einige davon mit Firmensitz in der unmittelbaren Nachbarschaft - sind Kunden des Unternehmens. Die gefertigten Kunststoffteile (im Jahr 2015 insgesamt 60 Millionen) werden auch in die Elektro- und Computerbranche sowie in die Haushalts- und Pharmatechnik geliefert.
Für die Schüler war es spannend die Fachbegriffe aus dem Chemieunterricht jetzt mit dem konkreten Bezug zur Alltags- und Berufswelt zu erleben. Schulwissen war plötzlich hilfreich, um chemische und technische Zusammenhänge zu verstehen und richtig einzuordnen.
Mit den Kunststoffformgebern, -technikern und -ingenieuren gibt es bei der Firma Erhard hoch spezialisierte Experten. Einer dieser Experten, Jürgen Schreppel, der Leiter des Werkzeugbaus, zeigte den Gästen am Beispiel einer Spritzgießform für eine Autoschaltung die Vorgehensweise bei der Entwicklung eines derartigen „Werkzeugs“. Bis zu 50 000 Euro könne solch eine massive Stahlform, die Voraussetzung für den späteren Spritzguss ist, kosten. Etwa 100 Werkzeuge werden jährlich bei der Firma Erhard als Prototyp genau nach Kundenwunsch gefertigt, wobei größte handwerkliche Präzision erforderlich ist, da der Stahl zum Teil bis auf 0,02 Millimeter genau bearbeitet werden muss. Fräs-, Dreh- und Erodiermaschinen helfen den Werkzeugbauern diese Herausforderungen zu meistern.
Beim Verlassen der Werkstatt trafen die Schüler dann auf Kunststoff in Form von Granulat. Polyamide und Polypropylene waren aus dem Unterricht bekannt, viele weitere Kunststoffe, zum Teil mit Glas- oder Kohlefaserzusätzen oder mit spezieller Farbgebung, lernten die Schüler neu kennen. In großen blauen Tonnen, umfunktionierten Papiertonnen, werden die Kunststoffe, die alle thermoplastische Eigenschaften aufweisen, vor dem eigentlichen Spritzguss getrocknet. Der richtige Trocknungsgrad – so die Firmenchefin – ist entscheidend für eine gelungene Weiterverarbeitung.
Diese wurde anschließend in der neuen Produktionshalle gezeigt. Rainer Ziegler, der Leiter der Kunststofffertigung, führte zusammen mit Karin Erhard den Schülerinnen und Schülern an einem Beispiel vor, wie aus dem vorgetrockneten Kunststoffgranulat im Spritzguss ein spezielles Kunststoffteil wird. Durch Erwärmen des Kunststoffgranulats auf eine definierte Temperatur wird dieses flüssig. Der heiße, flüssige Kunststoff wird in das „Werkzeug“ eingespritzt und erstarrt dann beim Abkühlen in der neuen, gewünschten Form.
Auch die Problematik des anfallenden Kunststoffabfalls, die einigen Schülerinnen und Schülern ganz besonders am Herzen lag, wurde thematisiert. Sortenreine Trennung der Abfälle sei Voraussetzung für eine Wiederverwendung, erläuterte die Chefin. Externe Partnerfirmen stellen aus einigen dieser Kunststoffabfälle Regranulat her, das unter bestimmten Bedingungen erneut zum Einsatz kommen könne. Große Mengen des Abfalls würden an Recyclingfirmen verkauft. Allen sei der Wert des endlichen Rohstoffs „Kunststoff“ bewusst, so Karin Erhard.
Die „Chemiker“ der 11. Jahrgangsstufe erlebten an diesem Nachmittag eine ganz besondere, fächerübergreifende Chemiestunde mit einem Einblick in die vielfältigen Aufgabenbereiche, die in einem kunststoffverarbeitenden Betrieb gefragt sind.