In den vergangenen Monaten ließen Polizeimeldungen aufhorchen, nach denen die Mellrichstädter Polizei junge Leute daheim abholte und in die Schule brachte. Elmar Hofmann, Polizeichef der Dienststelle Mellrichstadt, erläutert die Hintergründe: Erreicht die Schule die Eltern eines unentschuldigt fehlenden Kindes nicht, wird die Polizei verständigt. "Wir fahren dann dort hin und klingeln. Die Schülerinnen und Schüler sind eigentlich immer kooperativ und begleiten uns in die Schule", berichtete er.
In der Regel blieben die Jugendlichen nicht absichtlich daheim: "Oft sind die Gründe einfach. Die Eltern haben vergessen, das Kind krankzumelden oder der Wecker wurde überhört", so der Polizeichef. Harte Fälle von Schulverweigerern, die ohne triftigen Grund nicht in die Schule gehen, seien zum Glück selten. "In unserem Dienstbereich gibt es maximal zwei", berichtet Hofmann. Für den Polizeichef eine gute Bilanz.
Unentschuldigtes Fehlen kann viele Gründe haben
Unentschuldigtes Fehlen vom Unterricht kann viele Gründe haben. Wie gravierend ist das Problem, und was können Eltern, Lehrer und Ämter dagegen tun? Die Gründe für das Fehlen sind nicht nur etwa reine Bocklosigkeit, berichten das Jugendamt, der Caritasverband und die Polizei unisono.
Fälle von Schulverweigerung liegen zunächst im Verantwortungsbereich der Schulen. Sobald die Schulen selbst nicht mehr weiterwissen oder zusätzliche Hilfe benötigen, können sie sich beim Jugendamt melden. "Wir verschaffen uns dann einen Überblick, versuchen die Hintergründe zu erfragen und treten in Kontakt mit den Betroffenen und deren Eltern", so der Sozialpädagoge und Leiter der Sozialen Dienste im Landratsamt Rhön-Grabfeld, Michael Reinhart. "Am Anfang muss differenziert werden, weshalb das Kind der Schule fernbleibt. Wir versuchen anschließend die Familie und das Kind im Rahmen der Jugendhilfemaßnahmen zu unterstützen", erzählt Reinhart.
Stärkerer Medienkonsum in Zeiten der Isolation durch Corona
Gerade durch die Corona-Pandemie habe sich das Problem verstärkt, sagt Michael Reinhart, Sozialpädagoge und Leiter der sozialen Dienste im Landratsamt Rhön-Grabfeld. "Corona war ein Brandbeschleuniger für psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen." Der im Lockdown zu Hause stattfindende Unterricht ist bei einigen zur Gewohnheit geworden. Bequem daheim bleiben anstatt morgens das Haus zu verlassen, für viele Jugendliche keine schlechte Veränderung des Schulalltags.
Ein weiterer Grund, den Reinhart für das verstärkte Auftreten von Schulverweigerern in letzter Zeit hält, ist der durch die soziale Isolation entstandene erhöhte Konsum von Medien. "Das Fernbleiben kann auch psychische Gründe haben, wie beispielsweise eine entwickelte Abhängigkeit von Neuen Medien. In solchen Fällen kann ambulante, psychiatrische und therapeutische Hilfe bereitgestellt werden". Um Probleme frühzeitig zu erkennen oder beinahe komplett zu vermeiden, ist laut Reinhart vor allem eines entscheidend: Eine enge Kooperation zwischen Eltern und Schulen.
Zahl der Beratungsanfragen im Jahr 2021 verdoppelt
Eine weitere mögliche Anlaufstelle für Betroffene und Hilfesuchende ist der Caritasverband. "Jeder Fall ist unterschiedlich", berichtet Markus Till, Leiter der Eltern-, Jugendlichen- und Erziehungsberatungsstelle des Caritasverbandes für den Landkreis Rhön-Grabfeld. "Da gibt es Fälle von Masken- und Testverweigerern, psychisch bedingte Fälle, wie beispielsweise Angst vor Mobbing, zu hoher Leistungsdruck oder das bloße Schwänzen ohne triftigen Grund."
Eins lässt sich jedenfalls feststellen: Das Problem ist aktuell. "Die Zahl der Beratungsanfragen hat sich im Jahr 2021 bei uns mehr als verdoppelt", so der Diplom-Pädagoge. Wichtig ist es, derartige Probleme früh zu erkennen und sich an die passenden Beratungsstellen zu wenden. Im Falle von Schulverweigerern sollten Eltern eine klare Gegenposition einnehmen und die Ursache dafür ausfindig machen. Die eine Lösung gibt es nicht. "Jeder Fall ist unterschiedlich, deshalb ist es wichtig miteinander zu kommunizieren und die passenden Schritte einzuleiten", erklärt Markus Till.