Wenn Thorsten Schilling das letzte Türchen am Büro-Adventskalender öffnet, ist es wieder so weit: Er hat Dienst an Heiligabend und kann nicht bei seiner Familie sein. "Ich mache das freiwillig", versichert der Polizeihauptmeister. "Als meine Kinder klein waren, haben andere Kollegen den Dienst übernommen, das gebe ich jetzt zurück."
Für ihn ist das völlig in Ordnung, dass Familienväter bevorzugt werden, seine Kinder sind erwachsen und mit seiner Frau hat er das abgesprochen. Ein kleiner, künstlicher Tannenbaum verbreitet weihnachtliche Atmosphäre im Büro der Polizeistation Bad Königshofen, ansonsten ist auch an Heiligabend Dienst wie immer. Das heißt, die Diensthabenden fahren Streife, reagieren auf Anrufe und erledigen Büroarbeit. "Man kann nie voraussehen, was passiert, ob es ruhig wird oder stressig", sagt der 47-Jährige, der schon viele Feiertagsdienste hinter sich hat.
Streitigkeit eskalieren an Weihnachten schneller
Unterscheidet sich der Dienst an den Feiertagen von dem an normalen Tagen? Nach seiner Erfahrung, die er in vielen Jahren gesammelt hat, sind Streitigkeiten, wenn sie ausbrechen, intensiver als sonst. Das mag daran liegen, dass die Familienangehörigen länger als sonst zusammen sind und dass die Erwartungshaltung an Weihnachten als fröhliches Fest der Familie besonders hoch ist. Der Alkoholpegel trägt zu Eskalationen bei, die Leute trinken im Durchschnitt an den Feiertagen mehr als sonst.
Zu Schillings kuriosen Erfahrungen gehört ein Nachbarschaftsstreit, der gerade am Heiligen Abend eskaliert ist. Verbale Beleidigungen wurden gewechselt, "Pfauenmörder" an eine Wand gepinselt und die Polizei musste schlichten. Grund: Ein Pfau war verschwunden, ob ihn ein Marder, ein Fuchs oder der Nachbar beseitigt hat, konnte nicht geklärt werden.
Kleine Unfälle gibt es immer wieder, einmal musste ein völlig betrunkener Autofahrer aus dem Verkehr gezogen werden. Ein Polizist, der eigentlich frei hatte, sah die Schlangenlinien, die der Betroffene fuhr und informierte seine Kollegen. Einer gefährlichen Körperverletzung musste Schilling einmal nachgehen, zwei alkoholisierte Männer gerieten in Streit, einer schlug den anderen mit einem Gegenstand auf den Kopf. Über eines ist der Polizist ganz froh: Es gab in den 30 Jahren, in denen er im Dienst ist, keinen Selbstmord. Man sollte meinen, dass die Depressionen zu Weihnachten bei einigen Menschen besonders schlimm sind, aber er hat das zum Glück noch nicht erleben müssen.
Auf dem Land sind die Leute vernünftiger
Dieses Weihnachtsfest ist ein besonderes, weil Hygienevorschriften und Ausgangssperre eingehalten werden müssen. "Man appelliert an die Vernunft der Leute", sagt Schilling. "Wir machen auf Ordnungswidrigkeiten aufmerksam, man muss mit den Leuten reden." Auch an Silvester schiebt Schilling freiwillig Dienst.
Feuerwerk ist nicht erlaubt, aber "Wir werden nicht jedem Böller und jeder Rakete hinterherlaufen, die jemand aus seinen Altbeständen abfeuert." Das Ganze ist schwer zu kontrollieren und im eigenen Garten auch erlaubt. Man wird wohl die bekannten Treffpunkte im Auge haben, wo sich Jugendliche normalerweise zu gemeinsamen Feiern um Mitternacht versammeln. Die Ausgangssperre ist an Silvester nicht aufgehoben. Schilling beneidet die Kollegen in den großen Städten nicht. "Bei uns auf dem Land ist es vergleichsweise ruhiger und die Vernunft noch besser", meint er.
Ein Lob spricht Schilling den Bad Königshöfer Fachgeschäften aus, die alle ein gutes Hygienekonzept haben und das auch einhalten. Da musste die Polizei nicht eingreifen. Im Moment sind sie wegen des Shutdowns geschlossen. Die Supermärkte kontrollieren die Anzahl der Kunden pro Quadratmeter über die Anzahl der Einkaufswagen. Wer keinen mehr bekommt, muss warten, bis jemand herauskommt und einen abgibt.
Manche Bürger sagen Dankeschön
Bedankt sich mal jemand, dass die Polizei auch an den Feiertagen unterwegs ist? "Das kommt manchmal vor, wenn man auf Streife ist", beantwortet der Polizist die Frage. Besonders ältere Menschen sind froh, dass jemand nach dem Rechten schaut und im Notfall zur Stelle ist. Auch der Landrat kommt in jedem Jahr vorbei, bedankt sich und wünscht frohe Feiertage, berichtet er.
Mit einem ruhigen Verlauf der Festtage rechnet der Polizeihauptmeister und hofft, dass er Recht behält. Wenn es Vorkommnisse gibt, ist die Polizei jederzeit zu erreichen. Entweder ist jemand direkt im Büro oder es ist eine Rufweiterleitung nach Bad Neustadt eingerichtet. Die Telefonnummer in Bad Königshofen ist (09761) 9060.