
Ein besonders heikler Fall eines sexuellen Übergriffs und sexueller Nötigung wurde vor dem Amtsgericht Bad Neustadt verhandelt. Ein Physiotherapeut aus dem Landkreis soll an einem Patienten Handlungen vorgenommen haben, die über das therapeutisch Erforderliche hinausgingen und die Intimsphäre des Behandelten verletzten.
Der Angeklagte bezeichnete in seiner Aussage alle Geschehnisse in der Praxis als medizinisch angemessene Vorgehensweisen. Das Gericht kam zu einer anderen Einschätzung und verurteilte den Physiotherapeuten zu einer Freiheitsstrafe.
Zwölf Behandlungstermine nahm der Hauptzeuge wahr, schilderte der Staatsanwalt. Der Anklagevertreter unterstellte dem Angeklagten, falsche Diagnosen erstellt zu haben, die ihm Behandlungsoptionen eröffneten, welche dann in sexuelle Übergriffe mündeten.
Der Angeklagte erklärte vor Gericht zunächst seine beruflichen Qualifikationen, um seine Befähigung zur Behandlung von Patienten zu untermauern. Er habe verschiedene Tests zur Beweglichkeit des Patienten vorgenommen und Schädigungen an Knie, Hüftbereich und Oberschenkel festgestellt.
Die Behandlung bestand aus Massagen. Er habe den jungen Mann sogar in ein benachbartes Fitnessstudio begleitet, um Übungen zu zeigen, die die Therapie unterstützten.
Gutachter: Berührungen medizinisch nicht begründbar
Im weiteren Verlauf beschrieb der Angeklagte, dass sich im Laufe der Therapie fast ein freundschaftliches Verhältnis zu dem Patienten aufgebaut habe. Er habe dem Patienten sogar angeboten, für ihn Einkäufe vorzunehmen, weil der wegen einer Coronaerkrankung nicht das Haus verlassen durfte. Umso mehr sei er verwundert gewesen, als gegen Ende der Therapie der Patient jeden privaten Kontakt einstellte und nicht mehr mit ihm geredet habe.
Zur Befragung des Betroffenen wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Nach Aussage eines Gutachters seien die Massagegriffe und Berührungen am Intimbereich medizinisch nicht begründbar.
Das Gericht verurteilte den Angeklagten daher zu einer Haftstrafe von einem Jahr und zehn Monaten, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.