Schlossherrin Edeltraut Rapp hatte am Sonntag Schloss Wolzogen geöffnet und empfing die Gäste zur Führung durch die Bildersammlung von Peter Klier. Der Mellrichstädter Künstler, der in der Region auch der Rhöner Spitzweg genannt wird, hatte sich eigens dafür Zeit genommen, seinen Bilderzyklus über das Mellrichstadt um 1800 zu beleuchten.
Das älteste Bild zeigt den Weg von der Gärtnerei Loose zum Bahnhof, die Kirche hat noch zwei Türme. Eine völlig ungewohnte Ansicht bietet der alte Friedhof an der Stadtpfarrkirche. Es ist davon auszugehen, dass die Durchfahrt zur Bauerngasse erst 1802 geschaffen wurde. An die Kirche angebaut ist ein Knochenhaus, damals für die Gebeine, heute die Sakristei. Auf dem alten Friedhof vor der Mauer mit dem Bürgerturm im Hintergrund wurden erst seit 1796 beide Konfessionen bestattet. Lustig vom Künstler in Szene gesetzt ein Männlein und Weiblein auf dem Friedhof gemäß dem Motto: „Auf dem Friedhof funkt es“.
Kleine Kunstwerke zum Schmunzeln
Ein nächtliches Streitgespräch in der Kapellengasse endet mit einem ausgekippten Nachttopf. Von der oberen Torgasse hat man einen Blick auf die drei Türme des oberen Tores, von denen heute nur noch einer existiert, dahinter ist das alte Schloss zu sehen. Auf einem anderen Bild steht „Der Hausfreund“ mit Zylinder neben der jungen Angebeteten, während der alte Gatte nichtsahnend daneben sitzt. Neugierig schaut die Nachbarin aus ihrem Fenster, eine zeitlose Szene. An der Stadtmauer, wie sie vermutlich einmal ausgesehen hat, hält ein Soldat die Wacht, das Bajonett an die Mauer gelehnt, ein Strickzeug in der Hand, während die Katze mit den Wollknäueln spielt - eine fast friedliche Idylle.
Gegenüber der Badpforte befindet sich das Badehaus, wovon es zwei in Mellrichstadt gab. Ein weiteres war in der Hauptstraße, wo heute eine Spielhalle zu finden ist. Ärzte gab es früher keine, der Bader hat die Leute kuriert und sogar Zähne gezogen. In diesem Haus ging es recht lustig und freizügig zu, allerdings hörte im 15. Jahrhundert der Spaß auf, als die Syphilis Einzug hielt. Die Mädchenschule, in der ab 1879 Religionsunterricht für Kinder jüdischen Glaubens stattfand, wird im Augenblick saniert, um Wohnraum für Asylbewerber zu schaffen. Auf dem Bild hat der Lehrer einen Rohrstock in der Hand und zetert über eine zerbrochene Schiefertafel.
Buntes Treiben herrschte auf dem Marktplatz, es muss wohl gerade Fasching gewesen sein. Das alte Rathaus von 1844 steht links, deutlich erkennbar in der Hauptstraße die „Schwane“, das Bankhaus Nathan Stern (heute Wukowojac), das Fachwerkhaus, in dem nun ein Reisebüro untergebracht ist und die Apotheke, die heute Optik Jahn beherbergt. In der Langgasse hat sich bis dato nicht viel verändert. Idyllisch sieht es Marktplatz aus, wo noch der Brunnen nahe an der Metzgerei Katz, heute Martin-Apotheke, seinen Platz hat und die Gänse fröhlich herum laufen.
Unter der Badpforte küsst sich ein Liebespaar, unter anderem beobachtet von einem Pfarrer mit schwarzem Schnurrbart. Ein Pfarrherr jüngerer Zeit soll sich hier wohl wieder erkannt haben. Frühschoppen im "Goldenen Ross", feuchtfröhlich die Herren, während die Damen mit erhobenem Zeigefinger warten. Zu sehen auch noch der Linsenbrunnen, dahinter das schönste Fachwerkhaus der Stadt. Später wurde es abgerissen und ein Kino hingestellt.
Der Zeppelin über Mellrichstadt, von der Streuwiese kommend schwebt er über den Brückenheiligen hinweg. Die Streumühle mit dem Mühlrad ist zu sehen, im Hintergrund die Synagoge und die Stadtpfarrkirche. Beklagenswert „Die zerstörte Kapelle“, die alte St. Laurentiuskapelle, die von den Schweden zerstört wurde. Heute steht dort die Annakapelle. Etwas makaber ist der dreischläfrige Galgen, an dem drei Delinquenten gleichzeitig aufgehängt werden konnten. Der letzte Galgen wurde 1664 errichtet.
Ein amüsanter Rundgang
Dann war der amüsante Rundgang mit Peter „Spitzweg“ Klier auch schon zu Ende. Etwa 140 seiner Kunstwerke hat er dem Schloss als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt, die immer wieder mal ausgewechselt werden. In liebenswerter, humoristischer Art verbindet er Alt-Mellrichstadt, wie es um 1800 ausgesehen haben könnte, mit alltäglichen, allzu menschlichen Szenen und nimmt mit scharfer Beobachtungsgabe schmunzelnd und mit dem Schalk im Auge manche Marotten aufs Korn.
Neben Schlossherrin Edeltraut Rapp und ihrer Gehilfin Gitta Wolf freuten sich auch zwei Damen aus Ostheim, ihren einstigen Berufsschullehrer „mit der Fliege“ – so war er ihnen noch geläufig - wiederzusehen. Man darf schon gespannt sein, welche Motive ein möglicher neuer Kalender zu bieten hat. Bilder daraus werden dann ebenfalls in Wolzogen zu sehen sein. Ein Besuch dort lohnt sich also immer wieder, auch, um die Bilder aus dem Nachlass des Mellrichstädter Fotografen Anton Tretter, der das kleinstädtisch-bürgerliche Leben zu Beginn des 20. Jahrhunderts dokumentierte, anzusehen oder die Porzellansammlung von Heinrich Reich zu bewundern. Oder um die Gastfreundlichkeit des ehrenamtlichen Schlosspersonals zu genießen.