Sommerliches Open-Air-Kino wird meist mit leichterer Filmkost versehen. Schöne Unterhaltung im Liegestuhl an einem lauen Sommerabend. Die Kulturagentur ging im Innenhof des Klosters Wechterswinkel aber einen anderen Weg und präsentierte einen der ersten Horrorfilme der Kinogeschichte: "Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens". Der Grund für dieses etwas andere Open-Air-Kinoerlebnis ist schnell erklärt: Der Filmklassiker von Friedrich Wilhelm Murnau feiert in diesem Jahr sein 100. Jubiläum.
Den lauen Sommerabend sollte das Publikum im Klosterinnenhof bekommen, die kühlen Getränke ebenfalls. Und das mit dem Horror? Nun ja, "Nosferatu" ist im Vergleich zu heutigen Schockern doch eher eine leidlich sanfte Horrorversion. Man mag sich jedoch auf den Stühlen im von Fledermäusen durchflogenen Innenhof gerne das Publikum aus den 1920-er Jahren vorstellen, das diesen Film gesehen hat. Da bekam der Schrecken einen Namen, der auch heute, nach 100 Jahren, unter Cineasten einen wohlfeilen Klang hat. "Nosferatu" ist ein Film, dessen Inhalt an Bram Stokers "Dracula" angelehnt ist, und der ob seiner zahlreichen seinerzeit völlig neuen Regie-, Kamera- und Lichttechnik Maßstäbe gesetzt hat, die bis heute gelten.
Der Kulturagentur ist es zu verdanken, dass sich das Publikum zum 100. Geburtstag von "Nosferatu" die kompletten 94 Minuten Filmdauer lang ganz auf das schwarzweiße Stummfilmspektakel konzentrieren durfte. Kulturmanager Guido Böhm nahm sich bei Einbruch der Dunkelheit die Zeit, dem Publikum die Eigenheiten und Besonderheiten von "Nosferatu" für die Filmindustrie näherzubringen.
Musikalische Untermalung
Zu einem Stummfilm gehört traditionell eine live gespielte musikalische Umrahmung, so wie damals in den Urzeiten des Kinos. "Jazz von heute für Filme von vorgestern" spielen Küspert und Kollegen ausgesprochen gerne und ausgesprochen gut. Mit Werner Küspert (Gitarre), Till Martin (Saxophon und Klarinette), Henning Sievert (Kontrabass) und Bastian Jütte (Schlagzeug) gelingt eine musikalische Untermalung des Filmklassikers, die ohne allzu dramatisch hervorgehobene Schockeffekte daherkommt. Vielmehr nehmen sich Küspert und Kollegen der Gesamtstimmung des Films an, vertonen Naturaufnahmen, das Volkstümliche der Menschen in den Dörfern und Städten und den eher märchenhaften Charakter des Films. Die große Dramatik des Streifens begleiteten Küspert und Kollegen eher zurückhaltend und ließen hier die großartigen Bilder von Friedrich W. Murnau sprechen.
"Nosferatu" ist ein Juwel der Kinogeschichte. Das Filmmärchen um den jungen Thomas Hutter (Gustav von Wangenheim), der in die weit entfernten Karpaten aufbricht, um dort dem Grafen Orlok (Nosferatu, gespielt von Max Schreck) ein Haus in seiner Heimatstadt Wisborg zu verkaufen, ist legendär. Denn mit dem Verkauf besiegelt der junge Mann nicht nur das Schicksal seiner Gattin, sondern auch beinahe seiner ganzen Stadt. Denn Graf Orlok ist ein Vampir, der via Seefahrt die Pest in die Stadt bringt und so Not und Elend. Nur die von düsteren Vorahnungen geplagt Ellen Hutter (Greta Schröder) weiß, dass sie sich selbst dem Vampir opfern muss, um ihren Mann und die ganze Stadt zu retten. Ein Vorhaben, das ihr letztlich unter Hingabe ihres Lebens gelingt.
Eine brillante Verfilmung
Die brillante Verfilmung Murnaus nur wenige Jahre nach dem Ersten Weltkrieg und die Verweise auf Seuchen und autokrate Herrscher, die auf nichts und niemanden Rücksicht nehmen, zeigt, wie aktuell "Nosferatu" auch 100 Jahre nach seiner Entstehung ist. In Verbindung mit der Musik von Küspert und Kollegen ist das Kinoerlebnis "Nosferatu" überaus eindringlich und nachhaltig beeindruckend. Und ein wenig Grusel bietet die fulminante Darstellung des Nosferatu durch Max Schreck (1879-1936) auch in unserer Zeit noch.