Klimawandel, Trockenheit und Borkenkäfer: Auch die Rhöner Wälder leiden, viele Bäume sind krank. Gleichzeitig wächst die Nachfrage nach dem Energieträger Holz, aber auch die Unsicherheit, ob er in Zeiten der Heizungswende noch verwendet werden kann. Die Themen Wald und Holz beschäftigen und werfen Fragen auf. Im Vorfeld der Holz- und Energietage in Oberelsbach am 28. September und 1. Oktober stellt sich der Leiter des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) in Bad Neustadt, Oliver Kröner, einigen dieser Fragen.
Oliver Kröner: Zum Teil büßen wir noch für Fehler aus der Vergangenheit. Man hat lange auf wirtschaftlich interessante Baumarten wie Fichte und Kiefer gesetzt, die von Natur aus bei uns gar nicht vorkommen. Dass es mit der Fichte schon unter normalen Bedingungen schwierig wird, war Förstern und Waldbesitzern schon länger klar. Was jetzt dazukommt, ist die Klimakrise mit höheren Temperaturen, geringeren Niederschlägen sowie längeren Hitze- und Trockenperioden. Dadurch werden die Bäume geschwächt und Insekten wie Borkenkäfer begünstigt, die dann die Bäume zum Absterben bringen können. In der Konsequenz bedeutet das: Die Fichte ist bei uns ein Auslaufmodell. Sie wird weitgehend verschwinden. Der Borkenkäfer ist selbst in den Hochlagen der Rhön, zum Beispiel am Münzkopf oder in den Schwarzen Bergen, angekommen und breitet sich weiter aus. Wir haben aber auch Probleme mit der Kiefer, einem Baum, der mit Trockenheit ganz gut klarkommt, aber nicht mit derart hohen Temperaturen. Und selbst Buchen und Eichen beginnen auf schlechteren Böden bereits zu schwächeln.
Kröner: Wälder erfüllen viele verschiedene Funktionen. Wir sprechen daher gerne von einer „multifunktionalen Waldbewirtschaftung“. Wichtig ist die Rohstofffunktion unserer Wälder. Deutschland ist unter dem Strich ein Importland für Holz. Wir sollten daher einen möglichst großen Teil unseres Holzbedarfs unter hohen Bewirtschaftungsstandards im eigenen Land produzieren. Genauso wichtig sind unsere Wälder aber auch für die Artenvielfalt, für den Boden- und Wasserschutz, als CO₂-Speicher für den Klimaschutz und gerade in der Rhön auch für die Erholung und das Naturerlebnis.
Kröner: Zum Glück sind bei uns Wälder bisher nicht großflächig abgestorben wie beispielsweise im nahe gelegenen Frankenwald auf vielen Tausend Hektar. Aber wir haben schon auch Bereiche, wie im Stadtwald Bad Königshofen, wo Fichtenbestände auf mehreren zehn Hektar zusammenhängend abgestorben sind. Und wer mit offenen Augen unterwegs ist, kann nicht übersehen, dass fast überall einzelne Bäume oder kleinere Flächen abgestorben oder in schlechter Verfassung sind.
Kröner: Momentan fällt wegen der Waldschäden viel Holz und damit auch Brennholz an. Aber das steht natürlich nicht auf Dauer zur Verfügung. Wir wollen ja eine nachhaltige Holzbereitstellung, also dass nur so viel genutzt wird, wie auch nachwächst. Bei der Holznutzung wird man sich dann in der Zukunft durchaus etwas zurückhalten müssen
Kröner: Na ja, wir müssen uns darauf einstellen, dass es noch schlimmer wird. Die Klimakrise ist in vollem Gange. Das bekommt ja jeder mit. Das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens ist nicht mehr einzuhalten. In dem Maß, wie der Temperaturanstieg weitergeht, Witterungsextreme und Dürre zunehmen, werden sich die Schäden verstärken.
Kröner: Es wird auch in 50 Jahren noch Wald in der Rhön geben, aber wir müssen uns darauf einstellen, dass dieser anders aussehen wird. Es werden andere Wälder sein, mit anderen Baumarten. Vielleicht auch keine so produktiven Wälder mehr, was die Holz- die Rohstofffunktion anbelangt. Und auf den schwierigsten Standorten wird es zunehmend um das Thema Walderhalt gehen, also dass da überhaupt noch eine Bestockung steht, die irgendwie an Wald erinnert, um den Boden festzuhalten.
Kröner: Bisher haben wir uns auf einen Temperaturanstieg von 1,8 Grad eingestellt. Wir sind in der Region ja schon bei 1,5 Grad. Die Forstverwaltung arbeitet aktuell an Szenarien, die einen noch stärkeren Klimawandel berücksichtigen. Für 32 Baumarten haben wir bereits sogenannte Anbaurisiko-Karten. Diese sind für unsere Förster eine wichtige Hilfestellung bei der Beratung von Waldbesitzern, wenn es darum geht, auf welche Baumarten Waldbesitzer künftig noch setzen können.
Kröner: Die politische Beschlusslage in Bayern besagt, dass zehn Prozent des Staatswaldes nicht mehr bewirtschaftet werden sollen. Das ist auch umgesetzt. Bei uns sind die Kernzonen im Biosphärenreservat und die Naturwaldreservate als sogenannte „Naturwälder“ ausgewiesen. Dazu gibt es einen Landtagsbeschluss, dass es keine weiteren Stilllegungen mehr geben soll und das ist auch gut so. Denn auch die bewirtschafteten Wälder sollen möglichst naturnahe, gemischte, klimaresiliente Wälder sein, in denen Waldnaturschutz gelebt wird.
Kröner: In den vergangenen Jahrzehnten waren Mischwälder schon immer unser Ziel. Die Frage ist, wie man dazu kommt. Mit Naturverjüngung zu arbeiten, also dass sich die Bäume selbst ansamen, hat zunächst einen gewissen Vorrang vor Pflanzung. Aber das stößt an Grenzen. In der Naturverjüngung können ja nur die Baumarten vorkommen, die im näheren Umfeld vorhanden sind. Das heißt aber nicht, dass das klimatolerante Baumarten sind. Es macht dann Sinn, Baumarten zu pflanzen, die sich nicht von selbst ansamen können. Entscheidend ist, dass wir klimatolerante Baumarten bekommen, die auch die nächsten 100 Jahre mit den Klimabedingungen zurechtkommen.
Kröner: Eine waldgerechte Jagd war schon immer wichtig, um die nächste Waldgeneration ohne völlig unwirtschaftliche Schutzmaßnahmen wie Zäune oder Wuchshüllen hochzubringen. In der Klimakrise wird eine waldgerechte Jagd noch wichtiger, weil der Druck im Kessel steigt. Jagd ist zunehmend eine wichtige Dienstleistung für Waldbesitzer und Gesellschaft. Ich hoffe sehr, dass sich alle Jäger ihrer großen Verantwortung bewusst sind, ihren Abschlussverpflichtungen nachkommen und die Wildbestände auf einem Level halten, dass zukunftsfähige Wälder eine Chance haben. Auch in der Rhön gibt es bessere und schlechtere Beispiele. Überall sind wir sicher noch nicht am Ziel.
Kröner: Am meisten beschäftigen uns die Fragen, mit welchen Baumarten und mit welchen waldbaulichen Strategien wir künftig arbeiten. Bei letzteren gibt es einen Trend, die Waldbestände wieder geschlossener und damit schattiger, kühler und feuchter zu halten, was sich auf die Vitalität der Bäume positiv auswirken sollte.
Kröner: Das sind eigentlich zwei Themen. Bauen mit Holz ist auf alle Fälle zeitgemäß. Das ist ein aktiver Beitrag zum Klimaschutz, da das Holz als Kohlenstoffspeicher dient und andere klimaschädlichere Baustoffe ersetzt. Beim Heizen mit Holz landet der Kohlenstoff relativ schnell als CO₂ in der Atmosphäre. Das wird momentan auch von der EU infrage gestellt. Aber gerade im ländlichen Raum muss auch Heizen mit Holz eine Option bleiben - unter der Prämisse, dass keine höherwertigen Stammhölzer gleich zu Brennholzscheiten verarbeitet werden.
Ausführlich diskutiert wird genau diese Frage übrigens bei einem Diskussionsforum im Rahmen der „Oberelsbacher Gespräche am 28. September ab 19 Uhr in der Elstalhalle. Dabei diskutieren Josef Ziegler, Präsident des Bayerischen Waldbesitzerverbandes, Dietmar Reith, Forstunternehmer und Verbandsvertreter und Dr. Ralf Straußberger vom Bund Naturschutz. Am 1. Oktober findet in Oberelsbach dann wieder der „Holz- und Energietag“ statt.
Zur Person
Holz und Energietage in Oberelsbach
Ein zweiter wichtiger Termin für alle, die das Thema Holz interessiert, ist eine hochrangig besetzte Podiumsdiskussion am Donnerstag zuvor, am 28. September, ab 19 Uhr in der Elstalhalle. Beim "Oberelsbacher Gespräch" wird das Thema "Heizen und Bauen - ist die Verwendung von Holz überhaupt noch zeitgemäß?" für einigen Zündstoff sorgen. Es diskutieren Josef Ziegler, Präsident des bayerischen Waldbesitzerverbandes, Dietmar Reith, Forstunternehmer und Verbandsvertreter, und Ralf Staußberger vom Bund Naturschutz. Moderiert wird der Abend von Oliver Kröner.