„Der Frankfurter ist ein Verrückter“ – dieser Ausspruch ist für Alwin Merz keine Beleidigung, sondern eine Bestätigung dafür, dass er nicht mit der Masse schwimmt, sondern nach eigenen Prinzipien lebt. „Ich bin gern verrückt“, betont der Wahl-Großbardorfer, der in diesem Jahr noch seinen 80. Geburtstag feiern kann. Was an ihm besonders auffällt: Er trägt keine Schuhe, auch nicht im Winter.
Schuhe engen ein
Das Barfußgehen hat sich über mehrere Jahre entwickelt. Zunächst nur im Sommer bis in den Herbst hinein praktiziert, zögerte er den Zeitpunkt des Schuhe-Anziehens immer weiter heraus, bis es ihm gelang, ganzjährig auf sie zu verzichten. „Schuhe engen mich ein. Ohne sie fühle ich mich erdverbunden, das macht Spaß, ist gesund und ich habe eine Reflexzonenmassage gratis“, sagt Merz.
Nach 14 Jahren barfußlaufen sind seine Füße schon abgehärtet, aber mit weniger Hornhaut bedeckt als man vermutet, weil diese sich auch wieder abläuft. Große Verletzungen hat er noch nie davongetragen, er geht vorsichtig, besonders in der Nähe eines Glascontainers. „Ich habe eher kalte Hände als kalte Füße“, bekundet er, nach seinem Kälteempfinden gefragt. Beim Schneeschaufeln legt er aber Pausen ein, wenn es ihm zu ungemütlich wird. Eine besondere Vorsichtsmaßnahme hat er als Zugeständnis im Auto deponiert: Neben dem Ersatzreifen liegt ein Paar Mokassins für den Fall, dass er im Winter einen Unfall hat oder im Schnee Reifen wechseln muss.
Naturverbunden leben
Als Aussteiger beschreibt sich Alwin Merz, er hatte die Ellenbogengesellschaft und die Rücksichtslosigkeit der Menschen in der Großstadt satt. Er wollte naturverbunden, einfach und nach ethischen Grundsätzen leben. Über den Buddhismus hatte er viel gelesen und war von den Grundlagen dieser religiösen Richtung überzeugt. Seit rund 40 Jahren versucht er nach den Prinzipien des ursprünglichen Buddhismus zu leben und ließ sich auch ganz offiziell vom Lama Ole Nydahl in die Gemeinschaft aufnehmen – ein ganz besonderes Erlebnis.
Eine fast lebensgroße, freundliche Buddhafigur und Gebetsfahnen in seinem Garten zeigen den Mitbürgern, dass hier jemand wohnt, der anders denkt. „Lachen ist Leben, Leben ist Lachen“ steht auf dem Sockel. Einmal ist die Figur von Betrunkenen umgestoßen worden, danach hat er sie mit Beton ausgegossen und besser verankert.
Yoga und der lachende Buddha
„Inzwischen haben mich die Leute hier akzeptiert“, berichtet Merz. Das komme auch daher, dass einige bei ihm Yogakurse absolviert haben und es sich herumgesprochen hat, dass er keiner gefährlichen Sekte angehört und sogar der Pfarrer gegen eine Figur des lachenden Buddha nichts einzuwenden hat. Yoga – Körperübungen und Meditation – ist religionslos und ein fester Bestandteil seines Lebens. Als „Teilvegetarier“ isst Merz zwar Fisch, aber keine anderen Tiere, auch darauf führt er seine gute Gesundheit zurück, zu der auch eine positive geistige Einstellung und ständige geistige Weiterbildung gehören. Seine fast 80 Jahre sieht man ihm nicht an und der Lotossitz klappt noch ausgezeichnet. Seine berufliche Tätigkeit – er arbeitet stundenweise in der Sauna in der Franken-Therme in Bad Königshofen – macht ihm bis heute Spaß.
Raus aus der Tretmühle
Wie kommt ein Mann aus Frankfurt-Höchst nach Großbardorf? Als seine Frau und er beschlossen hatten, aus der „Tretmühle“ eines Selbstständigen auszusteigen, haben sie sich nach freien Häusern umgeschaut, unter anderem in Großbardorf. „Wir dachten: Hier ist die Welt noch in Ordnung“, berichtet Merz. Das besichtigte Haus hat ihnen gleich gefallen, sie kauften und renovierten es und so wurde aus dem Plan Wirklichkeit. Leider ist seine Frau später wieder weggezogen, das Paar lebt schon lange getrennt. Eine neue Lebensgefährtin gehört inzwischen zum Haushalt.
Das Barfußlaufen passt zum Lebensstil des ehemaligen Frankfurters: Achtsam durchs Leben gehen und immer schauen, wohin man den nächsten Schritt setzt.