„Wie viel Bio kann Rhön-Grabfeld?“ Dieser Frage widmete sich die Auftaktveranstaltung zur Öko-Modellregion Rhön-Grabfeld in der Besengau-Scheuer in Bastheim. Für den Haupt-Referenten des Abends, Felix Prinz zu Löwenstein, war die Antwort klar: Bio-Landwirtschaft ist keine Frage des Könnens, sondern des Müssens. „Wir werden uns ökologisch ernähren oder gar nicht“, ist der Agrarwissenschaftler und Biolandwirt überzeugt.
Dass das Thema dieses Abends den Nerv der Zeit trifft, zeigte die große Besucherzahl. Rund 170 Menschen – darunter natürlich viele Land- und Gastwirte sowie politische Vertreter, aber auch vereinzelt interessierte Privatleute – folgten ohne Pause über drei Stunden dem Vortrag und der anschließenden Diskussion.
Mit dem Abend, so Landrat Thomas Habermann bei der Begrüßung, wolle man für Öko-Landwirtschaft werben und sowohl Landwirte als auch Verbraucher sensibilisieren. Rhön-Grabfeld mit seiner großen Artenvielfalt im Biosphärenreservat Rhön und der wertvollen Kulturlandschaft verpflichte. Damit man die Region eines Tages „besser als wir sie übernommen haben“ an die Nachkommen übergeben könne, müssten jetzt die Weichen richtig gestellt werden.
Peter Will vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten führte als Moderator durch den Abend. Den Referenten Löwenstein, der erst kürzlich für sein Engagement um den Ökolandbau das Bundesverdienstkreuz verliehen bekam, kündigte er als „die deutsche Stimme des ökologischen Landbaus“ an.
Landrat Habermann, bekennender Fan von Löwenstein, wurde noch deutlicher: Dessen Publikationen seien fast so bedeutend wie die Bibel. In Anspielung auf Löwensteins adelige Herkunft erklärte er: „Eure Durchlaucht, wir freuen uns sehr, dass Sie da sind.“
Die Flüchtlingskrise
Im seinem circa einstündigen Vortrag outete sich dann auch Löwenstein als Freund klarer Worte. „Ein Drittel aller Menschen hat nicht ausreichend zu essen.“ Das Thema Ökolandbau, erklärt er, gehe aber auch die anderen zwei Drittel an. Das zeige spätestens die Flüchtlingskrise und der Blick auf deren Ursachen.
Zum Glück habe der Westen für jene Menschen eine Formel gefunden, so Löwenstein sarkastisch: „Ihr seid Wirtschaftsflüchtlinge, bleibt wo ihr wart.“ Ohne Umstellung auf ökologischen Landbau, so Löwensteins These, werde der Welthunger aber noch weiter zunehmen.
Die industrielle Landwirtschaft sei zwar sehr produktiv, aber sie finde „auf Pump“ statt. Als Beispiel nennt er die Grundnährstoffe in der Pflanzenproduktion Phosphat und Stickstoff. In Milliarden Jahren entstandene Phosphatlagerstätten würden in wenigen Jahrzehnten verbraucht.
Seit 1980 habe man zwar die Weltnahrungserträge verdreifachen können, allerdings unter Verzehnfachung des Stickstoffeinsatzes. Stickstoff müsse nicht nur unter hohem Energieaufwand gewonnen werden. Der Stickstoffüberschuss, der nicht von der Pflanze aufgenommen werde, lande außerdem im Grundwasser und als Treibhausgase in der Atmosphäre.
Produktiv aber nicht effizient
Löwenstein folgert: Industrielle Landwirtschaft ist zwar „produktiv, aber nicht effizient“, bewerte man nicht nur das, was am Ende herauskommt, sondern setze es in Beziehung zu dem, was dafür hineingesteckt werden musste.
Auch mit Blick auf die Biodiversität müsse ein Umdenken hin zum Ökolandbau stattfinden. „Die Biodiversität ist das Immunsystem der Erde.“ Sie sei die Voraussetzung dafür, dafür, dass Ökosysteme stabil sind und Nahrung erzeugt werden könnten. Beschädige eine Wirtschaftsform dieses Immunsystem sei es nicht mehr effizient genug, um fortgeführt zu werden.
Eingeschränkte Fruchtfolgen, Überdüngung, zu schwere Maschinen und der Einsatz von Pestiziden schädigen außerdem das Bodenleben. Fruchtbare Böden hingegen könnten durch Humusbildung der Atmosphäre Kohlenstoff entziehen und so den Klimawandel bremsen.
Die Verantwortung
Am deutlichsten würden die Probleme industrieller Landwirtschaft aber in der Tierhaltung. Löwenstein spricht die Verantwortung für die anvertrauten Nutztiere an, aber auch das Thema Antibiotika-Einsatz sowie intensive Tierhaltung als wesentliche Ursache für den Eintrag von Nitrat und Phosphat ins Grund- und Oberflächenwasser.
„Hunger hat nicht mit zu wenig Nahrung zu tun“, ist der Agrarwissenschaftler überzeugt. „Wer Hunger hat, hat keinen Zugang zur Nahrung, es geht also um ungerechte Verteilung.“ Als zwei entscheidende Lösungsansätze nennt er die Reduzierung des Fleischkonsums („Die Hälfte allen Getreides in Deutschland landet im Futtertrog.“) sowie die Verringerung der Lebensmittelverschwendung („Nur die Hälfte des Erzeugten landet überhaupt auf dem Teller.“)
Zum Abschluss thematisiert er noch die Frage: „Wer kann sich denn Bio leisten?“. Die Kosten von „Bio“, so Löwenstein, hingen letztlich mit dem zusammen, was man esse. So hätten die öffentlichen Kantinen in Kopenhagen zu 90 Prozent auf Bioessen umgestellt – bei gleich bleibenden Kosten. Seither komme dort weniger Fleisch und mehr frische Lebensmittel auf den Teller. Zeitgleich sind die Abfälle deutlich reduziert worden.
Außerdem müsse man im Blick behalten: Billig seien konventionell hergestellte Lebensmittel im Supermarkt vielleicht. „Aber sie haben viel mehr gekostet. Würde man diese Kosten internalisieren, könnten sich nur sehr reiche konventionelles Essen leisten.“
Öko-Modellregion
Rhön-Grabfeld ist eine von zwölf staatlich anerkannten Öko-Modellregionen in Bayern. Den Titel bekam der Landkreis bereits im Mai vergangenen Jahres verliehen, seit Januar gibt es nun mit Kai Schmidt für zwei Jahre einen Ökomodellregion-Manager. Ziel der Bayerischen Staatsregierung ist es, den ökologischen Landbau zu fördern und den Anteil von in Bayern produzierten Ökoprodukten zu erhöhen. ir