
Ein Dorfbackhaus war zu allen Zeiten ein kommunikativer Ort, denn dort kamen Familien und Bewohner eines Orts stets zusammen. In erster Linie um Brot zu backen, aber letztlich auch, um sich zu unterhalten und um Neuigkeiten zu erfahren. An diesen Treffpunkt-Charakter dachten auch Manfred Stumpf und seine Mitstreiter, als sie das Projekt "Backhaus" ins Auge fassten.
Fast 500 Stunden ehrenamtlich investiert
Im August 2019 ging es mit vereinten Kräften ans Werk. An vielen Feierabenden und an etlichen Wochenenden wurden die ehemalige Milchsammelstelle, die Toilettenanlage und die frühere zweite Backstube im alten Rathaus entrümpelt und wiederhergerichtet. Es mussten unter anderem der Putz erneuert, die Wände gestrichen und der Boden neu gefliest werden. Alle packten mit an – fast 500 Arbeitsstunden (davon alleine 137 Stunden von Wolfgang Memmel und über 78 Stunden von Helmut Stuhl) investierten sie und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Ausgestattet mit einer gemütlichen Sitzgruppe kann man dort künftig in geselliger Runde beisammensitzen.
Corona bremste alle aus
Ganz ohne Geld geht so etwas aber natürlich nicht. Die Stadt Fladungen, damals noch unter der Leitung von Agathe Heuser-Panten und ihrer Stellvertreterin Eva Kalla, übernahm die anfallenden Materialkosten von rund 9400 Euro und schickte den städtischen Bauhof zur Unterstützung. Doch dann kam auch hier die Corona-Zwangspause. An den Abschluss der Arbeiten oder gar ein Backhausfest war erst einmal nicht zu denken. Während der Zeit der Lockerungen konnten dann noch die restlichen Arbeiten durchgeführt werden, sodass im September 2020 alles in neuem Glanz erstrahlte.

Bei der jetzt endlich erfolgten Einweihung konnten sich alle geladenen Gäste von dem gelungenen Endergebnis selbst überzeugen. "Das war eine große Leistung an bürgerlichem Engagement, darauf kann man stolz sein", lobte Bürgermeister Michael Schnupp, der jedem Einzelnen für seine Hilfe dankte und zum Andenken einen Brotschieber mit den Namen aller Helfer überreichte. "Mit dem Projekt ist das Backhaus zum Schmuckstück unserer Gemeinde geworden", freute sich auch Organisator Manfred Stumpf. Und natürlich zu einem Ort, der für Geselligkeit und Zusammenhalt steht. Das war auch schon früher so in Oberfladungen, wie der gebürtige Oberfladunger Edi Bambach zu berichten wusste.
Gemeinsames Backen hat eine lange Tradition
Backhäuser gehörten früher in die Gemeinden und Ortschaften wie heute der Bäcker. Damals waren die Haushalte nicht so gut ausgestattet, wie sie es heute sind und die Familien hatten nicht so viel Geld, dass sie sich einen eigenen Ofen leisten konnten. Also traf man sich im Backhaus und bereitete dort gemeinsam Brot und Kuchen für die Familie zu. "Das Backen hat man damals auch immer mit einem gemütlichen Beisammensein verbunden", erzählte Bambach.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchs die Bevölkerungszahl durch den Zustrom von Flüchtlingen an – in Oberfladungen gab es auf einmal über 460 Einwohner, sodass ein weiterer Backofen in Betrieb ging. "Die Bewohner des oberen Dorfes benutzten den nördlich gelegenen Backofen und die unteren Dorfbewohner den südlichen Ofen im Rathaus", erinnerte sich Edi Bambach an seine Kindheitstage.
Wärmestube und Badegelegenheit
Beide Backöfen wurden zur damaligen Zeit viel genutzt. Hauptsächlich für das Brotbacken, aber auch als Wärmestuben in den kalten Monaten. "Zum Beispiel nach dem morgentlichen Ratschen an den Kartagen", erklärte Bambach. Früher soll es hier sogar ein Badehaus oder vielmehr ein Badezimmer gegeben haben, wusste Edi Bambach noch zu erzählen. Das Wasser wurde praktischerweise über die Rohre der Backöfen geheizt.
Eine lange Zeit erfüllten die zwei Backöfen in Oberfladungen ihren Zweck, doch in den 1960er Jahren nahm das Interesse am Backen im Backhaus ab. Auch die Flüchtlinge zogen weg und die Einwohnerzahl ging wieder zurück, sodass ein Dorfbackofen völlig ausreichte. Der ist allerdings bis heute in Betrieb. Zum jährlichen Höhepunkt gehört das traditionelle Backhausfest, das für das ganze Dorf eine nicht wegzudenkende Festlichkeit ist, die auch von den Bewohnern der umliegenden Orte gerne besucht wird.
Mit dem neu hergerichteten Aufenthaltsraum direkt neben der Backstube ist das alte Rathaus nun um ein Schmuckstück reicher und wird bestimmt noch lange eine zentrale Rolle in der Dorfgemeinschaft einnehmen.
