
Fährt man hoch zur Waldsiedlung oberhalb von Bad Neustadt, kommt man gehörig ins Schnaufen. Die Atemnot verfliegt schnell, wenn man einen Pulk Kinder lustig brüllen hört: "Wie sammer - guat sammer!" Sie scharen sich auf einem kleinen Grün inmitten der Wohnhäuser um Klaus Kromer. Der ist zertifizierter Nordic-Walking-Trainer.
Ein großes Lob vom Psychiater im Ruhestand
"Luca, geb mal das Start-Kommando!" Der Neunjährige lässt seine Stöcke fallen, stellt sich vor die beiden Staffel-Riegen und schickt seine Mit-Sportlerinnen und -Sportler in den Abschluss-Wettbewerb. "Die haben richtig Spaß dabei", lacht Rudolf Maaser, der Opa von Julius. Er hat sich - wie viele andere Bewohnerinnen und Bewohner auch - das Spektakel vor seiner Haustüre in den vergangenen Wochen sehr gerne angeguckt. Und prompt seinen Enkel aus München, der gerade in Bad Neustadt urlaubt, als Gast angemeldet. "Der kann die Kinder echt begeistern, hat die nötige Autorität, ohne das Ganze in sportlichem Drill zu verpacken!", lobt der Psychiater in Ruhestand Trainer Kromer.

Der 62-jährige ehemalige Fußballer des VfL Bad Neustadt hat sich seit langem dem Sport verschrieben. Und schnell erkannt, dass gerade in Zeiten der Pandemie gezielt etwas mit den Kindern getan werden muss. "Ich bin selbst Opa und habe gesehen, wie schwierig es ist, dass die Kinder in dieser Zeit ihren nötigen Bewegungsdrang ausleben können." Als die ersten Lockerungen im Freien möglich waren, hat er kurzerhand Lea Jess, einer jungen Mutter in seiner Nachbarschaft, die Idee unterbreitet, dass er mit den Kindern gerne einen Nordic-Walking-Kurs machen würde.
Lea Jess hat ihre Kontakte aus dem Mühlbacher Kindergarten genutzt
Schließlich habe er in seiner Ausbildung beim Deutschen Skiverband mitbekommen, wie wichtig regelmäßiges Bewegen bei den Kindern gerade in den zurückliegenden Pandemie-Monaten ist. "Mir ging es auch darum, dass sich die Kinder in unserer Wohngegend und die Familien näher kennenlernen", erzählt Kromer.
Lea Jess hat ganze Arbeit geleistet. Bis zu zehn Kinder im Alter von sechs bis elf Jahren machten bei Kromers Nordic-Walking-Übungsstunden mit. Und die Eltern schauten nicht nur zu, sondern griffen teilweise auch selbst zu den Stöcken. "Wir kennen uns ganz gut vom Mühlbacher Kindergarten", sagt Corina Heß. "Deshalb haben wir den Kurs hier schnell zusammenbekommen."

Kromer hat den Kindern Stöcke besorgt, die individuell auf ihre Größe eingestellt werden. Selbst der dreijährige Justus hat eigene Stöcke. "Die hab ich ihm geschnitzt", lacht Kromer - und lässt die Mädchen und Jungen im Gänsemarsch zum naheliegenden Wald laufen – unter lautem Jubel.

"Mir ist jetzt noch nicht wichtig, dass sie die Technik punktgenau beherrschen. Ich will ihre Koordination schulen beim Laufen mit Stöcken. Das bringt ihnen in der Entwicklung mehr, als ein ausgefeilter Stockeinsatz!" Im Wald geht das Gewusel freudig weiter. Einen kleinen Hang hoch, eine Kuhle sicher runter - alle kommen gut klar mit den Bewegungsaufgaben. Die Kinder setzen ihre Stöcke ein, verwenden sie als Aufstiegshilfe und als Sicherung beim Abwärtsgang.
DSV-Instruktor lässt den Kindern gerne freien Lauf
"Man sieht schnell, wer sich im Gelände wohlfühlt", sagt der DSV-Instruktor. Offensichtlich alle. Denn mit großem Gejohle hüpfen die Mädchen und Buben über kleine Hindernisse, laufen geschwind durch Bäume und Büsche. "Sie merken gar nicht, wie schnell die Zeit vergeht", lacht Klaus Kromer. Bevor er sie wieder sammelt, um sie nach dem freien Lauf aufs Grün in die Waldsiedlung zu bringen. Dort warten die Eltern. Dieses Mal haben sich sechs Erwachsene versammelt. Michael Geißler war zweimal dabei, "nur passiv", schmunzelt er. "Ich finde das Engagement von Klaus Kromer super! Und versuche ihn noch zu überreden, dass er nach dem Nordic Walking einen Schwimmkurs anbietet. Den würden wir auch bezahlen, denn das hier hat er kostenlos gemacht für uns!"
Kromer selbst lacht dazu. Hat aber schon Kontakte mit Schwimmbädern und Bademeistern aufgenommen. Schließlich sollte dieser Kurs nicht der einzige Sport-Reiz in der Entwicklung der Kinder bleiben. Und wie auf Kommando bekräftigen sie das mit ihrem Jubelruf: "Wie sammer? Guat sammer!"