Seit 50 Jahren, seit 1964, steht der Sender Heidelstein auf dem gleichnamigen 926 Meter hohen Berg der Hochrhön. Sorgt seitdem für Fernsehempfang – früher analog, seit 2006 digital. Von dem Stahlrohrsender kommen seither die Signale für das terrestrische DVB-T Fernsehen. Für Radioempfang sorgt der Sender ebenfalls und auch dafür, dass es mit dem Handy-Empfang klappt.
Genauso alt wie der Sender sind die stählernen Spanntrossen, die den 200 Meter hohen Turm mit seinem knapp 20 Meter hohen DVB-T-Sendeaufsatz aufrecht halten. Pardunen heißen die in der Fachsprache. Ein Ausdruck aus der christlichen Seefahrt für die Taue, die auf Segelschiffen die Masten halten. Ohne diese Pardunen würde der Sendeturm keine paar Sekunden stehen bleiben. Denn er steht nur auf ganz kleiner Fläche auf – mit einer Kugel, die wie bei einem Hüftgelenk in einer Pfanne ruht, erklärt Dirk Zinn. Er ist Objektmanager der Deutschen Funkturm GmbH, einer Telekomtochter, die den Sender Heidelstein betreibt. Das gesamte Gelenk hat nur einen Durchmesser von etwa 30 Zentimetern.
Von drei Seiten und auf vier verschiedenen Höhen sind die Stahlseile gespannt, die den Turm seit einem halben Jahrhundert senkrecht halten. Zeit für einen Wechsel. Das haben die jährlichen Überprüfungen ergeben. Die sind bei solchen Stahlseilen vorgeschrieben, erklärt Zinn. „So wie ein Auto regelmäßig zur Inspektion muss.“
Derzeit ist deswegen die Firma Turmbau Steffens und Nölle (TSN) aus Berlin am Heidelstein, um die Pardunen auszutauschen. Insgesamt über 1,8 Kilometer. Auf drei Seiten jeweils immer 630 Meter, wie Christof Bara-nowicz von TNS erklärt. 80 Meter lang ist das jeweils unterste Seil, erklärt er, bei der nächsten Höhe sind es 100, bei der dritte Etage hat das Stahlseil 200 Meter, und das oberste ist 250 Meter lang.
Die neuen Stahltrossen werden nicht mehr ganz so dick sein wie die alten. Die hatten oben einen Durchmesser von 60 unten von 40 Millimetern. Die neuen, so Baranowicz sind oben nur noch 45 und unten 35 Millimeter stark. Dafür, so erklärt er, sind sie widerstandsfähiger. Neue Produktionstechnik mache sie flexibler. Vor allem aber, so erklärt er weiter, ist bei den neuen Stahltrossen die Oberfläche geschlossen. Sie bietet viel weniger Angriffsfläche für Umwelteinflüsse, macht Zinn klar.
Doch das alleine genügt nicht. Zum Schutz bekommen die Stahlseile noch einen Überzug. Das ist kein Lack. „Der würde wegen der Zugbelastungen brüchig werden. Das wiederum würde das Eindringen von Wasser und so Korrosion begünstigen“, sagt Zinn. Es ist ein schmierfettähnlicher Überzug, den die Trossen bekommen, erklärt Baranowicz. Der macht Bewegungen mit und reißt nicht. Schon ab Werk sind die Pardunen damit vorbehandelt. Den endgültigen Überzug erhalten sie aber erst, wenn sie zum Sendemast hochgezogen und befestigt werden. Er wird dann jährlich erneuert.
Aber so einfach die alten Seile kappen und die neuen anbringen geht natürlich nicht. Die Berliner Spezialfirma muss zunächst erst einmal Hilfsseile spannen, bevor die alten Stahlseile gekappt werden können. Sonst käme die ganze Balance des Sendeturms durcheinander.
Aber wie bekommt man schwere Hilfs-Stahlseile und die noch schwereren endgültigen Stahltrossen auf bis zu knapp 200 Meter Höhe an den Turm? Es ist eigentlich ganz einfach, wie Christof Baranowicz erklärt. Großes technisches Gerät wie zum Beispiel einen Helikopter, der die schweren Stahltrossen nach oben hievt, braucht es nicht. Es geht viel simpler und beginnt mit einem dünnen Nylonseil.
Damit klettert ein Mitarbeiter von TSN auf der Leiter innen im Turm hoch. Auf der entsprechenden Höhe gibt es eine Plattform mit Ausstieg nach draußen. Dort wird das Seil über eine Umlenkrolle nach unten gelassen. Und dann wird mit diesem dünnen Seil ein dickeres nach oben gezogen, dann ein noch dickeres und irgendwann dann ein dünneres Stahlseil, an dem das dicke nach oben gezogen und dort befestigt wird. Das Ziehen übernimmt dabei natürlich eine Motorwinde. Per Hand wäre das nur schwer möglich, schließlich wiegt ein Meter der oberen Stahlseile ungefähr elf Kilogramm. Berücksichtigt man, dass die unteren Seile zwar kürzer dafür aber etwas leichter sind, und geht von einem Durchschnittsgewicht von zehn Kilogramm pro Meter Spannseil aus, dann ergibt sich ein Gesamtgewicht der Spanntrossen von rund 18 Tonnen.
Es dauert übrigens seine Zeit, bis man im Sendeturm auf einer schmalen Leiter nach oben geklettert ist – entsprechend gesichert natürlich. Christof Baranowicz, der die Arbeiten am Heidelstein leitet, schätzt, dass er für den Aufstieg so etwa eine Stunde braucht. „Die jungen Arbeiter schaffen das aber auch in der Hälfte der Zeit.“
Ein Vierteljahr dauert so eine Arbeit wie am Heidelstein normalerweise, weiß Baranowicz aus Erfahrung. „Aber in der Rhön kann das auch länger dauern – wegen des Wetters. Es muss trocken sein und ein paar Regentage gab es schon. Wenn alles glatt läuft müsste die Arbeit Ende September beendet sein. Wenn die neuen Spannseile dann alle hochgezogen sind, halten sie wieder 50 Jahre. „Mindestens“, sind sich Zinn und Barano-wicz sicher.