
Zunächst entstanden im Kölner Karneval als Persiflage auf das militärische Benehmen und den Pomp der preußischen Obrigkeit, hat der "Fastnachtsorden" seine ursprüngliche Bedeutung im Laufe der Zeit groteskerweise ins Gegenteil verkehrt: Heute wird er als Belohnung für besonderes Engagement in der närrischen Zeit verliehen. Auch in der Rhöner Fastnacht. Die Neuschter Karnevalsgesellschaft (NES-KA-GE), gegründet im Jahr 1956, hat im Laufe ihrer Vereinsgeschichte sehr viele Fastnachtsorden gesehen und Jahr für Jahr selbst gestaltet. So viel, dass es nun genug ist. Die überschüssigen Fastnachtsorden werden einem Eisenhändler übergeben und dessen Erlös einem guten Zweck zugeführt. Ein historischer Moment. Die Durchsicht der zahllosen Orden, die nun wohl eingeschmolzen werden, weckt erlebte Geschichte und bildhafte Erinnerungen.
"Die Idee, durch die Ordenssammlung etwas für den guten Zweck zu tun, kam eigentlich dadurch, dass durch den Nachlass von verstorbenen Mitgliedern ganze Ordenssammlungen wieder zurück an die NES-KA-GE kamen", erklärt Präsident Michael Pagel alias "Paula", der seit einigen Jahren mit seiner Lebensgefährtin in Oberelsbach wohnt. Zusammen mit der Vorstandschaft habe er sich Gedanken gemacht und die Idee einer Fastnachtsordenssammlung für den guten Zweck weiterentwickelt - ganz getreu dem diesjährigen Corona-NES-KA-GE-Faschingsmotto: "Bissle was geht immer!".
Viele Unterstützer gefunden
Andere Faschingsvereine wurden mit Unterstützung des Fastnachtverbandes Franken angeschrieben und um Überlassung von alten Faschingsorden gebeten. So haben zum Beispiel die Faschingsvereine Bad Brückenau und Altbessing ihren Überschuss aus früheren Jahren der NES-KA-GE zugespielt. Das Kommunalunternehmen des Landkreises Rhön-Grabfeld hat die Aktion mit unterstützt und eine Sammelstation am Wertstoffzentrum in Bad Neustadt aufgebaut. Viele Vereinsmitglieder der NES-KA-GE wollten helfen und unterstützen, aber nicht ihre Sammlung mit Orden aus allen Jahrzehnten auflösen. "Die haben uns dann andere Sachen, wie zum Beispiel ihr Zinngeschirr überlassen", strahlt Michael Pagel. "Wir möchten uns ganz herzlich bei allen Orden- und Zinnspendern für ihr Engagement bedanken", fügt er an.
Mehr als ein Dutzend Kisten hat die Sammelaktion für den guten Zweck ergeben, die nun einige Zeit in der Garage von Pagel gelagert waren. Nun war es soweit und das Altmetall mit den Fastnachtsorden kann ausgelöst werden. Also machte sich Michael Pagel zusammen mit dem jungen Xaver Benkert daran, alle Bändel der Orden abzuschneiden und das Altmetall nach bestem Wissen und Gewissen zu sortieren. "Das hat vier Tage gedauert", berichtet Xaver Benkert.

Jeder Orden ein Unikat
Besonders spannend bei diese Tätigkeit war, die vielen verschiedenen Faschingsorden in den Händen zu halten. Politik, Ortsgeschichte, bekannte Gebäude und Persönlichkeiten, all das bot sich über die vielen Jahre als Motiv an. Die Aussage der Orden variiert bis heute zwischen Spott, grafischer Aussage und Ehrbezeugung. Im Jahr 1968 zeigte der Orden das sich im Bau befindliche Hallenbad mit dem Motto "Neuscht baut’s Hallenbad", im Jahr 1969 den "Bertram", das Maskottchen, welches verblüffende Ähnlichkeit mit dem Hohntor aufweist. "Jeder Orden hat seine Geschichte und sein Erlebnis", erklärt Pagel, "Deswegen ist es schwierig, einen oder anderen Orden im Lauf der Geschichte der NES-KA-GE besonders herauszuheben", pflichten ihm der Vorsitzende der Fastnachtsjugend Sebastian Kergaßner und Vizepräsident Alexander Kröckel bei.
"Irgendwie bekommt man aber doch Gänsehaut, wenn man die vielen Orden auf einen Haufen anschaut." Im Laufe dieser oder nächster Woche werden die Fastnachtsorden und sonstiges im Rahmen der Aktion gesammelte Altmetall zum Metallhändler gefahren. Der Erlös wird dem Wünschewagen des Arbeiter- und Samariterbundes Würzburg zu Gute kommen, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, letzte "Herzenswünsche" zu erfüllen. "Ich bin wirklich gespannt, wie viel Kilo nun zum Schluss herauskommt", so Pagel.